Das hat ihr gerade noch gefehlt. Es ist Freitag am Ende einer Januar-Woche, die jeder normale Mensch als lausig abhaken würde. Selbst Ursula von der Leyen fand sie im Rückblick „herausfordernd“. Die Woche begann mit einem verheerenden Bericht des Wehrbeauftragten, ging weiter mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und bescherte schließlich noch eine Panne des Bundespräsidenten-Airbus in Afrika. Die Ministerin hat sich nach Kräften gegen die schlechten Nachrichten gestemmt, hat ihre Reformen verteidigt, eine Cyberagentur für Ostdeutschland verkündet und wichtige Entscheidungen in Sachen Kampfflugzeug gefällt.
Nun will sie nach Dresden, die schmucke Offiziersschule und den prächtigen Opernball besuchen und sitzt – eine Mappe in den Händen und eine Decke auf den Knien – im Hubschraubersitz. Es könnte losgehen. Es geht aber nicht los. „Sehr verehrte Frau Ministerin“, spricht der Pilot ins Bordmikro, „leider…“
Irgendwas Mechanisches, Start ungewiss. Von der Leyen zieht kurz die Augenbrauen hoch, doch dann lächelt sie und tröstet sogar die unglückliche Flugbegleiterin. „Ich hatte doch schon Milch warmgemacht“, flüstert die. Doch so sehr von der Leyen einen Milchkaffee schätzt, im Moment hat sie wirklich andere Sorgen. Es geht dann alles ganz schnell: Raus ins gepanzerte Auto, ab nach Tegel, rein in die Regierungsmaschine. In Dresden kommt sie mit nur 15 Minuten Verspätung an.
Irgendwas Mechanisches, Start ungewiss. Von der Leyen zieht kurz die Augenbrauen hoch, doch dann lächelt sie und tröstet sogar die unglückliche Flugbegleiterin. „Ich hatte doch schon Milch warmgemacht“, flüstert die. Doch so sehr von der Leyen einen Milchkaffee schätzt, im Moment hat sie wirklich andere Sorgen. Es geht dann alles ganz schnell: Raus ins gepanzerte Auto, ab nach Tegel, rein in die Regierungsmaschine. In Dresden kommt sie mit nur 15 Minuten Verspätung an.
Die Ministerin muss kämpfen
Es hat also gerade nochmal geklappt. Doch die technische Panne ist symptomatisch: nicht nur für den Zustand des fliegenden Geräts der Bundeswehr, sondern auch für den der Karriere von der Leyens. Die Leichtigkeit des schier unaufhaltsamen Aufstiegs der zierlichen Frau aus Niedersachsen ist weg, die Ministerin muss kämpfen. Erstmals geht es bei ihr nicht mehr ums weitere Vorankommen, sondern ums Bleibendürfen. Beim Gerangel um die CDU-Spitze und die Pole-Position fürs Kanzleramt Ende vergangenen Jahres war sie, die langjährige Anwärterin, gar nicht mehr dabei.
Was ist passiert?
Von der Leyen, die Tochter des ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht und Mutter von sieben Kindern, hat eine schwindelerregende Laufbahn hingelegt, die sie erst mit über 40 Jahren begann: Kommunalpolitik, Landesregierung, Bundeskabinett und beinahe sogar Bundespräsidentin. Sie ist die einzige, die durchgängig in den Regierungen von Kanzlerin Angela Merkel dabei war, sie hält sich seit über 13 Jahren in den Topjobs der Bundespolitik. Sie hat „ihre“ Ministerien für Familie und für Arbeit nicht nur ordentlich gemanagt, sondern aktiv geprägt: Krippenausbau, Elterngeld, Hartz-IV-Neuberechnung. Von der Leyen ging dabei stets nach demselben Prinzip vor: gründlich umkrempeln und dafür sorgen, dass es alle mitbekommen. Sie riskierte dabei Niederlagen, sie machte sich Feinde, aber sie setzte sich durch.
Dann übernahm sie das Schicksalsressort Verteidigung, in dem schon manche Politkarriere endete. Ob sie ausdrücklich die erste Frau an der Spitze des Männerladens Bundeswehr sein wollte oder noch ein kleines bisschen lieber die erste deutsche Außenministerin geworden wäre, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Fest steht, dass in dem Riesenapparat Bendlerblock, in dem Generäle, zivile Beamte, Rüstungsfirmen, Schulschiff-Nostalgiker und Cyberkrieger um Kurs und Einfluss ringen, die „Methode von der Leyen“ an ihre Grenzen stößt.
Kontrollverlust – für sie Höchststrafe
Mit Mut und Energie hatte sie sich in die Aufgabe gestürzt – nachdem sie, so hat sie es selbst erzählt, „erst mal Verteidigungsministerium gegoogelt“ hat. Ihr erster Vorstoß als Ministerin – mehr Teilzeitarbeit und mehr Kita-Plätze – brachte ihr prompt Spott ein: „Windeloffensive“, „Halbtagssoldaten“. In den Kasernen aber kam das gut an. Doch als sie ein paar Jahre später in der Debatte um rechtsradikale Umtriebe und fragwürdige Ausbildungspraktiken der Bundeswehr pauschal ein „Haltungsproblem“ vorhielt, war die Sympathie verspielt.
Weitere Probleme kamen hinzu: Die großen Reformen drohen sich zu verhaken, ihre Rüstungs-Staatssekretärin gab frustriert auf und die technischen Probleme, die von der Leyen lange ihren Amtsvorgängern anhängen konnte, sind inzwischen ihre eigenen. Und dann sind da noch das Drama um den Dreimaster Gorch Fock und die Berateraffäre.
„Die Ministerin hat ihr Haus scheinbar nicht mehr vollends unter Kontrolle“, sagt der Grünen-Verteidigungsexperten Tobias Lindner. Kontrollverlust – für jemanden wie von der Leyen wäre das die Höchststrafe. Nun ist Lindner ein gewiefter Oppositionspolitiker, der weiß, wie er seine Angriffe setzen muss. Bedenklicher ist, dass Töne wie „Pannenministerin“, „da brauchen wir einen Neuanfang“ inzwischen auch aus den eigenen Reihen zu hören sind.
Es gab auch Erfolge
Dabei hat von der Leyen vieles erreicht: Den Verteidigungshaushalt hat sie von rund 32 Milliarden Euro auf fast 43 Milliarden Euro in die Höhe geschraubt, die nach dem Ende des Kalten Krieges zusammengekürzte Truppe wächst wieder, das mäandernde Beschaffungssystem der Bundeswehr wurde gründlich sortiert. Was sie nie geschafft hat, ist, sich außerhalb ihres eingeschworenen Führungszirkels Mitstreiter zu organisieren. Ihr Verbündeter war stets die Öffentlichkeit und nicht die eigene Partei. Sie saß in Talkshows und nicht in Hinterzimmern. Im Wahlkampf haben ihre CDU-Kollegen sie gerne und häufig eingeladen: Von der Leyen trifft Basis und Bürger, das funktioniert, weil sie gut erklären und anschaulich argumentieren kann. Wenn sie damals als Arbeitsministerin für ein „warrrmes Mittagessen“ warb, sah man den dampfenden Teller staatlicher Fürsorge förmlich vor sich. Beim Parteitag im Dezember in Hamburg aber bekam sie erneut das schlechteste Ergebnis der fünf CDU-Vizes.
Nun aber gerät auch von der Leyens Bündnis mit den Wählern ins Wanken. Denn eigentlich ist diesen das Militärische suspekt. „Wir Deutschen wollen das eigentlich alles nicht“, sagt einer, der lange im Ministerium gearbeitet hat. Tödliche Waffen sind daher nicht unbedingt der ideale Hintergrund für ein sympathisches Ministerinnen-Image. Von der Leyen meidet daher solche Bilder.
Wie geht es weiter mit von der Leyen?
Es ist der 2. Januar und ein tiefblauer Winterhimmel wölbt sich über dem Fliegerhorst Wunstorf. Andere Politiker ruhen sich so kurz nach Silvester noch ein bisschen vom Feiern und dem völlig verrückten Politikjahr 2018 aus; von der Leyen dagegen ist schon wieder im Dienst. Es gilt, dem „Pannenflieger“ A400M endlich den verdienten besseren Ruf zu verpassen und so natürlich auch an dem der zuständigen Ministerin zu polieren. Ein gutes Dutzend der Riesenvögel steht säuberlich aufgereiht auf dem Flugplatz. Der A400M kann Kampfhubschrauber transportieren, über 100 Soldaten oder eine Panzerhaubitze. Für den Pressetermin der Ministerin aufgebaut ist aber die Lazarett-Variante MedEvac. Von einer sympathischen Sanitätssoldatin lässt sich die Ministerin Monitore und Beatmungsgeräte zeigen, die Kameras laufen. Der A400M als „fliegende Intensivstation“, die Leben rettet. Das passt zur gelernten Ärztin von der Leyen – und zum Bedürfnis der Deutschen, die Bundeswehr lieber als Brunnenbauer denn als Kampftruppe zu sehen.
Wie also geht es nun weiter mit der 60 Jahre alten Ministerin? Die Rückendeckung der Kanzlerin hat sie, nach allem, was man hört. Merkel ist die offensive Art von der Leyens zwar ein wenig suspekt, sie hegt aber durchaus Bewunderung für deren Risikobereitschaft. Dass Merkel ausgerechnet von der Leyens ehemalige Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder zum Kopf ihres Digitalrats machte, ist auch ein Zeichen der Anerkennung. Umgekehrt stand die Ministerin immer loyal zu ihrer Chefin – bis auf das eine Mal, als es zwischen den beiden krachte: Von der Leyen wollte die Frauenquote durchsetzen und drohte, dafür gemeinsame Sache mit der Opposition zu machen. Am Ende ging es aus, wie so oft: Von der Leyens Position setzte sich durch, bei vielen Parteikollegen aber war sie wegen ihres Vorgehens unten durch.
Merkel aber wird allerspätestens 2021 abtreten. Es ist wahrscheinlich, dass sich die weitere Verwendung von der Leyens vorher entscheidet. Fürs Hinschmeißen ist sie nicht der Typ, für den Wechsel in eine andere, schönere, vielleicht internationale Aufgabe schon eher. In jedem Fall wird auch sie irgendwann mit einem großen Zapfenstreich verabschiedet werden. Und bei der Musikauswahl gilt dann auch für von der Leyen: Wünsch Dir was.
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