Keine Überraschung mehr nach den wiederholten Andeutungen des IOC, aber trotzdem ein Vorstoß mit großem Aufregerpotenzial: Das Internationale Olympische Komitee hat die Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportler als neutrale Athleten zu internationalen Wettbewerben empfohlen. Sportler aus beiden Ländern mit Verbindung zu Militär und Sicherheitsorganen sowie Mannschaften sollen dem Beschluss der IOC-Spitze vom Dienstag zufolge aber weiter ausgeschlossen bleiben.
Eine Entscheidung über eine Teilnahme-Erlaubnis für Russen und Belarussen für die Olympischen Spiele 2024 in Paris werde aber erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen, betonte IOC-Präsident Thomas Bach (Tauberbischofsheim).
Nach dem Willen des olympischen Dachverbands dürfen weiterhin keine internationalen Wettbewerbe in Russland und Belarus stattfinden. Regierungsvertreter aus beiden Ländern dürfen nicht zu Wettkämpfen eingeladen werden. Athletinnen und Athleten müssen auf Flagge, Hymne und Symbole ihrer Heimatnationen verzichten und sich an die Anti-Doping-Bestimmungen halten. Sie dürfen nur an Wettbewerben teilnehmen, wenn sie den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine nicht aktiv unterstützen. „Wir stehen bei diesem Vorschlag zu unseren olympischen Werten“, behauptete Bach. Widerstand gegen den Kurs des IOC gibt es vor allem aus der Ukraine und einer Reihe von westlichen Ländern. Die Ukraine verweist darauf, dass viele russische Spitzensportler auch Angehörige des russischen Militärs sind. In einer Schaltkonferenz von IOC-Chef Bach mit Nationalen Olympischen Komitees am Vorabend der IOC-Beratungen erinnerte der ukrainische Sportminister Wadym Gutzajt daran, dass bereits 262 ukrainische Sportler und Trainer im Krieg mit Russland getötet worden seien.

Ukraine droht mit Boykott

Die Ukraine droht auch mit dem Boykott internationaler Wettbewerbe bis hin zu Olympia, um Aufeinandertreffen mit Athleten aus Russland und Belarus zu vermeiden. Der Deutsche Olympische Sportbund stellte sich hinter die Forderungen nach einer Fortsetzung des Banns gegen Russland und Belarus. Einen Olympia-Boykott schließe der DOSB aber „aus grundsätzlichen Erwägungen aus“, wie DOSB-Verbandschef Thomas Weikert den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte. Im Februar hatten die Sportminister aus 35 Ländern in einer gemeinsamen Erklärung den weiteren Ausschluss russischer und belarussischer Sportler gefordert. Neben Deutschland hatten auch andere Top-Sportnationen wie Großbritannien, die USA, Australien, Japan und Frankreich diese Haltung unterstützt.

Stichtag ist der 26. Juli

Das IOC hatte diese Rufe als unzulässige Einmischung der Politik in die Belange des Sports zuletzt immer wieder scharf zurückgewiesen. „Es ist nicht Sache der Regierungen zu entscheiden, welche Athleten an welchen internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen“, hieß es in einem IOC-Statement. „Das wäre das Ende des Weltsports, wie wir ihn heute kennen“, betonte der olympische Dachverband.
Aus anderen Teilen der Welt erhält das IOC Rückendeckung für eine Aufhebung des seit Beginn des Krieges geltenden Banns. Vor allem in Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien findet die Rückkehr von Russen und Belarussen viele Befürworter.
Nach Regel 44.1 der eigenen Charta muss das IOC ein Jahr vor Eröffnung der Olympischen Spiele Einladungen an die Nationalen Olympischen Komitees versenden. Für die Sommerspiele 2024 in Paris wäre der 26. Juli 2023 der späteste Zeitpunkt.

Ausgerechnet die Fechter geben Kontra

Mehr als 300 aktive und frühere Fechter haben sich gegen die Wiederzulassung von Russland und Belarus im Weltsport ausgesprochen. „Russlands Aggression“ verstoße gegen die Werte des Olympismus, heißt es in einem offenen Brief an IOC-Präsident Thomas Bach, den Ex-Fechter und Olympiasieger von 1976.