Der Welt-Down-Syndrom-Tag macht auf die Belange von Menschen mit Trisomie aufmerksam. Carina Kühne setzt sich auch über diesen Tag hinaus für Inklusion ein. Im Interview berichtet die 38-Jährige über ihre Erfahrungen als Frau mit Down-Syndrom und wünscht sich mehr Akzeptanz.

Frau Kühne, Sie sind Schauspielerin. Woran arbeiten Sie gerade?

Carina Kühne: Ich arbeite an einigen Projekten, aber dazu darf ich noch nichts sagen. Aber erst letztes Jahr hat der Kurzfilm „Ich auch“ beim inklusiven Kurzfilmfestival „Klappe auf“ zwei Preise gewonnen. Darin habe ich die Hauptrolle gespielt.

Vor der Schauspielerei waren Sie auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Wie war diese Suche?

Ich habe viele Bewerbungen geschrieben. Und ich denke, viele davon sind auf dem Müll gelandet. Ich habe aber beispielsweise mal in einem Waldorf-Kindergarten gearbeitet. Das war auch schön und die wollten mich behalten. Aber leider wollten sie mir nur einhundert Euro pro Monat geben. Das ist natürlich zu wenig, davon kann man natürlich nicht leben.

Wie ging es weiter?

Ich habe dann einen Ausbildungsplatz gefunden. Das war eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin. Mit den Bewohnern kam ich gut zurecht, aber was nicht gut war, war meine Stationsleiterin. Sie hat zu mir gesagt: Wenn so jemand wie ich die Ausbildung machen kann, dann ist ihre Ausbildung ja nichts mehr wert. Und wäre sie nicht im Urlaub gewesen, hätte sie verhindert, dass ich eingestellt werde.

Wie haben Sie sich damit gefühlt?

Das war natürlich eine traurige Erfahrung. Da wurde ich so massiv gemobbt. Nach dem Probehalbjahr habe ich die Ausbildung aufgehört.

Vergangenes Jahr haben Sie zum Welt-Down-Syndrom-Tag geschrieben: „Es wäre schön, wenn wir ihn nicht mehr brauchen würden, weil Menschen wie ich ganz normal dazugehören.“ Wann haben Sie sich nicht dazugehörig gefühlt?

Meine Grundschullehrerin hat mir das Leben sehr schwer gemacht. Sie hat mich ausgegrenzt und zu mir gesagt: Du hast das Down-Syndrom, du kannst die Aufgaben ja gar nicht richtig können. Wenn ich die gleichen Matheaufgaben gemacht habe wie meine Klassenkameraden, hat sie mir das einfach ausradiert. Das war keine schöne Erfahrung. Denn sonst bin ich in der Schule gut zurechtgekommen und habe mich mit meinen Klassenkameraden ganz normal gefühlt.

Das heißt, Sie sind auf eine Regelschule gegangen?

Meine Mutter hat sehr für mich gekämpft, dass ich nicht in die Sonderschule komme. Ich finde, dass Menschen mit Behinderung auch nicht in die Sonderschule müssen. Auch sie können normal lernen. Ich hatte auch eine Zwangseinweisung in die Sonderschule, aber das wollten wir nicht akzeptieren. Viele Eltern müssen heute immer noch so viel kämpfen.

Wie ging es Ihnen in dieser Zeit?

Ich fühlte mich gar nicht gut und war sehr traurig. Und ich war natürlich auch sehr ärgerlich darüber. Aber manchmal denke ich: Es ist zwar traurig, wenn man im Leben so eine Klatsche bekommt, aber ich habe dann immer gedacht: Jetzt erst recht. Jetzt will ich wirklich zeigen, was ich kann.

Sind Sie wegen dieser Erfahrungen Aktivistin für Inklusion geworden?

Ja, ich denke schon. Und ich möchte werdenden Eltern die Angst vor einem behinderten Kind nehmen. Man lebt zwar mit der Behinderung, man hat zwar das Down-Syndrom, aber ich weiß ja auch gar nicht wie es wäre, wenn ich es nicht hätte. Und deswegen ist es für mich auch gar nichts Schlimmes, mit der Behinderung zu leben.

Was fordern Sie von der Politik?

Die könnten schon ganz schön viel machen. Da habe ich das Gefühl, die wollen gar nicht so richtig. Wir bräuchten sehr viel mehr Inklusion. Zum Beispiel im Kindergarten, in der Schule oder im Arbeits- oder im Wohnbereich.

Seit Mai 2022 ist der Bluttest auf Down-Syndrom Kassenleistung. Was denken Sie darüber?

Ich finde das traurig und schade. Denn heute werden neun von zehn Föten mit Trisomie im Mutterleib abgetrieben. Ich möchte den werdenden Eltern, die vor dieser Entscheidung stehen, gerne sagen, dass unser Leben auch lebenswert ist. Und was auch wichtig ist: Dass man uns erstmal kennenlernt, bevor man sich entscheidet, dass Kind abzutreiben.

Wie stellen Sie sich das vor?

Dass man zum Beispiel mehr Familien mit einem Kind mit Down-Syndrom kennenlernt. Dann kann man sich das immer noch überlegen, ob man ein Kind abtreiben möchte oder nicht.

Das heißt, Sie brauchen mehr Repräsentanz in der Öffentlichkeit.

Meine Devise lautet: Wer gesehen wird, gehört dazu. Martin Luther King hat mal gesagt, dass er einen Traum hat. Ich habe auch einen Traum. Ich wünsche mir, dass wir Menschen mit einer Trisomie nicht wegen unserer Chromosomen abgetrieben oder abgelehnt werden, sondern dass wir ganz normal akzeptiert werden.

Vielseitige Schauspielerin

Carina Kühne ist 38 Jahre alt und lebt in Hessen. Im Film „Be my Baby“ (2014) spielte sie eine Frau, die sich ein Baby wünscht. Der Film erhielt verschiedene Preise und war unter anderem für den Grimme-Preis nominiert. Kühne über ihre Schauspielerei: „Bisher habe ich immer Rollen gespielt, in denen ich stärker beeinträchtigt war, als ich es in Wahrheit bin. Mein Wunsch ist es, einmal nicht die Behinderte zu spielen. Mit meinem Schauspiellehrer habe ich mal das Stück „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth erarbeitet. Wenn ich die Rolle der Elisabeth mal auf einer Bühne spielen könnte, das wäre toll.“