Jetzt muss was greifbares kommen.“ Seitdem die Initiative Ulm digital im Herbst 2016 ins Leben gerufen wurde, taucht der Begriff Lorawan immer wieder in Diskussionen über die Digitalisierung Ulms auf. „Sich wirklich etwas darunter vorstellen können aber die wenigsten“, ist Björn Semjan, geschäftsführender Gesellschafter des IT-Hauses Systemzwo und Mitbegründer der Initiative, überzeugt. Das will Semjan jetzt gemeinsam mit der SWU Energie und den IT-Firmen Exxcellent Solutions und Cortex Media und System ändern.
Im Herbst vergangenen Jahres haben sich die Unternehmen zu der Kooperation Citysens zusammengeschlossen, um lebensnahe Projekte einer smarten städtischen Infrastruktur zu entwickeln. Im Rahmen des ersten Projekts wurden bereits 100 Stromzähler im Stadtgebiet durch intelligente Stromzähler ersetzt, die mittels Lorawan die Zählerstände in regelmäßigen Abständen an die SWU Energie übermitteln.
Bedarfsprofil erstellen
Mit diesem Netzwerk können Dinge miteinander kommunizieren (siehe Infokasten). Die SWU Energie kann dann mithilfe der regelmäßig gesendeten verschlüsselten Daten der von Systemzwo hergestellten Stromsensoren Profile erstellen, die etwa Stromspitzen aufzeigen. So könne die benötigte Strommenge genauer prognostiziert und dadurch Geld gespart werden, sagt Semjan. „Für die Stadtwerke ist eine Überproduktion schlimmer als der Nachkauf von Strom.“
Derzeit arbeitet Citysens an einem weiteren „lebensnahen“ Projekt, sagt Semjan. Im Boden eingelassene Sensoren sollen erkennen, ob ein städtischer Parkplatz frei oder belegt ist, und wenn ja, ob es sich dabei auch um ein Fahrzeug handelt. Die gewonnenen Daten werden verschlüsselt an einen Server und dann etwa an eine Einrichtung der Stadt oder ein Unternehmen übermittelt, wo sie weiterverarbeitet werden.
„Wir haben genügend Parkplätze in der Stadt, sie werden aber nicht effizient genutzt“, ist Semjan überzeugt. Mithilfe der Sensoren könnte der Parkraum gerade dort wo Parkplatznot herrscht intensiver genutzt und Autofahrer etwa per App über freie Parkflächen informiert werden. Zudem könne auch die Parkplatzüberwachung oder die Bezahlung des Parkscheins mithilfe dieser Sensoren erleichtert werden. Parkscheinautomat und Sensor des jeweiligen Parkplatzes könnten dann miteinander kommunizieren, so die Idee.
Sensor ist entscheidend
Die Bauweise der Sensoren sei für den späteren Einsatz entscheidend. So müssen fest im Boden verbaute Sensoren mit den klimatischen Bedingungen zurande kommen und im Alltag bestehen, „wenn zum Beispiel die Kehrmaschine oder der Schneeräumdienst im Einsatz sind“, erklärt Semjan. Auch die Stromversorgung müsse gewährleistet sein. „Die Sensoren werden mit einer Lithium-Batterie versorgt, die aufgrund des geringen Stromverbrauchs eine Lebensdauer von bis zu acht Jahren hat.“ Die Kosten der Sensoren variierten zwischen 50 und mehreren hundert Euro.
Geht es nach Semjan, sind die Einsatzmöglichkeiten von solchen Sensoren unendlich. „Straßenlaternensteuerung, Temperatursensoren in Seen oder Wohnraumüberwachung, da ist vieles denkbar.“ Die Grundlagen in Ulm seien einzigartig. „So viele Lora-Antennen wie hier gibt es kaum wo.“ Das sei vor allem der Initiative von OB Gunter Czisch zu verdanken, der bereits 2014 erste Gespräche in diese Richtung geführt habe. Bislang nutzen rund 100 Bürger die neu geschaffene Infrastruktur. „Das sind hauptsächlich Unternehmen, IT-Bastler und die Besucher des Verschwörhauses.“ Die dafür aber um so intensiver: Inzwischen laufen mehrere Tausend Sensoren über die Ulmer Antennen.
Netzwerk für Dinge
Lorawan Die Abkürzung steht für Long Range Wide Area Network. Das Netzwerk soll eine Basis schaffen für das Internet der Dinge, in dem Geräte wie Stromzähler oder Kühlschränke Daten an Nutzer senden und untereinander kommunizieren. Im Gegensatz zu Wlan-Routern, die darauf ausgelegt sind, große Datenmengen über kurze Strecken zu schicken, lassen sich über die sieben in Ulm installierten Lorawan-Antennen, sogenannte Gateways, geringe Datenmengen über große Reichweiten schicken. Jedes Gateway hat eine Reichweite von bis zu zehn Kilometern, die aber je nach Dichte der Bebauung auch geringer ausfallen kann. Die Strahlungsstärke der Geräte sei mit der von Wlan-Geräten vergleichbar. Zudem ist die Datenübertragung mithilfe der Sensoren von der Bundesnetzagentur limitiert. Jeder Sensor darf nur zehn Sekunden pro Stunde funken. „Da die Übertragung im Millisekundenbereich liegt, können die Sensoren dennoch häufig Daten senden und so ein engmaschiges Profil erstellt werden.“
Systemzwo Die 2007 gegründete Systemzwo Gruppe setzt sich aus den Gesellschaften Systemzwo und Kraftwerkk 3 IT zusammen. Zu den Schwerpunkten zählt neben IT-Sicherheit, -Infrastruktur auch Sensorik. 2017 verzeichnete das Unternehmen mit Sitz in Söflingen einen Umsatz von 6,5 Millionen Euro und beschäftigt 50 Mitarbeiter.