Die Energiekrise hat in Europa gerade erst angefangen. Durch die Drosselung von Erdgas durch die Pipeline Nord Stream 1 hat Russland Deutschland unter Druck gesetzt. Alle sind zum Energiesparen angehalten – und es werden neue Wege gesucht, um die Versorgung zu sichern. Da konnte es nicht lange dauern, bis das Thema Atomkraft wieder auf den Tisch gepackt wird. Zum Überblick wollen wir hier folgende Fragen beantworten:
  • Welche Atomkraftwerke laufen in Deutschland noch?
  • Wie viele Atomkraftwerke hatte Deutschland vor dem Ausstieg?
  • Wie einfach wäre ein Weiterbetrieb der AKWs?
  • Wie viel Strom produzieren die Atomkraftwerke?

Welche AKW laufen in Deutschland noch?

Aktuell laufen in Deutschland noch drei Atomkraftwerke. Das sind:
  • Emsland (Niedersachsen)
  • Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg)
  • Isar 2 (Bayern)
Alle drei Kraftwerke sind seit 1988 in Betrieb. Sie sollen eigentlich bis 31. Dezember 2022 vom Netz genommen werden. Über die Verlängerung der Laufzeiten für diese drei Kraftwerke wird jetzt diskutiert.

Alte Atomkraftwerke: Wie viele AKW hatte Deutschland mal?

Die Liste der Atomkraftwerke, die Deutschland insgesamt mal hatte – also seit 1957 – ist sehr lang. Insgesamt hat Deutschland rund 110 Kernanlagen gehabt. Viele wurden aber im Laufe der Jahre abgeschaltet, lange vor dem Atomausstieg, der 2011 beschlossen wurde. Der Atomausstieg wurde nach dem Atomunfall in Japan (Fukushima) festgelegt. Seit 2011 sind folgende Kernkraftwerke in Deutschland vom Netz gegangen:
  • Brokdorf (Schleswig-Holstein)
  • Philippsburg 1 + 2 (Baden-Württemberg)
  • Grohnde (Niedersachsen)
  • Unterweser (Nidersachsen)
  • Krümmel (Schleswig-Holstein)
  • Grafenrheinfeld (Bayern)
  • Gundremmingen B + C (Bayern)
  • Biblis A + B (Hessen)
  • Isar 1 (Bayern)
  • Neckarwestheim 1 (Baden-Württemberg)
  • Brunsbüttel (Schleswig-Holstein)

Verlängerung der Laufzeiten: Wäre das möglich?

Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten über Ende 2022 hinaus ist von mehreren Faktoren abhängig. Dabei stellt sich die Frage, ob der Aufwand den Ertrag rechtfertigt.

Streckbetrieb

Die Bundesministerien für Umwelt und Wirtschaft kommen in einer Prüfung aus dem Frühjahr zum Ergebnis, dass die drei AKW mit den vorhandenen Brennstäben nach dem 31. Dezember nur dann weiterlaufen könnten, wenn ihre Stromerzeugung vorher gedrosselt werden würde. In ihrem Bericht zur Laufzeitverlängerung ist deshalb von einem sogenannten „Streckbetrieb“ die Rede. Das bedeutet laut Prüfung: „Die Atomkraftwerke würden dann im Sommer 2022 weniger Strom produzieren, um über den 31.12.2022 hinaus im ersten Quartal 2023 noch Strom produzieren zu können.“ Weiter heißt es: „Insgesamt würde zwischen heute und Ende März 2023 netto nicht mehr Strom produziert.“ Wenn also Politiker fordern, AKW nur für eine kurze Zeit weiterlaufen zu lassen, ginge das demnach auf Kosten der vorigen Stromproduktion.

Atomgesetz

Bei einem Weiterbetrieb hätte der Gesetzgeber zuerst das Atomgesetz zu ändern, wonach die drei Kernkraftwerke spätestens am 31. Dezember abgeschaltet werden müssen. Wenn man den behördlichen Aufwand schon mal betreibe, sagt KIT-Kerntechniker Tromm, sei es sinnvoll, „dann die Kernkraftwerke auch länger laufen zu lassen“.

Neue Brennstäbe

Ein größeres Problem sind neue Brennstäbe. Im Prüfbericht des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums heißt es: Eine Verlängerung der Laufzeiten der AKW in Betrieb würde erst zusätzliche Strommengen bringen, „wenn diese mit neu hergestellten Brennstäben erneut gefüllt wären“. Die Ressorts gehen beim gesamten Bestell- und Herstellungsprozess von 18 bis 24 Monaten, bei einem beschleunigten Verfahren von 12 und 15 Monaten aus. Im Prüfbericht ist deshalb bei zusätzlichen Strommengen von „frühestens ab Herbst 2023“ die Rede.

Neue Sicherheitsprüfung

Auch wenn nach Einschätzung von Kerntechniker Tromm ein kurzfristiger Weiterbetrieb von einigen Monaten die Sicherheit nicht verringert, sind für eine Laufzeitverlängerung dennoch größere Maßnahmen notwendig. Nach Angaben aus Umwelt- und Wirtschaftsministerium muss für jeden Meiler eine zuletzt 2009 stattgefundene umfangreiche Sicherheitsprüfung wiederholt werden. Dabei könne nicht abgeschätzt werden, ob oder was nachgerüstet und ersetzt werden müsse. Es sei eine Verlängerung der Laufzeiten um „mindestens drei bis fünf Jahre notwendig, um den Aufwand wirtschaftlich zu rechtfertigen“, heißt es.

Wie viel Strom produzieren die Atomkraftwerke aktuell?

Die drei Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 sind an der öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland beteiligt - nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) im laufenden Jahr (bis 29. Juli, 12.04 Uhr) mit 6,4 Prozent (18,5 Terawattstunden, TWh).
Zum Vergleich: Der Großteil des Stroms für Öffentlichkeit und Privathaushalte kommt von erneuerbaren Energien. Wind (26,0 Prozent, 75,4 TWh), Sonne (13,2 Prozent, 38,3 TWh) und andere nachhaltige Energieträger machen zusammen einen Anteil von 51,5 Prozent (149,2 TWh) aus. Mit Braun- und Steinkohle wurden demnach bisher 30,9 Prozent (89,4 TWh) erzeugt. Mit 10,1 Prozent (29,3 TWh) ist Erdgas am Strom aus der Steckdose beteiligt.
Eine TWh sind eine Milliarde Kilowattstunden (KWh). Ein Vier-Personen-Haushalt verbraucht jährlich im Schnitt 4085 kWh. Die bisher von Kernkraft im Jahr 2022 erzeugten 18,5 TWh würden für den Stromverbrauch von mehr als vier Millionen solcher Haushalte reichen.