Rezo hat mit seinem CDU-„Zerstörungsvideo“ eine politische Debatte ausgelöst, wie es keinem Youtuber vor ihm gelungen ist. Ein Grund dafür: Youtube und die Influencer, die dort ihre Videos posten, da geht es nach Ansicht vieler Älterer vor allem um Beauty- und Lifestyle-Themen für Teenager. Das ist Youtube auch – aber eben nicht nur.
Für junge Menschen sei die Plattform „nicht nur Unterhaltungs-, sondern auch Informationsangebot“, sagt Arne Busse, der in der Bundeszentrale für politische Bildung für Youtube-Videos und die Plattform generell zuständig ist. Fast jeder zweite junge Youtube-Nutzer (47 Prozent) sagt, die Clips seien wichtig oder sogar sehr wichtig bei Schul-Themen, wie die am Dienstag veröffentlichte Studie vom Rat für Kulturelle Bildung zeigt.

Nur Jugendsprache reicht nicht

Wie können Medien und Politik diese Gruppe erreichen? Man müsse beobachten, mit welcher Perspektive jüngere Menschen Themen aufgreifen und diskutieren, sagt Busse. Er sagt, er sehe eine Diskrepanz zwischen Medien/Politik einerseits und jungen Menschen andererseits, „mit welcher Wichtigkeit Themen wahrgenommen werden.“
Aus seiner Sicht sind Umweltschutz, Verbraucherverhalten, digitale Themen wie das Urheberrecht und Artikel 13, Ernährung sowie alle Formen der Diskriminierung wichtige Themen der Jungen. Diese hätten sich in letzter Zeit auch nicht großartig verändert.
Heißt: Es reicht nicht, in Jugendsprache und mit schnellen Schnitten ein informatives Video zu drehen und es hochzuladen. Um viral zu gehen, muss ein Clip Themen behandeln, die von der Zielgruppe als relevant wahrgenommen werden.
Johnny Haeusler ist Miterfinder von re:pulica und Tincon, einer Konferenz für digitale Jugendkultur für Jugendliche zwischen 13 und 21. Er sagt: „Es geht nicht um Sprache oder Aussehen. Es geht tatsächlich um Inhalte.“ Er finde es „abenteuerlich“, dass manche Parteien denken: Wir erstellen einen Youtube-Kanal, dann läuft es. „Nichts außer Echtheit funktioniert.“

Jüngere Zielgruppe hat eine völlig andere Medienwelt

Für die jüngere Zielgruppe gebe es eine völlig andere Medienwelt als für Menschen über 40, sagt Haeusler. Er findet es „sträflich“, wie lange diese ignoriert wurde. Die Konsequenz: Die ältere Generation rätselt, wie man die junge erreicht, während diese sich zu Profis auf ihrem Gebiet entwickelt haben. Haeusler: „Teile der jungen Generation sind jahrelang in einer Art digitalem Trainingslager gewesen. Sie beherrschen das Handwerkszeug.“
Ein Beispiel dafür sei Luisa Neubauer, eine der Anführerinnen der „Fridays for Future“-Bewegung, sagt Haeusler. Sie könne in einer Diskussion spontan kurze Sätze artikulieren, die ihre Botschaft auf den Punkt bringe. „Das beherrschen viele ältere Menschen, auch aus der Politik, nicht.“
Wir seien gerade alle gemeinsam dabei, zu lernen, wie man Wahrheiten aus der größer werdenden Flut an Informationen herausfiltert. Grund zur Panik sieht Haeusler aber nicht: „Junge Menschen sind nicht dumm, sie lassen sich nicht von einem einzigen Video etwas sagen.“ Stattdessen suchten viele nach weiteren Quellen, googelten einen Sachverhalt.

Häufig platte Unterhaltung

Trotz dieser Entwicklung bei der Informationsgewinnung auch in politischen Fragen für die jungen Menschen ist klar: Youtube hat auch kritische Seiten. Das hat nicht zuletzt die Studie „Unboxing Youtube“ der Otto-Brenner-Stiftung gezeigt, die im April dieses Jahres veröffentlicht wurde. Die Studie hat die 100 deutschen Youtube-­Kanäle untersucht, die die höchsten Abon­nentenzahlen haben. Das geschah mit Hilfe einer qualitativen Analyse.
Das Fazit der Autoren: „Während Umfragen zeigen, dass die ‚Jugend von heute‘ weltoffen, pragmatisch und bis zu einem gewissen Grade auch post­mate­rialistisch eingestellt ist, predigt die große Mehrheit der digitalen  Meinungsführer einen ungezügelten Konsum und führt dem jungen Publikum tradierte Rollenbilder von Mann und Frau vor.“
Es wird auch kritisiert, dass die große Mehrheit der Kanäle inhaltlich von „anspruchsloser, oft sogar platter und stark emotionalisierter Unterhaltung“ geprägt sei – und „von Pro­duktwerbung durchzogen“. Die Minderheit, die sich mit politischen Themen aus junger Perspektive beschäftigt, kann aber auch mal 14 Millionen Klicks erreichen . . .

Die bedeutendsten deutschen Politik-Youtuber

LeFloid: Der 31-Jährige, der im brandenburgischen Storkow aufgewachsen ist und bürgerlich Florian Diedrich heißt, ist der bekannteste deutsche Youtuber im Bereich politische Bildung. Er hat knapp über drei Millionen Abonnenten. Für seine Reihe „LeFloid vs. The World“ war er für den diesjährigen Grimme-Preis nominiert. Am bekanntesten ist er für sein Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr 2015, mit dem er 5,7 Millionen Klicks generiert hat. Er wurde im Nachgang dafür kritisiert, zu zahm gewesen zu sein.
Tilo Jung: Mit seinem innovativen Interview-Format „jung & naiv“ sowie seiner Übertragung der Bundespressekonferenzen hat der 33-Jährige eine Nische gefunden, die ihm rund 300 000 Follower eingebracht hat.
MrWissen2Go: heißt bürgerlich Mirko Drotschmann. Der 33-Jährige kommt aus der Nähe von Karlsruhe und ist ausgebildeter Journalist. Er hat fast eine Million Abonnenten und kooperiert mit Funk,  dem Contentnetzwerk der ARD und des ZDF für Jugendliche.