Seit dem 11.05. fließt weniger Gas über die Sojus-Pipeline, die den Rohstoff über das Gebiet der Ukraine nach Europa transportiert. Wie der ukrainische Gasnetzbetreiber am Abend des 10. Mai mitteilt, betrifft das ein Drittel des Erdgases, das über die Ukraine nach Europa fließt.
Die Nachricht verunsichert viele in Europa. Ist die Gasversorgung jetzt gefährdet? Steigen die Preise noch weiter an? Was für Folgen ein Gasstopp aus der Ukraine haben könnte, versuchen wir hier zu erklären.

Gastransit durch die Ukraine: Wo ist die betroffene Pipeline?

Die betroffene Pipeline liegt im besonders umkämpften Gebiet Luhansk im Osten der Ukraine. Aufgrund der russischen Besatzung sei es unmöglich geworden, den Punkt Sochraniwka sowie die Verdichterstation Nowopskow zu kontrollieren, hieß es. Der Betreiber berief sich auf einen Fall „höherer Gewalt“. Sochraniwka ist Teil der Sojus-Pipeline, die vom russischen Gebiet Orenburg bis ins ukrainische Uschhorod führt.
Die Sojus-Pipeline führt durch die gesamte Ukraine und wird zusammengeführt mit den beiden großen Pipelines „Jamal“ und „Transgas“. Die Pipeline Jamal liefert dann Gas über Polen nach Deutschland, die Transgas-Linie führt über die Slowakei nach Österreich, Italien, Tschechien, Deutschland und weiter nach Westen.

Gasstopp Ukraine: Werden wir das fehlende Gas merken?

Fehlen sollen nach ukrainischen Angaben bis zu 32,6 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag - das sei fast ein Drittel der täglich über die Ukraine nach Europa transportierbaren Höchstmenge. Russland pumpt eigentlich 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag durch die Ukraine nach Europa.
Der Wegfall dieses Gases ist zwar von Bedeutung – aber gefährdet die Gasversorgung zunächst nicht. Denn die wichtigere Pipeline ist Nord Stream 1, die durch die Ostsee fließt. Durch diese Pipeline kommen jährlich 60 Milliarden Kubikmeter Gas – was etwa 164 Millionen Kubikmeter pro Tag entsprechen. Wenn also aus der Ukraine nun von insgesamt rund 264 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag etwa 32 Millionen Kubikmeter fehlen, gefährdet das noch nicht die Gasversorgung insgesamt. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums gebe es derzeit in Deutschland keine Engpässe. „Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist aktuell weiter gewährleistet“, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber geben ebenfalls Entwarnung: „Die fehlenden Gasmengen aus dem Ukrainetransit werden derzeit vom Markt über alternative Transitrouten bzw. Gasquellen kompensiert“, sagte eine Sprecherin dieser Zeitung. Sowohl die deutschen als auch die europäischen Netzbetreiber könnten die veränderten Gasmengen „problemlos steuern“.
Problematisch ist aber, dass es die Befürchtung weiter bekräftigt, die ukrainische Infrastruktur durch den Krieg unter Druck steht. Sollte noch mehr Gas gestoppt werden müssen, könnte es zu einem ernsthaften Problem für Europa werden.

Gaspreise aktuell: Wird Gas jetzt noch teurer?

Dass die Preise für Gas nun weiter steigen, davon ist auszugehen. Die Gaspreise hatten zuletzt etwas nachgegeben, bleiben aber auf einem sehr hohen Niveau im Vergleich zum Vorjahr. Es ist möglich, dass die Preise durch den Wegfall von Millionen Kubikmetern Gas pro Jahr nun noch weiter steigen.
Deutschland ist stark von russischem Gas abhängig. Forderungen etwa nach einem Gasembargo sind daher sehr umstritten. Jüngsten Angaben des Wirtschaftsministeriums zufolge sank die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas seit Kriegsbeginn immerhin von zuvor 55 Prozent auf etwa 35 Prozent. Bis Sommer 2024 ist demnach eine schrittweise Verringerung auf zehn Prozent des Gasverbrauchs möglich.