Es war der erste große Talkshow-Auftritt nach seiner viel diskutierten „Auszeit“: Der Tübinger OB Boris Palmer hat am Donnerstagabend bei Markus Lanz geschildert, wie er nach einem Eklat um einen Judenstern-Vergleich an seiner „Impulskontrolle“ gearbeitet habe. Dabei spielten auch sehr persönliche Eindrücke und die tragische Geschichte seines Vaters Helmut Palmer eine Rolle.
Er habe in seiner einmonatigen Auszeit im Juni mit einem Coach an sich gearbeitet, berichtete Boris Palmer bei Lanz. Der Shitstorm nach einem Vorfall bei einer Migrationskonferenz in Frankfurt/Main sei so groß gewesen, dass er an einem „toten Punkt“ angekommen sei und erkannt habe: „Ich muss jetzt irgendwie mal raus aus dieser Mühle. Ich schaffe das auch nicht mehr. Das zermürbt mich.“ Er habe aber keine „Therapie“ im engeren Sinne gemacht, sich aber „kurz checken lassen“, ob das das Richtige wäre. Die Gespräche hätten gezeigt, dass es nicht um etwas Krankhaftes gehe. „Es geht wirklich darum, Techniken der Selbstbeherrschung zu trainieren.“
Judenstern-Vergleich löst Empörung aus
Der Tübinger OB hatte sich am 1. Juni in eine vierwöchige Auszeit verabschiedet. Der Grund dafür war ein Eklat rund um Aussagen Palmers am Rande einer Migrationskonferenz Ende April in Frankfurt/Main, wo er mit Demonstranten aneinander geriet, die ihn wegen der Verwendung des „N-Worts“ als Nazi bezeichneten; Palmer reagierte darauf mit dem Satz: „Das ist nichts anderes als der Judenstern.“ Nach dieser Eskalation und einer Diskussion um Verharmlosung des Holocaust war er auch bei den Grünen ausgetreten. Viele auch langjährige Unterstützer wie sein Anwalt Rezzo Schlauch hatten sich nach dem Vorfall von ihm abgewandt.
Palmer: So etwas darf mir nicht passieren
Palmer gab sich bei Lanz geläutert. „Das war ein Fehler, so etwas darf mir nicht passieren“, sagte er. Es gebe in Deutschland aus gutem Grund eine „rote Linie“, die Vergleiche mit dem Holocaust verbiete. Palmer erklärte seine Reaktion mit der emotional aufgeheizten Situation in der Auseinandersetzung mit den Demonstranten, er sei umringt und beschimpft worden.
Außerdem schilderte Palmer seine sehr persönliche Familiengeschichte rund um seinen Vater, den „Remstal-Rebellen“ Helmut Palmer, der selbst als unehelicher Sohn eines Juden diskriminiert wurde – und zeitlebens gegen echte und vermeintliche Altnazis in Politik und Verwaltung kämpfte. Dreimal sei Helmut Palmer wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Beamtenbeleidigung im Gefängnis gewesen, als Boris Palmer noch ein Kind war. Weil Helmut Palmer eine Verurteilung als Unrecht empfand, habe er sich bei der sich bei der Einlieferung ins Gefängnis einen Judenstern auf „Gefängniskleidung“ geklebt. Boris Palmer habe in der Situation mit den Demonstranten „meinen Vater vor mir gesehen, mit diesem Protest-Judenstern“. Er habe in der Situation „verkannt“, dass so eine Assoziation sich verbiete und den „schweren Fehler“ des Judenstern-Vergleichs gemacht. Wie sein Vater neige er dazu, erst recht nicht nachzugeben und sich vorschreiben zu lassen, was er sage, „wenn ich mich im Recht fühle“.
Journalistin zollt Palmer „Respekt“
Insgesamt gab sich Palmer geläutert und sagte, er habe sich vorgenommen, sich bei Äußerungen zur Tagespolitik zurückzuhalten. Die Journalistin Eva Quadbeck zollte ihm „Respekt“, sich so selbst zu reflektieren – fragte aber auch: „Warum hat Herr Palmer das nicht eigentlich vor 20 Jahren gemacht, vielleicht wäre er dann noch Mitglied der Grünen und Aspirant, in Baden-Württemberg der Ministerpräsident zu werden.“ Im Netz kam Palmers Auftritt nicht bei allen gut an. So kommentierte ein User einen Video-Schnipsel aus der Sendung mit den Worten „Boris Palmer hat nichts verstanden. Unfassbar.“
Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in Tübingen. Mit Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachten aber auch sein Management während der Corona-Pandemie sowie seine kommunale Umweltpolitik.
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