FRIZZ: Ihr habt ein Label gegründet, bei dem es darum geht, alte Lieblingskleidungsstücke neu aufzuwerten, Upcycling genannt. Wie kam es dazu ?
Jana: Wir haben uns im Studium kennengelernt und auf Anhieb verstanden, da wir die gleichen Interessen teilen: Mode und Nachhaltigkeit. Es war Sympathie auf den ersten Blick bei den Studienkennenlerntagen. Ria war schon da, als ich zur Tür reinkam und ich dachte: Mit der muss ich mich unterhalten, die wirkt so sympathisch ...
Ria: Wir haben in Ulm Kommunikationsdesign studiert. Eine Semesteraufgabe bestand darin, sich eine Firma auszudenken. Die Vorgaben waren frei, wir konnten uns in jede Richtung bewegen. Also haben wir uns ein Upycling-Label ausgedacht: „Jacke wie Hose_ Upcycling“.
Jana: Es war nicht nur die Liebe zur Mode, die uns zum Upcycling gebracht hat, sondern auch die Erkenntnis, dass es so, wie es gerade in der Fashion-Industrie zugeht, nicht weitergehen kann. Viele Firmen verstecken sich hinter ihren Labels. Es mangelt an Transparenz. Käufer bekommen nicht mit, wie die Produktionskette aufgebaut ist und wo die Kleidungsstücke eigentlich hergestellt werden.
Ria: Firmen werben gerne mit dem Thema Nachhaltigkeit. Es reicht aber doch nicht aus, das nur draufzuschreiben. Die meisten Kleidungsstücke werden in Asien hergestellt.
Jana: Bei Jacke wie Hose nehmen wir alte Lieblingsteile und funktionieren sie zu etwas Neuem um. Da kann es passieren, dass aus einer Jacke eine Hose wird und umgekehrt. Ich komme nicht aus Baden-Württemberg und musste erst darüber aufgeklärt werden, dass „Jacke wie Hose“ auch ein Sprichwort ist. Dadurch, dass die Naht in unserem Logo die Jacke und Hose durchstreicht, hat das auch die Bedeutung, dass es uns nicht egal ist! Am Anfang haben wir einen alten Nähtisch in knalligem Grün angesprayt und Rollen angebracht, damit er mobil wird. Das war unser Einstieg in die Veranstaltungsbranche ...
FRIZZ: Der grüne Nähtisch ist ein Hingucker und so was wie euer Markenzeichen. Wie kommt man auf so eine Idee?
Ria: Durchs Studium haben wir aus den Bereichen Kunst und Design viel Inspiration mitnehmen können.
Jana: Uns war wichtig, aktiv auf die Leute zuzugehen. Unser mobiler Nähtisch ermöglicht uns den Aufbau an vielen tollen Orten …
Ria: Auf dem Münsterplatz und in der Innenstadt waren wir bereits in Upycling-Mission unterwegs.
Jana: Im Gleis 44 haben wir dann unseren ersten „Jacke wie Hose“-Aktionsnachmittag veranstaltet.
Ria: Interessenten konnten gemeinsam mit Designern zusammenarbeiten, sodass aus alten Kleidungsstücken etwas Neues entsteht. Wir hatten einen Fundus aus Stoffresten, Bändern und Ketten. Die Kolleginnen von „Clair de Chic“ und zwei Modedesign-Studenten waren mit dabei. Die Aktion lief super, es kamen viele Leute. Wir mussten eine Chill-Out-Area aufbauen, weil die Wartezeiten lang waren. Doch die Besucher haben es als kleines, gemütliches Fest wahrgenommen. Nachmittags haben wir angefangen, abends öffnete dann der Club.
Jana: Ein nahtloser Übergang (strahlt). Den Abend haben wir mit Spenden refinanziert. Im Vordergrund stand für uns die Aufklärung, den Leuten zu zeigen: Hey, seht mal, wie cool das sein kann, aus alten Sachen etwas Neues zu erschaffen! Inzwischen fertigen wir auch eigene Teile: T-Shirts mit Krawattenärmeln aus dem Fundus verschiedener Opis. Wir werden die Shirts bald online anbieten. Bisher gibt es sie über Anfrage auf Instagram. Egal, ob schwarz, blumig oder bunt: Da ist für jeden etwas dabei.
FRIZZ: Können FRIZZ-Leser ihre ausrangierten Krawatten spenden?
Jana & Ria: (lachen) Natürlich, immer her damit!
FRIZZ: Welche weiteren Aktionen plant ihr?
Ria: Wegen der Corona-Beschränkungen findet das Eulenflug-Festival in Rothenburg ob der Tauber, auf dem wir die letzten Jahre unseren Upcycling-Stand hatten, auch dieses Jahr nicht statt. Mit den Veranstaltern arbeiten wir stattdessen an einer Vintage-Kollektion, um Hilfsprojekte, wie das Kiwoko-Hospital in Uganda, zu unterstützen. Natürlich planen wir eine weitere Aktion im Gleis 44.
FRIZZ: Gibt es in Ulm Trends, die es anderswo nicht gibt? In Köln hatten die Hipster immer Turnbeutel abends zum Weggehen in den Clubs dabei. Ein Trend, der in Frankfurt belächelt wurde. Den Berlinern hingegen ist stets alles egal. Was ist very Ulm?
Jana: In den größeren Städten entstehen Trends, die schwappen dann irgendwann auf die kleineren Städte über. London beispielsweise war früher punkig unterwegs, eher rough. Ein Trend, der sich in der Underground-Szene entwickelte. Die 80er sind zurück! Dazu passen unsere „Scrunchies“, das sind Haarbänder mit Stoff. Außerdem geht der Trend zu Handarbeiten, wie zum Beispiel Stickereien. Kleidungsstücke, bei denen man erkennt, dass Details mit Liebe verarbeitet wurden.
Ria: Uns ist aufgefallen, dass Ulm eine sehr offene Stadt ist, was Diversität und Akzeptanz angeht. Die Ulmer sind richtig experimentierfreudig! Das spiegelt sich auch in unseren Krawattenkollektionen wider. Wir haben uns von Ulm inspirieren lassen. Wir sprechen übrigens keine direkte Zielgruppe an. Upcycling hat kein Alter oder Geschlecht. Jeder ist willkommen!
Jana: Das haben wir im Gleis 44 gemerkt. Ältere Menschen haben sich mit uns über unsere Nähmaschinen unterhalten.
FRIZZ: Was hat es mit den Nähmaschinen auf sich? Sind die nicht alle gleich?
Jana: Man muss die Nähmaschine finden, die zu einem passt. Es gibt Nähmaschinen für feste Stoffe oder für Allrounder. Es ist besser, im Laden persönlich vorbeizugehen anstatt online zu bestellen, um die verschiedenen Modelle einmal auszuprobieren.
Ria: Ich verwende die Nähmaschinen von meiner Mutter und meiner Oma.
FRIZZ: Gerade mit Blick auf Nachhaltigkeit: Wie sollte die Textilindustrie der Zukunft funktionieren?
Ria: Mehr Transparenz! Konsumenten sollten erfahren, was sie kaufen. Die Firmen sollten sich mehr für die Umwelt einsetzen und CO2-Emissionen bei der Produktion verringern. Es reicht nicht, nur zu sagen: Bei so und so viel gekauften Stücken pflanzen wir einen Baum.
FRIZZ: Jacke wie Hose ist euer Herzensprojekt. Was macht ihr hauptberuflich und wie lässt sich das Label in den Alltag integrieren?
Jana: Wir investieren viel Zeit und Liebe in unser Label. Hauptberuflich arbeiten wir beide als Kommunikationsdesigner. Wir lieben die analoge Welt, Ausstellungsgestaltung oder Plakatdesign für Film und Fernsehen.
FRIZZ: Zukunftspläne?
Jana: Weitere Festivals, neue Locations und Kooperationspartner und vielleicht bald eine größere Kollektion.
[Frizz]
Jacke wie Hose_Upcycling
Label für Upcycling Events,
eigene Kollektionen
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