FRIZZ: Norbert, du spielst in deiner Freizeit gerne Tabletop-Spiele. Kannst du ganz kurz zusammenfassen, was das ist?
Norbert: Ganz runtergebrochen kann man sagen, das sind analoge Strategiespiele. Gespielt wird auf – teilweise sehr großen – Spielfeldern, auf denen du Gebäude, Hügel, Waldstücke und so weiter hast. Das erinnert dabei vielleicht ein bisschen an die Landschaften bei Modelleisenbahnen. Kleine Zinn- oder Plastikfiguren müssen in dieser Landschaft dann zum Beispiel Aufgaben erledigen oder gegeneinander kämpfen. Aktionen werden oft anhand von Würfelwürfen ausgeführt. Entfernungen, etwa für die Figurenbewegung, mit dem Maßband ausgemessen. Es gibt aber nicht DAS Tabletop-Spiel, sondern sehr viele verschiedene mit unterschiedlichen Geschichten und Regelsystemen. Ein sehr bekanntes System, von man vielleicht schon mal gehört hat, ist zum Beispiel „Warhammer“.
Das ist jetzt vielleicht eine blasphemische Frage, aber: Könnte man das runterbrechen und einfach sagen, du spielst Brettspiele?
Puh. Schwer zu sagen. Sind das Brettspiele? Wenn du es jemandem, der keine Berührungspunkte damit hat, erklären möchtest, kannst du das wahrscheinlich so angehen. Ob ich das so machen würde? Keine Ahnung. Ich spiele ja auch normale Brettspiele wie Risiko oder so. Letztendlich sind das für mich alles Spiele, einfach Spiele. Ohne Brett oder Tabletop davor. (lacht)
Wie bzw. wann hast du das Spielen als Hobby für dich entdeckt?
Ich hab natürlich als Kind auch Gesellschaftsspiele gespielt und ein Super Nintendo hatte ich ebenfalls. Analoge und digitale Spiele waren da also schon abgedeckt. Die ersten Schritte in eine andere Richtung, die auch etwas mit Fantasy zu tun hatte, machte ich zu meiner Zeit als Zivi in Ulm. Der Spielespatz hieß damals noch Morgenland und da bin ich ein bisschen in das Sammelkartenspiel „Magic“ eingestiegen. Da haben mich die Bilder und eben diese Fantasygeschichte fasziniert.
Der Grundstein war da also gelegt?
Kann man so sagen. An Modellbau bzw. -figuren war ich auch schon vorher interessiert, bin da aber nie groß eingestiegen. Das kam erst, als mein Sohn auf die Welt kam. Da war ich viel am PC und hab dort gespielt. Stell dir das ungefähr so vor: Ich sitze vor dem Computer und bewege mit der Maus irgendwelche Einheiten in „Age of Empires“. Währenddessen halte ich im linken Arm aber meinen Sohn. Da dachte ich mir dann: „Na, ob das jetzt so schlau ist?“ (lacht) Zu der Zeit gab es gerade ein Spiel, das ähnlich wie „Magic“ funktionierte, nur eben mit Figuren. Die waren auch hübsch bemalt. Da hab ich mich dann gefragt, ob ich das nicht auch hinbekommen könnte.
Und dann? Farbe kaufen und los geht’s?
(lacht) Im Prinzip schon. Das Basteln und Umbauen hat mir Spaß gemacht, aber richtig los ging es dann, als „Herr der Ringe“ in die Kinos kam. Dazu gab es ein Sammelheft, das alle zwei Wochen erschien. Im einen Heft waren Figuren, im nächsten Farben, dann Würfel und so weiter. Daneben wurde alles erklärt, also auch das Spielsystem an sich. Irgendwann kam ich dann drauf, dass es vielleicht schlauer ist, wenn ich mir einfach direkt eine Starterbox kaufe, als alle zwei Wochen drei Euro auszugeben.
Was spielst du heute?
Viele verschiedene Systeme, Kampagnen und Szenarien. Am liebsten, wenn es in Richtung Historisches geht. In der Übermorgenwelt im Fort Albeck, wo sich viele Tabletop-Interessierte treffen, wird zum Beispiel meist im Bereich Fantasy gespielt. Letztlich sind da die Übergänge aber ja fließend.
Von Fantasy zum Historischen?
Genau. Nimm zum Beispiel „Dracula’s America“. Das spielt im Wilden Westen kurz nach dem Bürgerkrieg mit allem, was dazugehört: Cowboys, Saloons und Postkutschen. Du kannst das im Prinzip so historisch akkurat spielen, wie du möchtest. Der Clou ist aber, dass du eben auch Übernatürliches mit drin hast. Dracula hat sich in dem Szenario zum Präsidenten auf Lebenszeit erklärt, was dafür sorgt, dass Monster und geheime Kulte auf der Bildfläche erscheinen. Dazu habe ich auch das hier gebaut (zeigt auf das Spielbrett neben sich).
Gerade, wenn du dich da in historischen Szenarien bewegst und dich mit der Epoche beschäftigst, lernst du doch bestimmt auch einiges.
Ja. Wenn ich daran denke, was ich früher in der Schule gelernt habe, ist das pillepalle. (lacht) Was ich jetzt durch die Spiele, die Szenarien oder bei der Recherche für das Anmalen der Figuren aufgeschnappt habe, ist echt krass. Übrigens auch was lokale Geschichte angeht.
Da könnte man doch was machen. Ein Tabletop-Spiel, das in Ulm spielt.
Auf jeden Fall. Wir hatten kürzlich eine Spielrunde und einem Kumpel von mir hat das System so gut gefallen, dass er da jetzt eine Geschichte mit Ulmer Landsknechten machen möchte. Da schauen wir, ob wir dieses Jahr vielleicht ein Demospiel hinbekommen. Ich hab selbst auch noch den Traum irgendwann etwas mit Steinzeitmenschen zu machen. Das in Verbindung mit dem Lonetal oder dem Hohlen Fels bei Schelklingen.
Gibt es neben Spaß und dem Lernaspekt noch mehr, was dich an dem Hobby begeistert?
Für mich ist das natürlich auch ein Ausgleich. Ich turne ja den ganzen Tag den Kran hoch und runter. Da ist die Frage: „Was machst du abends?“ Ich könnte mich aufs Sofa legen und fernsehen oder ich setz mich an den Tisch und bastel für ein, zwei Stunden an meinen Sets. Für mich ist es dann eher Zweiteres. Dazu läuft dann das Radio oder ein Hörbuch. Da kann ich sehr gut abschalten und was Sinnvolles kommt dabei auch noch raus.
Und Videospiele finden bei dir gar nicht mehr statt?
Ne. Wobei – wir haben an Silvester das Super Nintendo rausgekramt. Das war schon spaßig. Aber nicht so, dass ich jetzt in – meinetwegen – World of Warcraft eintauche und jeden Abend heißt es: „Bitte nicht stören. Ich bin grad im Raid.“ (lacht) Und eine Sache darfst du nicht vergessen: Tabletop ist eigentlich nichts anderes als ein Videospiel, nur eben analog.
Vom Regelsystem her?
Auf jeden Fall. Aber auch, was Story und so weiter angeht. Es gibt Geschichten, in die kannst du richtig abtauchen, ähnlich wie bei Büchern, Filmen oder eben Videospielen. Wenn einem Spiel das gelingt, dann ist das der Hammer. Und das Zwischenmenschliche kommt auch noch dazu. Du spielst ja immer mit anderen am selben Tisch. Das ist ein wichtiger Aspekt von Tabletop für mich.
Apropos: Du bist auch Teil der Ulmer Strategen. Wer ist das?
Das ist ein loser Verbund von Leuten, die Spaß an Tabletop und allem, was damit zusammenhängt, haben. Für unser Hobby treffen wir uns in der Übermorgenwelt. Da tauschen wir uns aus, bestellen mal ne Pizza und spielen eben Tabletop-Kampagnen. Wir veranstalten außerdem Turniere und waren auch an der letztjährigen „Über-Cat-Con“ beteiligt.
Gibt es neben den Ulmer Strategen bzw. der Übermorgenwelt eigentlich noch andere Angebote, was Tabletop angeht?
Einiges, ja. Da beneiden uns auch viele aus anderen Städten drum. Wenn ich wollte, könnte ich jeden Tag woanders hingehen und spielen. Eben in die Übermorgenwelt. Aber auch ins Hexenhaus oder in den Donauturm. Und in den Läden, also im Spielespatz oder im Imp’s Shop kannst du auch spielen. Das Angebot hier kann sich schon sehen lassen.
Wenn du das schon so lange betreibst, hast du da doch sicher einen Haufen Geld reingesteckt.
Ich hab da eine etwas andere Rechnung. Im Zivildienst hab ich mit dem Rauchen aufgehört. Die fünf Mark hab ich dann in die Ersatzdroge „Magic“ und das, was danach kam, gesteckt. Sprich: Alles, was ich an Figuren, Häusern, Regelbüchern und so weiter habe, wäre eigentlich in Rauch aufgegangen. Von daher sehe ich es so, dass ich kein Geld verloren hab.
Würdest du sagen, du bist ein Nerd?
Ja, … aber nur ein ganz kleiner. (lacht) Ich glaub mein Nerd-Patent hab ich schon allein deshalb verloren, weil ich bestimmte Serien auf Netflix noch nicht gesehen hab.
Wenn wir schon dabei sind: Wie ist denn die Außenwahrnehmung von Tabletop?
Ich glaube, die hat sich in den letzten Jahren etwas geändert. Das gilt aber für viele Dinge, die man vielleicht in so eine „Nerd-Richtung“ schieben könnte. Dazu hat sicherlich auch sowas wie die Serie „Big Bang Theory“ beigetragen. Aber es ist natürlich trotzdem noch eine Nische. Und die ganze historische Geschichte im Tabletop ist dann sogar nochmal eine Nische in der Nische. Letztlich ist es ja wie mit allem: Es gibt Leute, die mögen es, und Leute, die können damit nichts anfangen. Ich denke mir einfach: „Man muss sich keinen Vorwurf machen, wenn man was macht, was einem Spaß macht.“
[frizz]
Zur Person:
Norbert Bausch kommt aus Ehingen. Als Mechaniker ist er in einem großen Unternehmen in der Produktion tätig. Wenn er nicht gerade auf Kräne klettert, widmet sich der 48-Jährige dem Thema Tabletop oder der Musik. Er spielt unter anderem in der Band „Mental Freeze“.
Schlagwörter
Herr der Ringe