An manchen Vormittagen überkommt Matthias Kullen der Eindruck, dass auf den Straßen mehr los ist, als vor Corona-Zeiten. In langen Schlangen warten die Menschen der südperuanischen Großstadt Arequipa täglich vor Banken und Supermärkten, weil viele keinen Kühlschrank besitzen. Zum Straßenbild gehören auch zahlreiche Verkäufer, eingedeckt mit Masken und Handschuhen. Etwa 60 bis 70 Prozent der Peruaner sind Tagelöhner, die sich eine „cuarentena“ auch bei bedrohlich steigender Infektionszahlen einfach nicht leisten können. Aus diesem Grund schnürt Matthias Kullen beinahe jeden Tag Lebensmittelpakete.
Metzingen
Zu Fuß in die Heimatdörfer
Nach Peru hat es den gebürtigen Hülbener 2012 verschlagen. Die Anstellung bei „DMGinterpersonal“, einem christlichen Missions- und Hilfswerk aus Sinsheim, führte den studierten Theologen und Stadtplaner zunächst in das ländliche Gebiet Arequipas. Unter dem Volk der Quechua widmete er sich der Kinder- und Jugendarbeit, bis es ihn vor vier Jahren in die Hauptstadt der Region zog. Seitdem leitete er an mehreren Hochschulen Bibelkreise für Studenten – zumindest bis vor drei Monaten.
Metzingen
Straßen sind wieder voll
In der Mittelschicht werden die Maßnahmen der Regierung befürwortet, und wer kann, arbeitet im Home Office. So erstarben in den ersten Tagen der Ausgangssperre die Fußgängerzonen, doch das Bild hat sich schnell gewandelt, obwohl Polizei und Militär Arbeitserlaubnisse kontrollieren: Auf die Straße darf eigentlich nur, wer zum medizinischen Personal gehört, in einem Supermarkt oder einer Bank beschäftigt ist. Zu den Ausnahmen gehört auch Matthias Kullen, weil er mit seiner Arbeit Bedürftige unterstützt.
Zweiter Hotspot in Südamerika
Hilfen, die dringend gebraucht werden in einem Land, das neben Brasilien besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen wurde. Peru entwickelt sich derzeit zum zweiten Corona-Hotspot in Südamerika. Aktuell zählt man knapp 180 000 bestätigte Corona-Fälle, Ende Mai kletterte die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf rund 8800. Inzwischen hat sich die Zuwachsrate in etwa wieder halbiert. Gleichwohl mussten in Peru seitdem das Virus angekommen ist, rund 4900 Todesopfer beklagt werden. Erst kürzlich wurde die geltende Ausgangssperre von Perus Präsident, Martín Vizcarra, bis zum 30. Juni mit einzelnen Lockerungen verlängert. Schulen und Universitäten bleiben aber noch bis zum Ende des Jahres geschlossen. Der Unterricht und die Vorlesungen finden allesamt online statt.
Dettingen/Kirchentellinsfurt
Heimflug verschoben
Um sich selbst macht sich Matthias Kullen derweil keine Sorgen, vielmehr um die Peruaner, die ihre Arbeit verloren haben und nichts zu essen haben. Sobald wie möglich will Kullen gleichwohl mit seiner peruanischen Freundin zurück nach Deutschland kommen. Ob sie aber als Nicht-Europäerin überhaupt nach Deutschland einreisen darf, ist derzeit noch unklar.
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