Nach dem Sturm auf Europas Thron konnte Jürgen Klopp den Höhepunkt der Party kaum abwarten. „Wir freuen uns jetzt alle auf Liverpool, weil man uns gesagt hat, dass da irgendwie eine Million Leute auf uns warten, also wirklich das absolute Highlight“, sagte der Teammanager des FC Liverpool, der seine Augen nach einer durchfeierten Nacht hinter einer verspiegelten Sonnenbrille versteckte, bei RTL.
Eilig stieg das Oberhaupt der „Six Machines“ (Sunday Mirror), der die rauschende Party nach dem Champions-League-Triumph „ein bisschen früher“ verlassen haben will, in den Mannschaftsbus und gab den Befehl zur Abfahrt Richtung Flughafen. Die Feier des frisch gebackenen Champions-League-Siegers musste schließlich weitergehen! Bei der Parade durch Liverpool präsentieren die Reds am Sonntag ihren Fans ab 16 Uhr Ortszeit den Henkelpott – den ersten Titel für Klopp, seit dieser 2015 auf die Insel gekommen ist.
Zwei Stunden vor dem Beginn der Triumphfahrt landete die Mannschaft auf dem John-Lennon-Airport. Klopp und Kapitän Jordan Henderson hielten die mit roten Schleifen dekorierte Trophäe in Händen, der FC Liverpool wies bei Twitter genüsslich auf das „Übergepäck“ hin, das man aus Spanien mitgebracht habe.
Die wilden Feierlichkeiten waren bereits im Metropolitano von Madrid mit dem Abpfiff nach dem 2:0 (1:0) gegen Tottenham Hotspur in Schwung gekommen. Um fünf Uhr in der Früh grölte Klopp gemeinsam mit Edelfan Campino von den Toten Hosen: „We‘re sending greetings from Madrid, tonight we made it number six.“ Auf Deutsch bedeutetet der Text: „Wir schicken Grüße aus Madrid, heute Abend haben wir den sechsten Pokal geholt, wir haben ihn zurück nach Liverpool gebracht, weil wir es so versprochen hatten.“ Im Vorjahr hatten Klopp und Campino nach dem 1:3 im Endspiel der Königsklasse in Kiew gegen Real Madrid in den frühen Morgenstunden gesungen: „Wir haben den Champions-League-Pokal gesehen. Madrid hatte das ganze Glück. Nächstes Jahr bringen wir ihn zurück nach Liverpool.“
„Wir haben es lange genug versucht. Ich bin superglücklich und stolz, dass es heute geklappt hat“, schwärmte Klopp. Bei der TV-Station Viasat trällerte der 51-Jährige an der Seite von Jan Age Fjörtoft in Anspielung auf den Hit von Salt‘n‘Pepa und den sechsten Gewinn des Henkelpokals durch den LFC: „Let‘s talk about six, Baby!“
Klopp jubelte nach den Treffern von Mohamed Salah (2./Handelfmeter) und durch Divock Origi (87.) zunächst verhalten. Erst nach dem Schlusspfiff ging er aus sich heraus. Um 23.15 Uhr hatte der gebürtige Stuttgarter erstmals die Hände am Pott, stemmte ihn mit einem Schrei in den Nachthimmel und stimmte kurze Zeit später mit dem Anhang ohrenbetäubend die Vereinshymne „You‘ll never walk alone“ an.
Die Spieler trugen ihren Lehrmeister auf Händen – und schmeichelten ihm auch mit Worten. „Er ist ein fantastischer Trainer und ein fantastischer Mensch“, sagte Star-Verteidiger Virgil van Dijk. Der ehemalige Schalker Joel Matip freute sich „riesig für Klopp. Die Leute haben viel über seine Finalserie geschrieben. Aber er hat sich diesen Erfolg mit uns hart erarbeitet.“
Spielerisch geht die „Erlösung der Reds“ („The Sun“) als eines der schwächeren Endspiele in die Cuphistorie ein. Am Ende gewannen die Reds nicht dank ihres gefürchteten Offensivfeuerwerks, sondern weil sie das reifere und abgeklärtere Team waren. „Meine Mannschaft hat schon bessere Finals gespielt, aber nicht gewonnen“, analysierte Klopp treffend und fügte an: „Ich weiß genau, wie Tottenham sich jetzt fühlt.“ Dabei war der Liverpooler Divock Origi der Entscheider. Drei Treffer bei drei Schüssen in der gesamten Europapokal-Saison: Der belgische Nationalspieler ist der heimliche Held der Reds. Zwölf Monate zuvor war Origi auch im Fokus. Der damaligen Angreifer des VfL Wolfsburg musste vor der Bundesliga-Relegation in einem Interview des ZDF zugegeben, den Gegner Holstein Kiel überhaupt nicht zu kennen. Auch wenn er mit einem Tor im Rückspiel seinen Anteil am Klassenverbleib hatte, war das einjährige Abenteuer in Niedersachsen nicht ansatzweise von Erfolg gekrönt. „Wenn es dann mal nicht läuft, hast du die Chance, daraus zu lernen und sich weiter zu entwickeln“, erklärte der 24-Jährige.
Sechs große Endspiele in Serie hatte Klopp zuvor verloren, drei davon in seinen knapp vier Jahren bei den Reds. Ein Verlierer-Image haftete Klopp an, am Samstagabend hat er es mit einem Schlag abgelegt.
Die Erleichterung darüber stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Das ist unendlich wichtig, für den Klub, für die Fans“, sagte Klopp, stellte seine eigene Person aber hinten an. „Ich freue mich für die anderen, für meine Familie“, sagte er, denn die „hat immer mehr gelitten als ich. Ich bin froh, dass ich meiner Frau die Goldmedaille schenken kann.“

Das Finale in Zahlen

5 deutsche Trainer haben bisher die Champions League (Pokal der Landesmeister) gewonnen: Udo Lattek (1974/FC Bayern), Dettmar Cramer (1975 und 1976/Bayern), Ottmar Hitzfeld (1997 mit Dortmund, 2001 mit den  Bayern), Jupp Heynckes (1998 mit Real Madrid, 2013 mit FC Bayern), Jürgen Klopp (2019/FC Liverpool).

7 Mal scheiterte der FC Bayern in den K.-o.-Spielen der Champions League gegen den späteren Gewinner, wie in diesem Jahr gegen den FC Liverpool.

12 Tore hat Lionel Messi insgesamt für den FC Barcelona in der Champions League geschossen und führt damit die Torjägerliste an. Auf Platz zwei folgt Robert Lewandowski mit acht Treffern.

17 Minuten waren im Finale gespielt, als eine Flitzerin (bekleidet mit einem Badeanzug) Bewegung ins Spiel brachte. Ein amerikanisches Model hatte bei ihrem Sprint über den Rasen für eine Erotikseite geworben und war für wenige Sekunden live zu sehen.