Ziemlich schmerzhaft hätte diese Bundesliga-Premiere für Nico Willig enden können. Als der VfB- Interimstrainer auf der glatten Seitenlinie ausrutschte, fing er sich gerade noch mit der Hand ab.
Wenig später war Schluss, und auch bei seinen Jubelsprüngen nach dem 1:0 (0:0) gegen Borussia Mönchengladbach verstauchte er sich nichts. Der 38-Jährige war kaum einzufangen von seinem Assistenten Paco Vaz. „Ich habe mich so gefreut, das muss mein Recht sein“, sagte Willig hinterher und strahlte. „Es war für uns alle ein toller Tag.“
Und gerade nach der 0:6-Demontage eine Woche zuvor in Augsburg so nicht zu erwarten. In den wenigen Tagen nach Markus Weinzierls Entlassung hat es der bisherige U-19-Coach geschafft, der Mannschaft neues Selbstvertrauen einzuimpfen.
VfB-Erfolg mit neuem 4-4-2-System
Passt irgendwie zum Ergebnis. Willig selbst beschrieb den Zustand des VfB nach diesem ersten Sieg seit acht Wochen als den eines Patienten: „Es war der Schritt von der Intensiv- auf die Krankenstation.“ Der kann, was Besserung angeht, entscheidend sein.
Zunächst hatte der Schalker Erfolg in Dortmund schon vor Anstoß des Samstagabendspiels in Stuttgart die Stimmung gedämpft. Eine 20. Saisonniederlage hätte nicht nur traurigen Vereinsrekord bedeutet, sondern auch, dass Schalke neun Punkte voraus und für die Stuttgarter definitiv maximal noch die Rettung via Relegation gegen den Zweitliga-Dritten möglich gewesen wäre.
Sieg gibt dem VfB neue Hoffnung
Für diesen Gang der Dinge spricht drei Spieltage vor Ende der regulären Saison natürlich auch so eine ganze Menge. Doch das 1:0 hellt die Stimmung auf und gibt neue Hoffnung. Nichts ist unmöglich. Aber die Stuttgarter, die zum Rundenschluss ausgerechnet auf Schalke antreten, müssten wegen ihrer erschreckend schlechten Tordifferenz (-39) als Tabellensechzehnter sieben Punkte auf Huub Stevens Team wettmachen, das Platz 15 belegt. Relegation um den Klassenerhalt mit Hin- und Rückspiel am 23. sowie 27. Mai wird also immer wahrscheinlicher. Sie sei ohnehin vom ersten gemeinsamen Tag mit Willig an das klare Ziel gewesen, sagte VfB-Sportvorstand Thomas Hitzlsperger am Rande des Spiels.
Auf fünf Positionen hatte Nico Willig die Elf im Vergleich zum Augsburg-Debakel geändert. Gravierender Unterschied: die Vierer- statt der Dreierkette. Weltmeister Benjamin Pavard fand sich so auf der ursprünglich angestammten Position als rechter Außenverteidiger wieder. Neuzugang Ozan Kabak und Marc-Oliver Kempf bildeten die Innenverteidigung. Links draußen stand der Kroate Borna Sosa, der sich unter Weinzierl öffentlich über die Reservistenrolle beklagt hatte. Vor der Abwehrkette postierte Willig einen Dreier-Block mit den Routiniers Dennis Aogo, Gonzalo Castro und Andreas Beck. Daniel Didavi spielte zentral hinter den Spitzen Anastasios Donis und Nicolas Gonzalez.
Stuttgart mit neuer Offensiv-Power?
„Ich setze auf Offensive, vor allem aber für Aktivität: Alle müssen gut gegen den Ball arbeiten“, sagte Willig. Die Spieler haben ihm offenbar gut zugehört, auch die Körpersprache des Teams im neuen 4-4-2-System mit der Mittelfeldraute stimmte.
Es entwickelte sich eine temporeiche Partie, ein Schlagabtausch mit offenem Visier, entschieden durch das Tor von Donis (56.). Nur drei Minuten nach seinem Pfostentreffer nutzte der Grieche die unfreiwillige Vorlage Nico Elvedis und fackelte nicht lang. Es hätte gegen den Champions-League-Aspiranten auch ganz anders laufen können, wenn Ron-Robert Zieler zu Beginn nicht bravourös per Fußabwehr gegen Alassane Pléa geklärt hätte (4.). Seinen 250. Bundesliga-Einsatz wird der VfB-Torhüter so schnell nicht vergessen.
Für Nico Willig war die Parade „das entscheidende Signal an die Mannschaft“. Am Ende war klar: Bundesliga kann Spaß machen. Aber der Zeitarbeiter unter den Trainern dachte auch an seine U 19. Die hatte als Erstliga-Erster 2:1 in Freiburg gewonnen. Willig: „Als ich es hörte, bin ich vor Freude fast an die Decke gesprungen.“ Auch da blieb alles heil.
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Trainersuche geht weiter
Hinter den Kulissen geht beim VfB trotz des erfolgreichen Einstandes von Interimscoach Nico Willig die Suche nach einem neuen Trainer für die kommende Saison weiter. „Wir haben beide beschlossen, dass es bis zum Ende der Saison geht. Dann ist das Thema erledigt, und dann geht Nico wieder zu unserer U 19“, sagte Sportvorstand Thomas Hitzlsperger am Sonntag während des Trainings.
Der Zugzwang, das spürt der 37-jährige Hitzlsperger, der zudem seinen eigenen Nachfolger als Chef des Nachwuchsleistungszentrums finden muss, wird größer. „Die halbe Bundesliga sucht Trainer. Wenn ich nochmal vier Wochen warte und dann erst anfange, würden alle sagen: Du machst deinen Job nicht!“