In vielen deutschen Krankenhäusern wird zur Einleitung der Geburt bei Schwangeren ein Medikament verwendet, das in der Geburtshilfe gar nicht zugelassen ist. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten Studie der Universität Lübeck hervor, wie Süddeutsche Zeitung (SZ) und Bayerischer Rundfunk (BR) berichten. Demnach verwendet die Hälfte der Kliniken in Deutschland das Medikament „Cytotec“.
Das Präparat mit dem Wirkstoff Misoprostol ist eigentlich ein Magenmedikament, bei dem in der Praxis zufällig erkannt wurde, dass es auch Wehen fördern kann. Weil das Medikament zu oft außerhalb des vorgesehenen Anwendungsbereichs verwendet wurde, nahm der Hersteller Pfizer die Tablette 2006 vom deutschen Markt.

Nicht zugelassenes Medikament: Cytotec wird trotzdem verwendet

Wie SZ und BR berichten, können Ärzte das Medikament aber im sogenannten „Off-Label-Use“ dennoch verwenden, wenn sie die Patientinnen darüber aufklären. Experten warnen jedoch vor dem Einsatz des Mittels: „Das Mittel ist weitgehend unkontrollierbar und es gibt viel zu wenig Untersuchungen“, sagte Peter Husslein, Leiter der Universitäts-Frauenklinik Wien der SZ und dem BR. Er verwende das Medikament in seiner Klinik nicht. „Es hat zahlreiche mütterliche Todesfälle verursacht“, sagte Husslein.

Gutachten, Gerichtsurteile: Medikament kann Kind schädigen

Das Medikament kann aber auch für die Kinder schädlich sein. In Einzelfällen seien schwere Gehirnschäden wegen einer Unterversorgung des Kindes mit Sauerstoff aufgetreten, berichten SZ und BR und berufen sich auf Gutachten, Fallberichte und Gerichtsurteile, die die Medien ausgewertet haben. In Deutschland und Frankreich seien mehrere Kinder gestorben.

Uni-Klinik Ulm: Keine negativen Erfahrungen mit Misoprostol

Auch am Uni-Klinikum Ulm wird das Medikament seit Jahren eingesetzt. Allerdings „mit Augenmaß und grundsätzlich nicht bei Risikogeburten“, wie Prof. Wolfgang Janni, Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE sagte. Alle in Frage kommenden Patientinnen würden vorab darüber aufgeklärt, dass sie ein in der Geburtshilfe nicht zugelassenes Medikament verabreicht bekommen. Man habe mit Cytotec bisher keine negativen Erfahrungen gemacht, im Gegenteil: In vielen Fällen erleichtere es die Einleitung der Geburt maßgeblich. Janni: „Wir setzen es vorsichtig dosiert ein.“