In diesem Jahr jährte sich zum 75. Mal der Todestag der Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose, unter ihnen die Geschwister Hans und Sophie Scholl. Das Gedenken wird nicht einfacher – viele Zeitzeugen leben nicht mehr oder sind zu gebrechlich, um ihre Erfahrungen persönlich an die junge Generation weiterzugeben. Die Gedenktage drohen in ritualisierten Abläufen zu erstarren. Zugleich ist aber gerade heute, in Zeiten von zunehmendem Nationalismus, ein Erinnern wichtiger denn je. Daher hat es sich unsere Schule zum Ziel gesetzt, mit vielfältigen Projekten aufzurütteln: Eine Herz und Verstand ansprechende Auseinandersetzung mit der Weißen Rose soll die unveränderte Bedeutung der Widerstandsgruppe vermitteln. Heuer gab es einige ganz besondere Aktionen:
Ansprache Einige Minuten vor der großen Pause am 22. Februar ließ uns eine über Lautsprecher verbreitete Ansprache der Schulleiterin innehalten. Karin Höflinger-Schwarz betonte, wie sehr sie die Taten der Weißen Rose bewundere. Allerdings sagte sie ebenfalls: „Es schmerzt mich aber auch sehr, wenn ich daran denke, dass Eltern ihre Kinder, Geschwister den Bruder und die Schwester und Mitstreiter die Freunde auf so unsinnige Weise verloren haben. Was hätten sie für ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung führen können.“ Sie beendete ihre Rede mit den Worten von Christoph Probst: „Über Geist und Seele kann niemand bestimmen. Sie bleiben immer frei.“
Nach der Pause versammelten sich die Schüler zu einer ökumenischen Andacht im Musiksaal, die von Oberstufenschülern unter der Leitung der Lehrer Andrea Mark und Jürgen Kordon gehalten wurde. Hier konnte man zur Ruhe kommen und darüber nachdenken, was die Weiße Rose bewirkt hat. Zu Beginn wurde ein Lied gesungen, das von Dietrich Bonhoeffer – ebenfalls Widerstandskämpfer und Opfer des Hitlerregimes – stammt und dessen Titel die aufrechte Haltung von Hans und Sophie Scholl auch im Angesicht des bevorstehenden Todes erklären mag: „Von guten Mächten treu und still umgeben.“
Anschließend informierten die Oberstufenschüler über das Leben und Wirken der Scholl-Geschwister. In einer von Klavierspiel begleiteten Schweigeminute schrieben die Schüler ihre Gedanken zur Weißen Rose auf. Zum Beispiel: „Wir sollten alle den Mut haben und wenigstens versuchen, für das einzustehen, was uns etwas bedeutet.“
Straßenbahn Fünftklässler waren am Morgen des 22. Februar in der der Hans Scholl-Straßenbahn der Linie 1 nach Söflingen unterwegs. Sie stellten sich den anderen Fahrgästen vor: „Wir sind Schüler und Schülerinnen des Hans und Sophie Scholl-Gymnasiums. Heute vor 75 Jahren wurden die Namensgeber unserer Schule und ihr Freund Christoph Probst, ein weiteres Mitglied der Widerstandsgruppe ‚Weiße Rose’, wegen ihrer Flugblätter gegen das nationalsozialistische Regime hingerichtet.
Mit unserer Aktion wollen wir ihrer gedenken und sie wegen ihres Mutes und ihrer Überzeugung ehren. Deshalb haben wir diese weiße Rose für Sie gebastelt und wollen sie Ihnen zusammen mit einem Zitat aus den Flugblättern schenken.“ Zuvor hatten die Schüler geübt, wie man höflich an die Mitfahrenden herantritt und was man tun kann, wenn Leute die Rose ablehnen oder sich wegdrehen, was aber nur selten vorkam.
Die meisten hörten den Schülern allerdings aufmerksam zu und lasen mit Interesse das an ihrer Rose befestigte Zitat. Viele zeigten sich neugierig und wollten mehr zu dem Aktionstag wissen, manche fragten gar nach der Bastelanleitung für die aus einem quadratischen Stück weißen Papiers gefertigten Rosen. Eine Frau erzählte: „Ich habe diese schreckliche Zeit selber miterlebt.“ Eine andere sagte, sie bewundere den Mut der Weißen Rose. Dass sich so viele junge Menschen noch für das Schicksal der jungen Widerstandskämpfer interessieren und sich mit deren Geschichte beschäftigen, fanden viele Fahrgäste bemerkenswert.
Unterrichtsstunde Anlässlich des Gedenktages haben vier Schülerinnen und Schüler der Klasse 8a eine Unterrichtsstunde und einen kleinen Film über die Geschwister Scholl für ihre jüngeren Mitschüler aus der Klasse 6a vorbereitet. Die Achtklässler berichteten vom Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen, um anschließend zur Kindheit von Hans und Sophie Scholl überzugehen. Auch über deren anfängliche Begeisterung für die Hitlerjugend und die Gründe für ein allmählich entstehendes Unrechtsbewusstsein und den Entschluss zum Widerstand wurde gesprochen.
Es folgten weitere Informationen zum Leben und vor allem auch zum Tod von Hans und Sophie Scholl. Im Anschluss daran führte ein von zwei Achtklässlern selbst gedrehter Film nochmals die letzten Stationen im Leben der Geschwister Scholl gleichsam aus deren eigener Sicht vor Augen. Die Schüler waren von den Namensgebern ihres Gymnasiums beeindruckt. Der von einer Schülerin geäußerte Wunsch „Ich würde sie gern treffen“ muss allerdings unerfüllt bleiben.
Plakate In Form von Inschriften, Mosaiken und einer Statue wird in unserem Schulhaus, das einst von der jungen Sophie besucht worden war, an mehreren Stellen der Geschwister Scholl, aber auch der anderen Mitglieder der Weißen Rose gedacht. Während man im Alltag jedoch meist gedankenlos daran vorbeihastet und auch die Infotafeln im Gebäude unbeachtet lässt, wurden sie im Februar 2018 durch Plakate mit Zitaten und Flugblättern der Widerstandsgruppe ergänzt und ganz gezielt in den Blick genommen.
Immer wieder traf man in den Gängen und Treppenhäusern auf Schülergruppen aller Stufen, die sich konzentriert und nachdenklich verschiedenen Arbeitsaufträgen zur Weißen Rose widmeten. So wurden beispielsweise die Portraits der Geschwister skizziert, Gedanken zu ihrem Leben und Wirken aufgeschrieben und aussagekräftige Zitate gesammelt. Sehr oft wurden zum Beispiel der Appell der Widerstandsgruppe „Beweist durch Tat, dass ihr anders denkt“ und die Feststellung „Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht“ festgehalten.
Gedenkbuch Weiße Rosen – in Vasen, vor brennenden Kerzen, neben dem Gedenkbuch, auf Treppenstufen und an Pullovern angesteckt. Niemand sollte übersehen, dass der 22. Februar ein ganz besonderer Tag für das Hans und Sophie Scholl-Gymnasium ist. Jeder sollte die Gelegenheit haben, auf seine Weise der Namensgeber unserer Schule zu gedenken.
Von Weitem waren die Zitate aus den Flugblättern der Weißen Rose in den Fenstern des Schulgebäudes erkennbar. Im Hof begrüßte ein Banner der Arbeitsgemeinschaft Fotografie die Schüler: Eine große Rose mit eingearbeiteten Bildern von Hans und Sophie Scholl vor dem Hintergrund von Schüler- und Lehrerfotos setzt ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir das Geschwisterpaar nicht nur im Schulnamen führen. Wir wollen in Erinnerung an Haltung und Zivilcourage der beiden versuchen, die Werte der Weißen Rose immer wieder aufs Neue mit Leben zu füllen.
Wofür Hans und Sophie Scholl stehen, riefen Schüler der Kleinen Theater-AG in den Pausen durch Vorträge aus den Flugblättern und ein Nachspielen der Gerichtsverhandlung ins Bewusstsein: „Wir schweigen nicht, wir sind euer böses Gewissen.“ Auch die Einträge in einem Gedenkbuch zeigen, dass die Botschaft der Weiße Rose weiterhin Gehör findet. Es ist zum Beispiel zu lesen: „Wir danken euch für eure Taten, mit denen ihr einen Unterschied gemacht habt.“
„Es lebe die Freiheit“
Ulm Hans und Sophie Scholl (geborgen am 22. September 1918 und 9. Mai 1921) lebten in ihrer Jugend mehrere Jahre in Ulm, wo Sophie die Mädchenoberrealschule (heutiges Scholl-Gymnasium) besuchte.
Widerstandsgruppe Gegen den Willen ihrer christlich geprägten Eltern traten zunächst beide in die Hitlerjugend ein. Bestürzt durch die Gräueltaten der Nazis, die auch vor befreundeten Juden nicht Halt machten, gründeten Hans Scholl und Alexander Schmorell im Juni 1942 die Widerstandsgruppe Weiße Rose, der sich auch Sophie und weitere Gleichgesinnte anschlossen.
Prozess Am 18. Februar 1943 wurde ihnen eine Flugblattaktion an der Universität München, wo die Geschwister studierten, zum Verhängnis. Sie wurden gefasst und vier Tage später in einem Scheinprozess wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet. „Es lebe die Freiheit“ waren die letzten Worte von Hans. Sie wurde ihm und seinen Mitstreitern der Weißen Rose nicht mehr zuteil.