Ratlosigkeit stand Thomas Tuchel ins Gesicht geschrieben. Mit finsterer Miene saß der Trainer des FC Bayern auf dem Podium im Bauch der Münchner Arena und legte nach der „extrem verwunderlichen“ Leistung seiner Mannschaft deren Mängelliste offen. „Wenig Energie, wenig Spirit, wenig Überzeugung, wenig Vertrauen“, zählte Tuchel auf. Kurzum: „Wir haben alles vermissen lassen.“ Nach dem bitteren 0:3 gegen Manchester City am vergangenen Dienstag sollte das Spiel gegen die abstiegsbedrohte TSG Hoffenheim als Mutmacher für gebeutelte Bayern dienen. Man wollte „ein Zeichen setzen, sich Vertrauen holen, auch eine Zuversicht im Stadion entfachen“, sagte Tuchel. Doch von Hoffnung und Zuversicht für das angepeilte Wunder war nach dem enttäuschenden 1:1 (1:0) am Samstag nichts zu spüren.
„Ein absolut schlechte Leistung“
Vielmehr machte sich bei den schon längst nicht mehr vor Stolz und Selbstsicherheit strotzenden Münchnern vollends Ratlosigkeit breit. „Nach einer 0:3-Niederlage unter der Woche sollte man eigentlich meinen, dass man eine Reaktion zeigen möchte“, sagte Joshua Kimmich. Stattdessen: „Es war eine absolut schlechte Leistung von uns. Das geht einfach nicht, nicht am ersten Spieltag und erst recht nicht zu so einem Zeitpunkt.“
Thomas Müller zeigte sich gar „geschockt von unserer eigenen Performance“. Die Mannschaft sei zuvor „extrem positiv gestimmt“ gewesen, „um einen Schritt nach vorne zu machen“, beteuerte Tuchel: „Heute war der Moment, um einen draufzusetzen“. Stattdessen zog sich die Verunsicherung am Samstag durch alle Mannschaftsteile. Gerade die Offensive offenbarte einmal mehr erhebliche Mängel.
Eric Maxim Choupo-Moting wird weiterhin schmerzlich vermisst, sein Vertreter Serge Gnabry erwischte zum wiederholten Male einen gebrauchten Tag. Dass mit dem Ex-Stuttgarter Benjamin Pavard (17. Minute) erneut ein Verteidiger das einzige Münchner Tor erzielte, sprach Bände. Genauso wie die Aussage von Abwehrboss Matthijs de Ligt, der von „Glück“ sprach, dass seine Mannschaft das Spiel nach dem Ausgleich durch Andrej Kramaric (71.) nicht noch komplett aus der Hand gab.
Ein Dank in Richtung VfB
Glücklich schätzen durften sich die Münchner auch ob der Unfähigkeit des Konkurrenten aus Dortmund, der die bayerische Steilvorlage beim 3:3 (2:0) in Stuttgart auf aberwitzige Art und Weise ungenutzt ließ. „Wir können uns beim VfB bedanken“, sagte Müller angesichts des unveränderten Vorsprungs von zwei Punkten. Viel wichtiger war da aber schon eine andere Frage: Wie, ja wie, will dieser FC Bayern eigentlich am Mittwoch gegen Manchester City bestehen?
Die „Überzeugung“ und der „Glaube“ an ein Wunder bekamen am Samstag jedenfalls einen herben Dämpfer. Tuchel sprach von „einem großen Rückschritt. Wir haben es verpasst, uns und die Fans in eine Stimmung zu bringen, die nötig sein wird, um überhaupt dran zu glauben“.
Was denn nach so einer Leistung überhaupt noch Hoffnung machen würde, wurde auch de Ligt auf dem Weg zum Mannschaftsbus gefragt. Seine Antwort: „Dass es nicht viel schlechter werden kann als heute.“ Das sprach, mal wieder, Bände.
Schlitzohr Kramaric und der Schiedsrichter ärgern Kapitän Müller
Torschütze Andrej Kramaric feierte sich nach dem „Big Point“ der Hoffenheimer selbst als Schlitzohr. „Vor dem Freistoß gab es einen ganz kleinen Kontakt in einer sehr gefährlichen Zone. Ich wusste, dass es eine Torchance gibt und musste fallen. Das war clever in der Situation“, erklärte der Kroate weit nach dem Schlusspfiff selbstbewusst die Szene.
Dass der gewitzte WM-Dritte von 2022 für die Kraichgauer zum Trumpf im Abstiegskampf werden kann, hat Pellegrino Matarazzo längst prophezeit. „Andrej hat das Potenzial, uns zum Klassenerhalt zu schießen“, hatte der neue Coach schon gesagt, ehe Kramaric, 31, kürzlich ein Doppelpack beim wichtigen 3:1 gegen Hertha gelang.
Beim 1:1 in München erzielte der Stürmer mit seinem neunten Saisontor den verdienten Ausgleich, als die Hoffenheimer den Meister nach der Pause vor Probleme stellten. Kramaric fiel in der 71. Minute leicht bedrängt von Thomas Müller zentral vorm Strafraum auf den Rasen – Schiedsrichter Bastian Dankert entschied wie von ihm erhofft auf Freistoß. Und prompt verwandelte der Gefoulte.