Die Eltern streiten und trennen sich. Wenn dabei Gewalt, sexueller Missbrauch oder Vernachlässigung im Spiel ist, brauchen Kinder besonderen Schutz beim Kontakt mit dem getrennten Elternteil. Der Kinderschutzbund (KSB) Ulm/Neu-Ulm hat für sie das Konzept „Kind im Zentrum“ entwickelt: Ein eigener Berater bespricht mit den Kindern die Begegnungen vor und nach; die Mädchen und Buben dürfen ihre Wünsche dafür äußern; die Treffen finden unter Aufsicht statt, und es wird darauf geachtet, dass die Regeln eingehalten werden. Zudem führt ein zweiter Berater Gespräche mit den Eltern.
„Die Kinder merken, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden“, sagt Bettina Müller, die Leiterin der psychologischen Beratungsstelle des KSB Ulm. 2016 haben sie und ihr Team das Konzept entwickelt. Die Erfahrungen sind so gut, dass das Projekt jetzt ausgeweitet wird auf Stuttgart und Mannheim. Möglich macht das eine dreijährige Projektförderung durch die SWR-Herzenssache. Müller ist überzeugt: „Unser Projekt hat das Potenzial, überregional – auf längere Sicht bundesweit – Modellprojekt zu werden.“

Wieder guter Kontakt zum Vater

„Die Idee ist gut. Wir haben Interesse daran, das Konzept weiterzutragen. Es geht darum, den Blick auf die Kinder zu richten“, sagte Beate Staatz vom KSB Stuttgart gestern in Ulm. Mitarbeiter aus Stuttgart und Mannheim waren hier zu einer Fortbildung über „Kind im Zentrum“ und um die entwickelten pädagogischen Materialien kennenzulernen. Laut Bettina Müller gibt es auch zahlreiche andere Anfragen.
Die Psychologin nennt ein Fallbeispiel: Ein gewalttätig gewordener Vater hatte sich mit seinen Söhnen (fünf und sieben Jahre) im Zuge der Trennung verschanzt. Der folgende Einsatz eines Sondereinsatzkommandos der Polizei traumatisierte die Kinder. Als sich der Vater nach zweijährigem Kontaktabbruch vor Gericht das Recht erstritt, seine Kinder sehen zu können, bereiteten KSB-Mitarbeiter die Jungs auf die Treffen vor und gestalteten sie so, wie die Kinder das wollten.
Seit 1,5 Jahren laufen laut Müller nun regelmäßige Begegnungen: „Die Kinder haben einen guten Kontakt zu ihrem Papa.“ Zudem habe sich gezeigt, dass der Vater eine psychische Erkrankung hat, weswegen er inzwischen in Behandlung ist.
Rund 25 Kinder hat der KSB Ulm pro Jahr auf diese Weise begleitet. Für jeden Fall gab es individuelle Lösungen. Für Bettina Müller ist es ein großer Fortschritt, dass durch das Konzept nicht mehr der Konflikt der Eltern, sondern die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen.