Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich nach seinem Parteiaustritt und seiner Ankündigung, eine Auszeit zu nehmen, krankgemeldet. „Herr Palmer ist krank und steht heute nicht für Anfragen zur Verfügung“, teilte eine Sprecherin der Stadtverwaltung am Dienstag mit. Wie seine angekündigte Auszeit konkret aussehen soll, ist auch der Stadtverwaltung nicht bekannt. Am Dienstagabend wurde bekannt, dass sich Palmer eine einmonatige Auszeit nimmt. Das teilte die Stadtverwaltung mit.
Palmer hatte am Montag (1.5.) seinen Austritt bei den Grünen erklärt und zuvor angekündigt, eine „Auszeit“ zu nehmen. Am Rande einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main hatte Palmer am Freitag Stellung zu Art und Weise seiner ungekürzten Verwendung des „N-Wortes“ genommen. Als er mit „Nazis raus“-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi.“ Mit dem Begriff „N-Wort“ wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Palmer war heftig kritisiert worden. In einer persönlichen Erklärung vom Montag betonte Palmer, er hätte als Oberbürgermeister „niemals so reden dürfen“. Er wolle daher in einer Auszeit „professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“.
Wie lange dauert Palmers Auszeit?
Palmer will eine einmonatige Pause im Juni einlegen. In der Zeit übernimmt der Erste Bürgermeister Cord Soehlke (parteilos) gemeinsam mit Bürgermeisterin Daniela Harsch (SPD) die Amtsgeschäfte, wie die Stadt Tübingen am Dienstag mitteilte.
Palmer will nach Angaben der Stadt währenddessen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. „Auch wenn dieser Zeitraum sicher nicht ausreichen wird, um die vor mir stehende Aufgabe vollauf zu lösen, bin ich doch zuversichtlich, dass es mir gelingen wird, sie anzugehen, genug Abstand zu gewinnen und Kraft zu schöpfen“, teilte Palmer in einem Schreiben an alle Beschäftigten der Tübinger Stadtverwaltung mit.
Laut Mitteilung der Stadt ist Palmer derzeit wegen eines Atemweginfekts krankgeschrieben. Sobald die Symptome abklingen, will er demnach bis zum Beginn seiner Auszeit wieder als Oberbürgermeister arbeiten. Palmer kündigte an, dann auch öffentliche Termine und die Leitung von Gemeinderatssitzungen bis Ende Mai wieder zu übernehmen. Verzichten wolle Palmer allerdings auf die Teilnahme an Veranstaltungen, die Anlass zur Konfrontation bieten könnten. Weitere Details nannte die Stadt nicht.
Empfohlener Inhalt der Redaktion
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Facebook, der den Artikel ergänzt. Sie können sich diesen mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt
Sie erklären sich damit einverstanden, dass Ihnen externe Inhalte von Facebook angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.
Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Kretschmann kritisiert Palmer scharf – und bedauert seinen Parteiaustritt
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die umstrittenen Äußerungen von Boris Palmer am Rande einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main scharf kritisiert. „Mit seinem Vergleich mit dem Judenstern hat er eine Grenze überschritten, die er nicht überschreiten darf“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. „Ich habe ihm deutlich gesagt, dass man eine solche Äußerung unter keinen Umständen machen darf.“
Er selbst habe mit dem Tübinger Oberbürgermeister am Wochenende nicht persönlich gesprochen, habe aber einen Schriftwechsel mit ihm geführt. „Ich habe ihm keinen Rat gegeben“, sagte Kretschmann. Auch wolle er Palmer keine öffentlichen Ratschläge geben. „Aus der Situation, in er sich damit selbst gebracht hat, muss er selbst rausfinden.“
Eine gute Stunde bevor diese Reaktion Kretschmanns öffentlich wurde, veröffentlichten die Nachrichtenagenturen dpa und AFP eher versöhnliche Aussagen des Ministerpräsidenten. Demnach bedauert Kreschmann Palmers Parteiaustrittbedauert. „Persönlich tut es mir Leid um diesen klugen Kopf, der unsere Partei über eine sehr lange Zeit streitbar bereichert hat“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag (2.5.) in Stuttgart. Es sei „ein ziemliches Drama zu Ende gegangen“, sagte Kretschmann. „Das berührt uns sehr. Ich finde das außerordentlich schmerzlich, was da passiert ist.“
Palmers Entscheidung, bei den Grünen auszutreten, nötige ihm Respekt ab, sagte der Regierungschef. Dass Palmer nun eine Auszeit nehmen will, hält Kretschmann für richtig. „Ich wünsche ihm, dass er diese Zeit gut für sich nutzen kann.“ Zu diesem Zeitpunkt hatten die Nachrichtenagenturen noch nicht berichtet, dass sich Kretschmann von Palmers Judenstern-Vergleich distanziert.
Palmer hat „dem Ansehen nicht nur von Tübingen geschadet“
Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume hat sich dagegen deutlich kritischer zu Palmer geäußert: Die „Judenstern-Entgleisung“ und andere Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer hätten „dem Ansehen nicht nur von Tübingen geschadet“. Dieser habe wiederholt Betroffene von Rassismus verletzt. „Ich begrüße es, dass sich Boris Palmer nun endlich Hilfe suchen möchte“, sagte Blume am Dienstag (2.5.) dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Grünen-Vorsitzender wünscht Palmer „ein gutes Leben“
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer Respekt gezollt für seinen Parteiaustritt, aber kein Bedauern darüber geäußert. „Es gab ja Gründe, warum wir viele Diskussionen alle miteinander hatten“, sagte er am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Palmers Schritt sei „respektabel, und ich wünsche ihm ein gutes Leben“.
Die Tübinger Grünen äußerten Respekt für die Entscheidung Palmers, zeigten sich aber auch offen für eine weitere Zusammenarbeit. Mitglieder vor Ort hätten „große Anstrengungen für eine Annäherung unternommen“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Kreis- und Stadtverbands der Partei. Angesichts der jüngsten Äußerungen Palmers sei der Austritt aber ein „konsequenter Schritt“. Man wolle nun weiter daran arbeiten, dass Tübingen bis 2030 klimaneutral werde - wenn möglich auch weiter gemeinsam mit Palmer: „Wenn sich Möglichkeiten der inhaltlichen Zusammenarbeit mit Oberbürgermeister Boris Palmer für die sozialökologische Weiterentwicklung unserer Stadt ergeben, sind wir dazu bereit.“