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Eklat um Boris Palmer: So reagieren Freunde, Parteikollegen und Prominente auf Palmers ausfallende Worte
N-Wort benutzt und Judenverfolgung relativiert: Viele Weggefährten distanzieren sich mehr oder weniger von Boris Palmer. Öffentlich zu ihm hält kaum noch jemand.
Die Situation war längst eskaliert und doch kam die Nachricht überraschend: Boris Palmer ist bei den Grünen ausgetreten. Wenige Tage vorher hatte er vor einer Veranstaltung in Frankfurt einem Dunkelhäutigen das N-Wort ins Gesicht gesagt und sich später auf der Bühne dafür gerechtfertigt. Anschließend sah sich der Moderator außer Stande, weiter durch die Veranstaltung zu führen.
Ist Palmer bewusst eskaliert oder hat er sich spontan provozieren lassen? Gut möglich, dass wir das nie erfahren. Doch Palmer ist bei Weitem nicht zum ersten Mal verbal entgleist. Dieses Mal fallen die Reaktionen aber besonders heftig aus. Einige Weggefährten haben sich öffentlich vom Tübinger Oberbürgermeister distanziert, andere stehen weiter zu ihm. Doch fast alle haben Palmer für seine Aussagen kritisiert. Hier haben wir einige Reaktionen zusammengestellt:
Kretschmann kritisiert Palmer scharf – bedauert ihn aber auch
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die umstrittenen Äußerungen von Boris Palmer am Rande einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main scharf kritisiert. „Mit seinem Vergleich mit dem Judenstern hat er eine Grenze überschritten, die er nicht überschreiten darf“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. „Ich habe ihm deutlich gesagt, dass man eine solche Äußerung unter keinen Umständen machen darf.“
Eine gute Stunde bevor diese Reaktion Kretschmanns öffentlich wurde, veröffentlichten die Nachrichtenagenturen dpa und AFP eher versöhnliche Aussagen des Ministerpräsidenten. Demnach bedauert Kreschmann Palmers Parteiaustrittbedauert. „Persönlich tut es mir Leid um diesen klugen Kopf, der unsere Partei über eine sehr lange Zeit streitbar bereichert hat“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag (2.5.) in Stuttgart. Es sei „ein ziemliches Drama zu Ende gegangen“, sagte Kretschmann. „Das berührt uns sehr. Ich finde das außerordentlich schmerzlich, was da passiert ist.“
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer Respekt gezollt für seinen Parteiaustritt, aber kein Bedauern darüber geäußert. „Es gab ja Gründe, warum wir viele Diskussionen alle miteinander hatten“, sagte er am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Palmers Schritt sei „respektabel, und ich wünsche ihm ein gutes Leben“.
Am Sonntag (30.4.) wandte sich Palmers Rechtsanwalt, der Grünen-Politiker Rezzo Schlauch, von dem Tübinger Oberbürgermeister ab, dessen Mitgliedschaft bei den Grünen aufgrund unterschiedlicher Meinungen auch zum Thema Zuwanderung bis Ende dieses Jahres ruht.
Der Tübinger Bundestagsabgeordnete Chris Kühn hat den Parteiaustritt von Boris Palmer als konsequenten Schritt bezeichnet. Palmer habe sich besonders seit 2015 inhaltlich und programmatisch weit von der Partei entfernt, sagte Kühn der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Insoweit war das ein konsequenter Schritt nach einer Entfremdung, die sich über viele Jahre abgezeichnet hat“, kommentierte er den Parteiaustritt Palmers.
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Der Eklat um den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat Folgen über die Politik hinaus. „Das hat enormen Schaden angerichtet“, sagte die Organisatorin der Konferenz, bei der Palmer vergangene Woche zu Gast war, Prof. Susanne Schröter. „Das ist mehr als ein Sturm im Wasserglas.“ Schröter leitet das Forschungszentrum Globaler Islam, das die Tagung organisiert hatte, bei der Palmer Dinge sagte, die auch Schröter „unsäglich“ findet.
Das Zentrum steht seit Jahren in der Kritik. Schon bei einer Konferenz zum Thema Kopftuch wurde Schröter angefeindet. Auch im Vorfeld dieser Konferenz, bei der Palmer über Migration sprechen sollte, habe es „Mobbing“ gegen sie gegeben. Je nach Thema werde ihr wahlweise vorgeworfen, eine zu liberale Position zu vertreten oder rassistisch zu sein. „Das war ich nie, ich vertrete pragmatische Positionen.“
Dieter Thomas Kuhn ist irritiert
Noch bei der Tübinger Oberbürgermeisterwahl hatte Dieter Thomas Kuhn Boris Palmer unterstützt, jetzt nimmt der Schlagersänger eher Abstand von ihm. „Ich bin etwas ratlos, wie ich mit ihm umgehen soll“, sagte Kuhn am Dienstag.
Er teile das Unverständnis über Palmers Aussagen und verstehe, dass diese als rassistisch empfunden werden können, sagte Kuhn. Ganz abwenden möchte er sich aber noch nicht, er will abwarten, wie es mit Palmer weitergeht. „Wir haben mit ihm in Tübingen ja einen guten Oberbürgermeister gehabt.“ Erst als sich Palmer in den vergangenen Jahren in die Landespolitik eingebracht habe, sei etwas schiefgelaufen, meinte der Sänger. Ihn und Palmer verbindet nach Aussage von Kuhn eine langjährige Freundschaft.
Ärztin Lisa Federle hält trotz Eklat weiter zu Palmer
Relativ deutlich zu Palmer bekannt hat sich dagegen die bekannte Tübinger Ärztin Lisa Federle. „Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich ihm beistehen werde“, sagte sie am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. Gleichzeitig könne sie die Kritik an seinen Aussagen verstehen. Zuerst hatten „Stuttgarter Nachrichten“ und die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet.
Federle hatte während der Corona-Pandemie mit ihrem Team das „Tübinger Modell“ bundesweit bekannt gemacht. Dabei waren mit einem negativen Corona-Test schon früh in der Pandemie etwa Außengastronomie oder Kulturvorführungen erlaubt. In diesem Zusammenhang lobte Federle immer wieder die Zusammenarbeit mit Boris Palmer als Oberbürgermeister.
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Antisemitismusbeauftragter distanziert sich von Palmers Aussagen
Nach Ansicht des Beauftragten der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume, haben die „Judenstern-Entgleisung“ und andere Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer „dem Ansehen nicht nur von Tübingen geschadet“. Dieser habe wiederholt Betroffene von Rassismus verletzt. „Ich begrüße es, dass sich Boris Palmer nun endlich Hilfe suchen möchte“, sagte Blume am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).
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Mit dem Begriff „N-Wort“ wird eine im heutigen Sprachgebrauch stark herabwürdigende und rassistische Fremdbezeichnung für schwarze Menschen umschrieben. Ursprünglich stammt der Begriff vom lateinischen Wort für schwarz ab („niger“). Er wurde besonders häufig ab dem 19. Jahrhundert verwendet - ab der Hochzeit des Kolonialismus. Gemeint waren damit Menschen, die man einer schwarzen Rasse zuordnete und vielfach klischeehaft etwa als primitiv oder kannibalistisch ansah.
Das „N-Wort„ sei in der Geschichte der Versklavung und Kolonisierung situiert und damit ein Begriff, der mit Brutalität, Verwundung und Schmerz einhergehe, schreibt die schwarze Schriftstellerin und Psychologin Grada Kilomba in einem Aufsatz für die Bundeszentrale für politische Bildung.