Vom Eklat, den der malaysische Tourismusminister bei der Eröffnung ausgelöst hat, ist im bunten Pavillon des südostasiatischen Landes auf der Tourismusmesse ITB in Berlin schon nichts mehr zu spüren. Es gebe keine Homosexuellen in Malaysia, hatte Datuk Mohamaddin bin Ketapi vor Journalisten behauptet. Ein Fauxpas inmitten einer Umgebung, in der Staaten um Besuche aller Touristen werben.
Statt Staatsdienern stehen nun junge Studenten hinter den Tischen mit den Hochglanz-Broschüren, die für Regenwald-Idylle und weiße Strände in Malaysia werben. „Auch schwule Touristen sind bei uns willkommen“, sagt Saygid Abdul Halim. „Sie sollten sich nur nicht in der Öffentlichkeit küssen. Das wird nicht gerne gesehen.“
Der 24-jährige Malaysier studiert in Zwickau Maschinenbau. Seine guten Deutschkennisse haben ihm den Nebenjob am Berliner Funkturm beschert. Ansonsten wird auf der weltgrößten Reisemesse größtenteils Englisch gesprochen.
Zwischen Anzugmenschen bahnen sich philippinische Tänzer in Baströcken den Weg zum nächsten Auftritt. Auch wenn die Urlaubsparadiese zur 53. ITB über Bildschirme angepriesen werden, ein bisschen Folklore muss sein.
Und so wird in der China-Halle auf der Harfe geklimpert und Grüner Tee gereicht. Die Türkei hat sich von der Krise erholt. Statt nach Nüssen riecht es nach Parfüm von neuen Luxus-Malls der türkischen Riviera, das zum Messepreis angeboten wird. Die Mitarbeiterinnen von Turkish Airlines erinnern in ihrem schicken Retro-Look an Pan-Am-Stewardessen.
Die nachgebaute Flugzeugkabine von Qatar Airways wirkt dagegen wie ein Raumschiff. So lässt es sich bequem nach Dubai reisen. Der superreiche Ölstaat wirbt mit seiner 2016 eröffneten Oper und der Expo 2020.
Auf Kultur setzt auch Abu Dhabi, das in seinem eigenen „Louvre“ gerade eine Rembrandt-Ausstellung eröffnet hat. Ein echter Geheimtipp scheint aber Fujairah zu sein. Ein kleines Emirat, das zwar nicht viel westliche Kultur, aber dafür die längsten Strände am Golf von Oman bietet.
Überhaupt ist Asien schwer im Kommen. Die indische Halle wurde nach den vergangenen Rekordjahren erneut vergrößert. Die Anbieter locken mit Skitouren, Wildwasser-Rafting und Paragliding. Jüngst verkündete die Messe Berlin, dass sie nächstes Jahr die erste Ausgabe der neuen „ITB India“ in Mumbai ausrichten wird.
Aber nicht ohne Malaria-Schutz. Als Krankenschwester verkleidete Messe-Hostessen verteilen Spritzen-Kulis als Werbung für kostenlose Reise-Impfungen.
Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, der bleibt gleich im eigenen Land. Das scheint auch preiswerter. Eine Woche für vier Leute im Familien-Apartment in Bad Füssing ist bei Lidl-Reisen schon für 599 € zu haben.
Mitschunkeln heißt es an einem anderen Stand, an dem eine Akkordeonlady mit bekannten Shanty-Liedern Seefahrerromantik auslöst. Baden-Württemberg wirbt dagegen mit seinen Klöstern und Schlössern und der Bundesgartenschau in Heilbronn.
Dort droht auch noch nicht der „Overtourism“. Von Touristenmassen genervt fühlen sich inzwischen nicht nur die Einheimischen in Barcelona, Amsterdam und Venedig. Auch im kroatischen Dubrovnik strömen täglich tausende Touristen aus mehreren Kreuzfahrtschiffen in die Altstadt.
Deshalb weichen die Deutschen lieber an die Adria-Küste nach Montenegro aus. Im Land der „schwarzen Berge“ hat gerade ein neues Skigebiet eröffnet. Voriges Jahr haben schon 55 Prozent mehr deutsche Urlauber den Weg in das Land gefunden.
GPS-gesteuerter Audio-Guide
„Wir werden unsere Aktivitäten hier weiter ausbauen“, kündigt Tourismuschefin Radak-Kukavic an. Unter anderem Montenegro Airlines biete zusätzliche Verbindungen ab Leipzig an. Wer gut gelandet ist, kann mit einem neuen GPS-gesteuerten Audioguide zur tiefsten Schlucht Europas wandern.
Für Reise-Technologien hat die Berliner Messe erstmals eine eigene Halle eingerichtet. Neben neuen Online-Buchungssystemen für allerlei Freizeitaktivitäten präsentieren sich dort auch kleine Start-ups. Simone Belfi hat einen Audioguide für Zugreisende in der Schweiz entwickelt. An jeder Station bekommen die Reisenden über das Smartphone etwas über die Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke erzählt.
Das Hauptprodukt der Berlinerin ist aber eine App für Paddler mit Kartenmaterial aus ganz Europa. „Die Informationen reichen von Gewässereigenschaften bis zu Schleusen-Öffnungszeiten“, erklärt Belfi. Noch ist die „Canua“-App kostenlos und das bleibt sie auch, wenn Belfi auf der Messe Werbekunden findet.
Am Wochenende für Privatbesucher
Mit vorsichtigen Hoffnungen auf eine starke Urlaubssaison findet die Reisemesse ITB in Berlin noch bis Sonntag statt. Am Samstag und Sonntag ist die Ausstellung auch für Privatbesucher geöffnet. Das Partnerland der 53. ITB ist Malaysia. Etwa 10 000 Aussteller aus 181 Ländern und Regionen sind in den Messehallen rund um den Berliner Funkturm vertreten.