Nach Monaten ohne ausreichende Niederschläge könnten am Rhein weitere Rekord-Tiefstände des Wasserpegels gemessen werden. In Emmerich, wo am Montagmittag nur noch zwei Zentimeter angezeigt wurden, seien bald sogar ein Pegelstand von Null und später sogar negative Messwerte möglich, teilte die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung über ihr Portal „Elwis“ mit. Der bisherige Tiefstand hatte bei sieben Zentimetern Ende Oktober 2018 gelegen.
Die Pegelstände sind nicht zu verwechseln mit dem tiefsten Punkt im Fluss. Die Fahrrinnen für die Berufsschifffahrt sind deutlich tiefer als der Wasserstand laut Pegel. Auch flussaufwärts wackeln bisherige Negativrekorde, die meist aus dem extremen Niedrigwasser im Oktober 2018 stammen.

Regen bringt wohl nur wenig Entspannung

Zwar ist für diese Woche Regen angekündigt, doch wird die Lage an den Flüssen und Seen aus Sicht der Hochwasservorhersagezentrale angespannt bleiben. Es seien zwar bis zur Wochenmitte einzelne Schauer und teils kräftige Gewitter vorhergesagt, heißt es im Lagebericht der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) von Montag. Die Niederschläge seien aber weder lang andauernd noch ergiebig genug. „Eine nachhaltige Entspannung der Niedrigwasserlage ist somit vorerst nicht in Sicht“, warnen die Experten. „Zu erwarten sind allenfalls lokale und kurzfristig vorübergehende Wasserstandsanstiege.“

Höhere Spritpreise und weitere Folgen für Süddeutschland

Das Niedrigwasser am Rhein sorgt für immer mehr Probleme in vielen Lebensbereichen, denn Deutschlands größter Fluss ist ein unersetzlicher Transportweg – gerade auch für Baden-Württemberg.
  • Schifffahrt Das Niedrigwasser hat starke Auswirkungen auf die Schifffahrt. „Für die Binnenschifffahrt bedeuten niedrige Pegelstände, dass die Schiffe, um eine Grundberührung zu verhindern, weniger Ladung mitnehmen können“, betont der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. Wie groß die Einbußen bei der Transportkapazität sind, kann der Verband nicht beziffern.Der Duisburger Logistik-Dienstleister HGK Shipping teilte aber bereits mit, größere Schiffe könnten aufgrund ihres gewöhnlichen Tiefgangs an bestimmten Stellen am Oberrhein nicht mehr fahren. Die Ladung, die sonst ein Frachter transportiere, müsse wasserstandabhängig auf immer mehr Binnenschiffe verteilt werden. „Hierzu fehlen allerdings aktuell die Kapazitäten“, berichtete Firmenchef Steffen Bauer.
  • Teureres Benzin Vor allem Autofahrer in Süddeutschland bekommen die Folgen des Niedrigwassers beim Tanken im Portemonnaie zu spüren. Nach einer Marktuntersuchung des Bundeskartellamts mussten sie nicht zuletzt wegen der durch das Niedrigwasser gestiegenen Transportkosten schon Anfang August deutlich tiefer für Benzin und Diesel in die Tasche greifen als Autofahrer im Bundesdurchschnitt. Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Tankstellengewerbes, sagt, der Rhein sei für die Branche der entscheidende Transportweg zur Versorgung Süddeutschlands. Benzin oder Diesel könnten nicht in ausreichender Menge per Bahn oder Lastwagen transportiert werden. „Dafür ist die Logistik nicht ausgelegt. Dafür haben wir den Rhein.“ Der Ölindustrieverband En2x hatte bereits in der vergangenen Woche über Engpässe in der Tankstellenversorgung im Süden berichtet. „Mineralölprodukte sind ausreichend vorhanden, aber wir sehen uns mit großen Herausforderungen konfrontiert, Benzin, Diesel oder Heizöl zur rechten Zeit und in ausreichender Menge an die Zielorte zu transportieren.“
  • Energieversorgung Für Probleme sorgt das Niedrigwasser aber auch bei der Versorgung von Kraftwerken mit Kohle – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die Meiler wegen des Ukrainekrieges Gaskraftwerke ersetzen sollen. Schon in der ersten Augustwoche kündigte der Energieversorger Uniper an, die Stromproduktion in seinem Kraftwerk Staudinger 5 im hessischen Großkrotzenburg möglicherweise wegen mangelnden Nachschubs drosseln zu müssen. Eine Rechtsverordnung soll nun im Schienenverkehr Transporten von Öl, Gas, Kohle und Transformatoren vorübergehend Vorrang geben.
  • Zwangspause für Rheinfähren Während Frachtschiffe auf dem Rhein häufig zumindest mit verminderter Ladung fahren können, müssen immer mehr Autofähren ihren Betrieb einstellen. Am Montagmorgen traf es die Rheinfähre in Nierstein. Doch auch etliche andere Fähren sind betroffen: etwa die Fähren in Zons, in Köln-Langel/Hitdorf und in Rees am Niederrhein. Für die Nutzer bedeutet dies oft lange Umwege.

Bodensee-Pegel nähert sich Rekord-Niedrigstand

Auch im Südwesten wackeln Rekorde: Vor allem am Bodensee nähert sich der Wasserstand weiter Zentimeter um Zentimeter einem Rekordwert für diese Jahreszeit. Am Montagmorgen war es der drittniedrigste an einem 15. August gemessene Stand am Pegel Konstanz seit 1850. Der Wert betrug nach Angaben der Hochwasservorhersagezentrale 305 Zentimeter – das sind nur noch 7 Zentimeter mehr als 1949 (298 Zentimeter) und 3 Zentimeter mehr als im Jahr 2003 (302 Zentimeter). Das Wasser des Bodensees stehe derzeit rund 90 Zentimeter niedriger, als es für die Jahreszeit üblich sei, heißt es im Lagebericht.
Für die Jahreszeit außerordentlich niedrig ist auch der Wasserstand und Abfluss im Oberrhein. Im Neckar sind die Abflüsse laut LUBW für den Monat August ebenfalls sehr niedrig. Allerdings können die Wasserstände zwischen Plochingen und Mannheim durch Stauhaltungen geregelt werden.
Von Januar bis Juli fielen in Baden-Württemberg nur rund 70 Prozent der Niederschläge des langjährigen Mittelwerts. An rund 85 Prozent der Pegel im Land liegen die Wasserstände unterhalb des niedrigsten Wasserstandes in einem durchschnittlichen Jahr. Das Wasser im Rhein bei Karlsruhe und im Neckar bei Besigheim ist zudem überdurchschnittlich warm.