In der Diskussion über Lockerungen der aktuellen Maßnahmen gegen das neuartige Coronavirus setzen viele Experten und Politiker auf den Einsatz sogenannter Tracking Apps. Die Handy-Anwendungen sollen dabei helfen, Erkrankungen und Verdachtsfälle besser zu verfolgen und so die Eindämmung des Virus zu erleichtern. Es gibt allerdings auch Bedenken.

Wieso wird über Tracking nachgedacht?

Nachdem seit zwei Wochen deutschlandweit strenge Kontaktbeschränkungen gelten, stellt sich die Frage, wann und wie diese gelockert werden können. Damit sich das Virus nicht unkontrolliert verbreitet, sobald das öffentliche Leben wieder hochfährt, soll die Identifizierung von Erkrankten und ihren Kontaktpersonen verbessert werden.
Das Tracking, also Nachverfolgen, per Smartphone könnte hier helfen. Damit sollen Kontaktpersonen von Menschen, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben, automatisch informiert werden, damit sie sich in Quarantäne begeben können. Bisher geben Infizierte ihre Kontaktpersonen beim Gesundheitsamt an, das diese dann informiert. Das ist aber vergleichsweise langsam und ungenau.
In mehreren Ländern, insbesondere im asiatischen Raum, wird Handy-Tracking bereits breit im Kampf gegen das Coronavirus eingesetzt. Auch in Österreich gibt es eine entsprechende Anwendung, die das Rote Kreuz zum Herunterladen zur Verfügung stellt.

Wie funktioniert das Tracking technisch?

In der Diskussion ist momentan eine App, die sich die Bürger freiwillig auf ihr Handy laden können. Diese würde verfolgen, wo sich der fragliche Mensch aufhält und welche Leute in seiner Nähe sind. Dazu können etwa Positionsdaten des Systems GPS benutzt werden oder die Bluetooth-Funktion der Handys.
Wird jemand positiv auf das Coronavirus getestet, würde er das in die App eingeben. Diese würde dann die Menschen informieren, die in einem bestimmten Zeitraum, zum Beispiel den vorangegangenen sieben Tagen, räumliche Nähe zu dem Infizierten hatten. Auch die Gesundheitsämter könnten informiert werden - welche Daten sie erhalten würden und ob dies automatisch erfolgen könnte, ist noch unklar.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) arbeitet bereits an einer solchen App. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber wirkt beratend mit. Zu den Details ist bislang nichts bekannt.
Als unpraktikabel wird die zwischenzeitlich diskutierte Option angesehen, die möglichen Kontaktpersonen eines Infizierten per Funkzellenabfrage zu ermitteln. Da eine Funkzelle, also das von einer Sendeantenne erzeugte örtliche Handynetz, recht groß ist, insbesondere in ländlichen Räumen, sagt die gleichzeitige Nutzung einer Zelle durch mehrere Smartphones über die räumliche Nähe der Besitzer zueinander zu wenig aus.

Welche Bedenken gibt es gegen die Tracking-App?

Daten- und Verbraucherschützer mahnen, eine solche Anwendung dürfe nur innerhalb enger Grenzen operieren und nicht zweckentfremdet werden. „Es dürfen lediglich notwendige Daten erhoben und weitergegeben werden“, betont etwa der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Auch müsse die Speicherung der gesammelten Daten zeitlich begrenzt werden. Die Linken-Digitalexpertin Anke Domscheit-Berg plädiert für eine Löschung nach spätestens 21 Tagen.
Anders als etwa in China ist hierzulande nur eine freiwillige Nutzung einer Tracking-App vorstellbar - darauf besteht etwa auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Somit kann das Ganze nur funktionieren, wenn genügend Menschen die Anwendung herunterladen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Kelber ist aber überzeugt, bei einer datenschutzrechtlich akzeptablen Lösung „wird es eine große Bereitschaft geben, zu teilen, sich selbst zu schützen und andere zu schützen“.

Kanzleramt hält Corona-Tracking-App für vielversprechend

Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen in eine App zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten, die aktuell in Berlin getestet wird.
Die Regierung suche „mit Hochdruck“ gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut (RKI) nach einer Lösung, die für Deutschland funktionieren könne, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin.

„Müssen wissen, wem Infizierte begegnen“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) würde eine freiwillige App zur Nachverfolgung der Ausbreitung des Coronavirus befürworten. „Wir müssen wissen, wem die infizierten Menschen begegnet sind, um Kontaktpersonen warnen zu können“, sagte er am Dienstag in Stuttgart. Eine App, die Bewegungen von Menschen festhalten könnte, solle jedoch erstmal freiwillig genutzt werden. „Kein Mensch käme in normalen Zeiten auf die Idee, so etwas zu machen“, sagte er zu der Frage nach dem Schutz der Persönlichkeitsrechte. „Wir haben auch nicht vor, für solche Dinge Tür und Tor zu öffnen.“ Es seien aber keine normalen Zeiten.