Der Gott, dessen Name nicht erwähnt werden darf, die großen Geheimnisse, die wir nicht erwähnen dürfen, vollzogen an einem Ort, der nicht erwähnt werden darf.“ In etwa mit diesen Worten, die ein wenig an die Beschreibung des finsteren Lord Voldermorts aus Harry Potter erinnern, beziehen sich antike Quellen auf den Kult des ägyptischen Gottes Osiris. „Da denkt man doch: Na prima, das fängt ja gut an“, stellt der Unterwasser-Archäologe Franck Goddio fest.
Dass nun eine Ausstellung, die ab 9. Februar im Rietberg Museum in Zürich zu sehen ist, „Osiris – Das versunkene Geheimnis Ägyptens“ heißt, ist zum großen Teil den Funden Goddios und seines Teams zu verdanken. In den vor der Küste Ägyptens in der heutigen Bucht Abukir versunkenen Städten Canopus, Herakleion und dem alten Hafengebiet Alexandrias „Portus Magnus“ (großer Hafen) tauchten unter anderem zahlreiche Kultgegenstände auf, die mit den Mysterien um Osiris zu tun haben und ein wenig Licht ins Dunkle der Forschung brachten.
Wann genau der Kult begann, ist schwer zu sagen. Immerhin ist er so geheim, dass er nicht erwähnt werden durfte – auf ausführliche Beschreibung kann man kaum hoffen. „Wenn wir konkretere Hinweise haben, dann stammen sie von Griechen“, sagt Goddio. Die allerdings kamen erst später nach Ägypten, das schon ab 6000 vor Christus besiedelt war.
Nachdem Alexander der Große im Jahr 332 v. Chr Ägypten erobert hatte – nach ihm ist Alexandria benannt –, begann die Herrschaft der griechischstämmigen Ptolemäer, denen auch die berühmte Kleopatra VII. angehörte. Ab dieser Zeit ist der Osiriskult sicher nachgewiesen – wobei sich im Laufe der Zeit Varianten eingeschlichen haben können. Was die Priester damals im Geheimen der dem Gott geweihten Tempel machten, ist nicht geklärt. Aber einiges ist zumindest klarer. „Der Kult hat sehr viel mit Fruchtbarkeit, dem Kreislauf des Lebens und der Ordnung des Kosmos zu tun“, erklärt Goddio.
Der Legende nach wurde Osiris von seinem Bruder Seth, dem Herrscher der Unterwelt, getötet und in Stücke zerrissen. Isis, die Schwester und Gemahlin des Osirirs – Geschwister-Ehen waren in Ägyptens Herrscherklasse damals üblich – suchte diese Teile und fügte sie als Mumie zusammen. Ihr gelang es, Osiris so lange zum Leben zu erwecken, bis sie ihren Sohn Horus gezeugt hatten. Der sollte den Vater später rächen und bezwang Seth, wodurch Osiris Herrscher der Unter-, Horus der Oberwelt wurde. Gleichzeitig steht Osiris für die Wiedergeburt, da es ihm mit Isis Hilfe gelang, den Tod und die Finsternis zu bezwingen.
Im alten Ägypten hatte Osiris daher große Bedeutung, die Geschichte von Osiris, Isis und Seth wurde von den Priestern nachgespielt. „Allerdings musste das streng geheim passieren, denn Seth geisterte immer noch herum und suchte nach seinem Bruder“, erzählt Goddio. Offenbar schickten die Priester Osiris aber, nachdem sie ihre Rituale innerhalb des Tempels vollführt hatten, auf einer Barke auf die Reise. Symbolisch wohl zurück in die Unterwelt, faktisch in einen Kanal, der von Heraklion in Richtung des benachbarten Canopus führte. Etliche Barken, umgeben von Kultgegenständen, hat Goddios Team im Meer gefunden. Auch Bronze-Stäbe, mit denen die verstreuten Körperteile des Osiris symbolisch eingesammelt wurden, tauchten auf.
„Das ist eine äußerst faszinierende Geschichte“, sagt Goddio. Das sahen auch die Zeitgenossen der alten Ägypter so. Die Griechen etwa übernahmen nicht nur bereitwillig den Osiris-Kult, sie identifizierten auch eigene Götter mit ihm. Etwa Dionysos, um den ebenfalls ein Mysterien-Kult existierte und der einige Parallelen zu Osiris aufwies. Der Kult um Osiris und Isis existierte aber weit über Ägypten hinaus, er reichte bis ins Römische Reich hinein und gelangte von dort auch nach Germanien und Britannien. Die Ptolemäer installierten außerdem Serapis, der Eigenschaften Osiris und des griechischen Chefgottes Zeus sowie Hades, Herrscher der griechischen Unterwelt, vereint. Auch auf einen großen Serapis-Tempel mitsamt riesiger Statue des Gottes ist Goddios Team gestoßen.
Die Faszination, die der Osiriskult auch heute noch ausübt, versucht die Ausstellung in Zürich zu vermitteln. Auch wenn noch vieles ungeklärt sind – Goddio und seine Taucher sind noch nicht fertig mit der Erkundung des Gebiets vor der Küste Alexandrias. Auf dem Meeresgrund dürfte noch so manches Geheimnis verborgen sein.
Ausstellung & Buch
Ausstellung Vom 10.Februar bis 16. Juli ist im Züricher Rietberg-Museum die Ausstellung „Osiris – Das versunkene Geheimnis Ägyptens“ zu sehen. Die spektakuläre Ausstellung zeigt rund 300 Statuen und Kultgegenstände, Sarkophage und Götterbilder aus sechzehn Jahrhunderten. Sie stammen aus den legendären Städten Thonis-Herakleion und Kanopus, die im 8. Jahrhundert nach Christus im Meer versanken. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, mittwochs 10 bis 20 Uhr. Montag ist Ruhetag. Mehr Infos unter www.rietberg.ch
Buch Ein- und weiterlesen kann man sich über Franck Goddios Funde vor der Küste Ägyptens auch in dem Buch „Tauchgang zu den Pharaonen“ (Steidl Verlag, ca. 200 Seiten, 38 Euro). Die informativen Texte sind begleitet von zahlreichen Fotos, die die Bergungsarbeiten unter Wasser illustrieren. Neben den antiken ägyptischen Funden wird auch auf die Bergung der „L’Orient“, des 1798 in der Schlacht gegen Admiral Nelson in der Bucht von Abukir gesunkenen Schlachtschiffes Napoleons, eingegangen.