Deutschland dürfte am Montag in weiten Teilen ins Verkehrschaos stürzen. Mit einem doppelten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi den Verkehr weitgehend lahmlegen. Ausfälle und Verspätungen betreffen Millionen Reisende und Pendler.

Welche Bereiche sind betroffen?

Der öffentliche Verkehr in großem Umfang – und mit bestimmten Autobahnen auch Teile des Autoverkehrs. Die EVG bestreikt die Bahn, sodass der Betrieb im Fern-, Regional-, und S-Bahn-Verkehr stillsteht. „So gut wie kein Eisenbahnverkehr“ werde möglich sein, sagt Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Der Fernverkehr werde komplett eingestellt. Bestreikt werden auch die Flughäfen – laut Flughafenverband ADV können etwa 380 000 Geschäfts- und Privatreisende nicht abheben. Etwa am größten Airport in Frankfurt am Main kommt der Passagierverkehr zum Erliegen. Stark eingeschränkt werden soll auch die Binnenschifffahrt.

Was ist im Nahverkehr geplant?

Hier soll in sieben Bundesländern so gut wie nichts mehr gehen – in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und in Bayern. Bereits Anfang März hatte Verdi in diesen Ländern Busse, Bahnen, Straßenbahnen zum Stillstand gebracht.

Was kommt auf und Autofahrer zu?

Geschlossene Tunnel – aber zunächst war noch nicht klar, wo genau. „Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen“, kündigte Verdi-Vize Christine Behle an. Diese würden geschlossen, die Durchfahrt sei faktisch dann unmöglich. Als Beispiel nannte Behle den Elbtunnel in Hamburg.

Wann beginnt der Großstreik genau?

In der Nacht auf Montag um 0 Uhr soll es losgehen – 24 Stunden soll der Ausstand andauern. EVG-Chef Martin Burkert empfahl Reisenden ausdrücklich, am Sonntag rechtzeitig am Ziel zu sein. Auf offener Strecke sollen Reisende aber nicht stranden. „Wir werden keinen Fahrgast aus dem Bus werfen“, sagte Behle.

Was bedeutet der Streik für die Schifffahrt?

Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen und etwa der Hamburger Hafen sollen bestreikt werden. Bestimmte Bereiche seien dann komplett blockiert, der Hamburger Hafen werde für große Schiffe teils nicht mehr erreichbar sein.

Gab es schon derartige Gemeinschaftsstreiks?

Ja, Anfang der 1990er Jahre. Damals wurden während eines sogar mehrwöchigen Streiks der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland gleichzeitig bestreikt. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf – nicht um einen Warnstreik.

Sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich?

„Das ist eine ungewöhnliche Sache“, sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend. Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: „Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.“

Bleibt ein Streiktag dieses Ausmaßes einmalig?

Das ist offen. Die Gewerkschaften zeigen sich äußerst entschlossen. Verdi-Chef Frank Werneke: „Wir können streiken.“

Warum gibt es den Superstreiktag?

Aus Sicht der Gewerkschaften zeigen die Arbeitgeber zu wenig Bewegung. Mit der Großaktion lassen sie zur dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst die Muskeln spielen. Für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen verlangen Verdi und der Beamtenbund dbb 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die EVG kämpft mit mehreren Unternehmen.

So könnte es weitergehen

Die Arbeitgeber reagieren mit heftiger Kritik. „Nicht ok“ ist die massive Ankündigung für die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge. Sie argumentiert, dass ein Ergebnis schließlich in der dritten Runde in Potsdam gefunden werden könne. Auch Bahn-Personalvorstand Martin Seiler forderte „eine zügige Lösung“ statt eines großen Warnstreiks.
Für den öffentlichen Dienst erinnert Tarifexperte Thorsten Schulten an den Ablauf bei der Post: Hier hatten sich die Verdi-Mitglieder bereits per Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Doch dann folgte kurzerhand eine weitere Verhandlungsrunde – und eine Einigung. So etwas sei auch beim öffentlichen Dienst denkbar. Falls es in Potsdam in der kommenden Woche keine Einigung gibt, würde aber wohl zuerst der Versuch einer Schlichtung unternommen, meint Thorsten Schulten. dpa