Das Ulmer Münster bekommt Konkurrenz aus dem Süden, genauer gesagt: aus Spanien. Denn die Sagrada Familia, das Lebenswerk des legendären Architekten Antonio Gaudí, hat erstmals eine offizielle Baugenehmigung erhalten – und das 137 Jahre nach ihrem Baubeginn. Ab sofort dürfen Architekten, Ingenieure und Bauarbeiter an dem bis heute unvollendeten Bauwerk in Barcelona werkeln, ohne das Gesetz zu brechen. Dies berichteten spanische Medien am Wochenende unter Berufung auf die Verwaltung der katalanischen Metropole. Im Jahr 2026 sollen die Bauarbeiten beendet sein, dann jährt sich Gaudís Todestag zum 100. Mal. Der höchste Turm der Kirche soll jedoch bereits 2022 fertig sein – und eine Höhe von 172,5 Metern haben. Damit wäre die Sagrada Familia elf Meter höher als das Ulmer Münster, das mit seinen stolzen 161,53 Metern aktuell die höchste Kirche der Welt ist.
„Ein gigantisches Gebäude und ein geschichtlicher Ort“
Der Ulmer Münsterbaumeister Michael Hilbert sieht die drohende Konkurrenz gelassen: „Das Ulmer Münster ist eine Ingenieurs-Meisterleistung des 19. Jahrhunderts.“ Schließlich sei es viel mehr als nur die höchste Kirche der Welt. Außerdem: „Mit der heutigen Stahl-Beton-Bauweise muss man die Höhe der Sagrada Familia eher mit modernen Bauten vergleichen – und die sind ja um einiges höher.“ Auch wenn Ulmer Münster nicht mehr die Nummer Eins ist – für Hilbert bleibt die Kirche „ein gigantisches Gebäude und ein geschichtlicher Ort“.
Ob die Sagrada Familia tatsächlich das Ulmer Münster übertrumpfen kann, wird sich zeigen. Fest steht jedoch: Billig wird das Vorhaben nicht. Für die Baugenehmigung durch Barcelonas Stadtverwaltung mussten rund 4,6 Millionen Euro hingelegt werden. Zudem wurde vereinbart, dass die Baugesellschaft 36 Millionen Euro zahlen muss, um die negativen Auswirkungen der Bauarbeiten auf die Nachbarschaft zu mildern. Bis zur Vollendung – genau 144 Jahre nach Baubeginn – werden voraussichtlich weitere 374 Millionen Euro nötig sein. Das Geld stammt ausschließlich aus Spenden und Eintrittsgeldern.
Berühmteste Baustelle der Welt: „Keine Privilegien mehr“
Dass die berühmteste Baustelle der Welt keine offizielle Baugenehmigung besaß, hatte die linke Stadtverwaltung von Bürgermeisterin Ada Colau kurz nach ihrem Amtsantritt im Jahr 2015 herausgefunden, Von nun an werde die Kirche „keinerlei Privilegien mehr“ genießen, so die zuständige Stadtplanerin Janet Sanz am Samstag in der Zeitung „La Vanguardia“. „Bisher wurde illegal gebaut. Endlich wird eine historische Anomalie unserer Stadt gelöst.“
Die Sagrada Familia – seit dem Baubeginn 1882 unvollendet – ist ein Wahrzeichen Barcelonas und eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Spaniens. Der Sakralbau vereint die Stile der Neugotik und der Moderne. Seit 2005 ist die Kirche auch UNESCO-Weltkulturerbe.