Ihre Majestät konnte durchaus kokett werden: „Ich frage mich, wie man sich wohl fühlen mag, wenn man die berühmteste Frau der Welt ist“, sagte sie zu ihrem Bibliothekar Sir Owen Morshead als er ihr einen Bildband über Marilyn Monroe vorlegte. Eine rhetorische Frage, denn schließlich schaffte Elizabeth es schon 1929 als Dreijährige auf den Titel des „Time“-Magazins. Freilich ahnte damals noch niemand, dass die schnuckelige „Lilibet“ als „Elizabeth II., durch Gottes Gnade Herrscherin des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland und ihrer anderen Reiche und Territorien, Haupt des Commonwealth, Verteidiger des Glaubens“, selbst die berühmteste Frau der Welt werden sollte.
Bis zum letzten Atemzug blieb die Queen dem Eid treu, den sie als junge Prinzessin geleistet hatte: „An meinem 21. Geburtstag gelobte ich, mein Leben in den Dienst unseres Volkes zu stellen. Obwohl ich diesen Schwur leistete, als ich noch grün wie ein Salat war, bedaure ich kein einziges Wort“, sagte die Queen anlässlich ihres Silbernen Thronjubiläums. Selbst eingefleischte Republikaner gestehen ihr zu, dass sie einen „guten Job“ gemacht hat. Mit ihrer untadeligen Persönlichkeit und ihrem eisernen Pflichtbewusstsein reparierte die Queen oft den Schaden, den Skandale in der Familie der Monarchie zugefügt hatten.
Einem gewaltigen Skandal allerdings verdankt es Elizabeth II. überhaupt, dass sie alle ihre 61 Vorgänger in der 1200-jährigen Geschichte der Monarchie in der Spanne des Lebens und der Herrschaft schlagen konnte. Als sie am 21. April 1926 in London geboren wurde, stand sie auf dem dritten Platz der Thronfolge. Das änderte sich 1936 mit der Entscheidung ihres Onkels Edward VIII., sich für die Ehe mit der zweifach geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson und gegen den Thron zu entscheiden. Elizabeth wurde Kronprinzessin, nachdem ihr Vater als George VI. anstelle seines älteren Bruders den Thron bestieg.
Tiefe Verbundenheit zu ihrem Vater
Elizabeth hing sehr an ihrem sensiblen Vater, der eher aus Pflichtgefühl als aus Neigung die Krone übernahm, um die Monarchie über die Krise zu retten. Für sie und ihre jüngere Schwester Margaret endete damit die unbeschwerte Kindheit zwischen Puppen, Ponys und putzigen Hunden. Sie wurde privat in Staatsrecht und Geschichte unterrichtet und lernte recht passables Französisch. Während des Krieges diente sie bei der Armee als Lkw-Fahrerin und Mechanikerin. Die Verbundenheit mit den Kriegsveteranen und den Streitkräften wurde ein Hauptgrund für ihre Popularität.
Uniformen waren die Kulisse ihres Lebens. Schon mit 13 Jahren verliebte sie sich beim Besuch einer Marine-Akademie mit ihrem Vater in den schneidigen Kadetten Prinz Philip Mountbatten, und die glanzvolle Hochzeit des Paares 1947 weckte die Briten aus dem Trübsinn der Nachkriegsjahre. Mit Philip saß die Prinzessin am 6. Februar 1952 auf einem Baum in Kenia, um Elefanten und Nashörner zu beobachten. Als Königin stieg sie herab, nachdem ihr die Nachricht vom Tod ihres Vaters George VI. überbracht wurde. Im kalten Nieselregen Londons küsste der dreimal so alte Premierminister Winston Churchill nach der Landung am Flughafen die Hand seiner 25-jährigen Königin.
Ein Symbol nationaler Einheit
14 weitere Chefs der „Regierung ihrer Majestät“ dienten ihr in Großbritannien und über 170 in den Ländern, in denen sie Staatsoberhaupt war. Als letzte Amtshandlung vor ihrem Tod verabschiedete sie Boris Johnson und beauftragte Liz Truss mit der Regierungsbildung. Alle Premiers rühmten ihren Sachverstand bei den Audienzen. Premierminister James Callaghan erinnerte sich, dass diese dienstlichen Begegnungen oft recht vergnüglich waren, weil die Königin „ein großes Talent hatte, immer die komischen Seiten des Lebens zu sehen.“
Der Pomp und Bombast der Krone, der sich jedes Jahr bei der Parlamentseröffnung entfaltet, überstrahlt freilich die im Vergleich mit dem amerikanischen oder französischen Staatsoberhaupt bescheidene Macht der Monarchin. Die Ausübung ihrer „königlichen Vorrechte“ ist an die Regierung übertragen worden, was deren Position gegenüber dem Parlament im Vergleich zu anderen Demokratien erheblich stärkt. In der (ungeschriebenen) Verfassung des Königreichs ist sie zur strikten Zurückhaltung zu allen politischen Themen verpflichtet. Sie gilt als Symbol nationaler Einheit über dem Parteiengezänk.
Ihre Zurückhaltung brachte sie 1997 in die größte Popularitätskrise ihrer Regierungszeit. Sie wurde von der Presse als „gefühlskalt und volksfremd“ verdammt, weil sie sich nicht der kollektiven Trauerhysterie nach dem Tode von Prinzessin Diana unterwarf. Doch die Queen sah schnell ihren Fehler ein und korrigierte dieses Bild mit einer bewegenden Gedenkrede an die schwierige Schwiegertochter – und verneigte sich vor ihrem Sarg, was die Sympathien wiederherstellte. Letztlich imponiert den Briten eine Monarchin, die so kühl und fest strahlt, wie die Diamanten in ihrer Staatskrone, mehr als eine „Königin des Herzens“.
Verwirrter Einbrecher im Schlafzimmer der Queen
Als ihr Palast halb abbrannte, Eheskandale den Ruf der Familie ruinierten, das Parlament über die königlichen Finanzen mäkelte und sie noch dazu eine schwere Grippe plagte, erschien die Königin dennoch zum Staatsbankett der Londoner City und seufzte leichthin über das „schreckliche Jahr“, das sie durchgemacht hatte. Mit ihrer Makellosigkeit neutralisierte sie all den Klatsch, Tratsch und die Skandale, die sich um die Mitglieder ihrer Familie drehen. Sie selbst verlor in kritischen Situationen nicht die Fassung, etwa als 1982 ein verwirrter Mann in ihr Schlafzimmer eindrang und sich zehn Minuten lang mit ihr auf der Bettkante unterhielt. Erst als der ungebetene Gast eine Zigarette verlangte, konnte die Queen einen Palastdiener herbeirufen. Diskret löste sie auch die Ärgernisse um ihren Sohn Prinz Andrew und ihren Enkel Prinz Harry und dessen Frau Meghan. Sie wurden wegen ihrer Verfehlungen einfach aus der Öffentlichkeit verbannt.
Ihre Persönlichkeit und der Stil, wie sie ihr Amt als Staatsoberhaupt erfüllte, erklärt nur zum Teil die Faszination, die von der britischen Monarchie ausgeht. Vielmehr war Elizabeth auch die Chefin der „Buckhouse-Show“, wie die Amerikaner ein Medien-Phänomen nennen, das alle Seifen-Opern übertrifft. Eine nicht abreißende Serie von Hochzeiten, Geburten und Jubiläen in der königlichen Familie hielt die Nation bei Laune, während die folgenden Ehekriege und Scheidungen ebenso prickelnde Entrüstung verursachten. Die Monarchie ist einer der größten Anziehungsfaktoren für den britischen Tourismus, und sein PR-Wert übersteigt weit die Apanage, die die britischen Steuerzahler für ihr Staatsoberhaupt aufbringen.
Fotos Queen Elizabeth II: Ein Leben in Bildern
Die berühmteste und wohl auch reichste Frau der Welt
Die Schlösser, Ländereien, Juwelen und Kunstschätze der Queen machten sie zur wohl reichsten Frau der Welt. Ihr größter persönlicher Luxus war der Rennsport. Als passionierte Pferdenärrin geriet sie „unköniglich“ aus dem Häuschen, wenn einer ihrer Gäule das Rennen machte. Sie schätzte Puzzle-Spiele, entspannte am liebsten auf dem Lande und führte mit Tweed-Rock und Gummistiefeln ihre Corgies spazieren.
Mit Prinz Philip besuchte sie über 100 Länder auf allen Kontinenten. Elizabeth II. war wohl die wichtigste Diplomatin ihres Landes. Als „Haupt des Commonwealth“ war sie nomineller Staatschef über ein Viertel der Weltbevölkerung und herrschte über so unterschiedliche Länder wie Kanada und die Fidschi-Inseln, Australien und die Bahamas. Ihrem persönlichen Engagement war es zu verdanken, dass das Band zwischen den einstigen Mitgliedern des britischen Weltreiches nicht zerriss.
Enge Verbindungen auch nach Deutschland
Die Königin reiste gerne in die Bundesrepublik. Und es gab genügend Anlässe, das königliche Paar an die deutschen Verästelungen im Stammbaum der Windsors zu erinnern. Der Ururgroßvater der Königin stammt aus Coburg, ihre Großmutter hatte württembergische Vorfahren, und Prinz Philip hatte mehr deutsche als britische Verwandte. Als die Königin im Mai 1965 zum ersten Mal zum Staatsbesuch in die junge Bundesrepublik kam, war dies ein Symbol für die Normalisierung der Verhältnisse zwischen den beiden Ländern. 1992 besuchte sie ebenso symbolträchtig als eine der ersten ausländischen Gäste die neuen Bundesländer.
„Ich brauche ja nicht extra vorgestellt zu werden“, scherzte die Queen über ihren ungezwungenen Umgang mit den Untertanen, bei dem sie freilich niemals die Distanz ihres Amtes preisgab. Bei den durchschnittlich 500 „Verpflichtungen“, die der Hofkalender jährlich für sie notierte, beeindruckte die Queen durch ihre Würde, Konzentration und Liebenswürdigkeit. Erst nach dem Tod von Prinz Philip schraubte sie ihre Pflichten stark zurück, zumal ihr das Gehen immer beschwerlicher wurde. Gerüchte über einen möglichen Rücktritt wies sie stets brüsk zurück: „Es ist ein Job fürs Leben“.