Die Staatsanwaltschaft Ulm hat einen Haftbefehl gegen eine Krankenschwester der Kinderklinik der Ulmer Uniklinik beantragt. Ihr wird versuchter Totschlag an fünf Frühgeborenen und Neugeborenen vorgeworfen.
In den frühen Morgenstunden des 20. Dezember 2019 litten fünf Früh- und Neugeborene in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm fast gleichzeitig an lebensbedrohlichen Atemproblemen. Die Babys seien gemeinsam in einem Zimmer untergebracht gewesen, teilte die Polizei mit. Weil das Personal sofort eingegriffen habe, seien die Atemprobleme der Babys nach bisherigen Erkenntnissen folgenlos geblieben.

Frühchen in Ulm: Uniklinik stellt Rückstände von Morphin fest

Als Ursache sei zunächst eine Infektion vermutet worden, die nach Urinuntersuchungen ausgeschlossen werden konnte.
In den Urinproben aller Kinder seien jedoch Rückstände von Morphin festgestellt worden. Da zwei der Kinder im Rahmen der Notfallversorgung laut Akten kein Morphin verabreicht worden war, habe sich die Leitung des Universitätsklinikums Ulm nach Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse Mitte Januar an die Polizei gewandt. Die Uniklinik bestätigte die Vorfälle in einer eigenen Pressemitteilung.
Frühchen in der Kinderklinik Ulm werden unter anderem in Inkubatoren betreut. (Symbolbild)
Frühchen in der Kinderklinik Ulm werden unter anderem in Inkubatoren betreut. (Symbolbild)
© Foto: Volkmar Könneke
Andere Medien wie etwa der Spiegel hatten von einer Vergiftung der fünf Frühchen in Ulm mit Morphium geschrieben. Die Begriffe Morphin und Morphium werden allerdings synonym verwendet.

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen Krankenschwester

Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Ermittlungen aufgenommen. Die Ermittler würden derzeit die Behandlungsunterlagen sowie das Betäubungsmittelbuch auswerten, so die Polizei.
Auf Anordnung des Amtsgerichts Ulm haben die Ermittler am Dienstagvormittag „sechs Objekte bei Personen“ durchsucht, die im fraglichen Zeitraum Dienst auf der Frühgeborenenstation hatten. Dabei wurde in einem Spind in der Umkleide des Klinikums eine Spritze mit Muttermilch gefunden, die nach den ersten Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchung Morphin enthält.

Klinik entschuldigt sich bei den Eltern und Kindern

„Wir bedauern es sehr, dass es zu einem solchen Zwischenfall gekommen ist und entschuldigen uns ausdrücklich bei den Eltern und Kindern dafür. Die Sorge der Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder können wir alle sehr gut nachempfinden“, sagte Professor Udo Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor der Klinik in einer Pressemitteilung.
Die Tatverdächtige wurde laut der Mitteilung noch am Mittwochabend dem Haftrichter des Amtsgerichts Ulm vorgeführt.
Die Kinderklinik der Uniklinik Ulm.
Die Kinderklinik der Uniklinik Ulm.
© Foto: Ralf Zwiebler

Kinderklinik der Uniklinik Ulm: Gute Bewertungen im April 2019

Nach eigenen Auskünften auf der Homepage der Kinderklinik hat die Abteilung der Uniklinik 400 Mitarbeiter. Den Angaben nach hat die Kinderklinik in den Bereichen „Knochenmark- und Stammzelltransplantation, Tumor-, Leukämie- und Bluterkrankungen, Immundefekte, Neu- und Frühgeborenenmedizin und Hormonerkrankungen mit Diabetes eine hohe internationale Reputation“. Weitere Spezialbereiche sind Herz-Kreislauferkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Nierenerkrankungen sowie Mukoviszidose. Es gibt „flächendeckend“ Mutter-Kind-Einheiten.
Noch im vergangenen Jahr hatte die Kinderklinik an der Uniklinik Ulm gute Bewertungen für ihre Arbeit bekommen. Im April 2019 war allerdings auf einen Personalengpass hingewiesen worden. Zum damaligen Zeitpunkt hatte es aber auch geheißen, dass die Qualität der Versorgung unter diesen Problemen nicht leide.

Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie Uniklinik Ulm

Polizei und Staatsanwaltschaft informierten darüber, dass sie sich am Donnerstag, 30. Januar, um 11 Uhr, in einer Pressekonferenz weiter zu dem Fall äußern wollen. Zudem plant die Uniklinik eine Pressekonferenz am Nachmittag um 15 Uhr.
Auf der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft wurden unter anderem Details zum Alter der fünf betroffenen Frühgeborenen genannt. Sie sollen einen Tag bis einen Monat alt gewesen sein. Die vermeintliche Tat - die Verabreichung von mit Morphin versetzter Muttermilch - soll sich während einer Nachtschicht im Dezember ereignet haben. Zu diesem Zeitpunkt sollen nach Angaben der Staatsanwaltschaft sechs Personen tätig gewesen sein: vier Pflegerinnen und zwei Ärztinnen. Eine der Pflegerinnen sei nun in Untersuchungshaft, hieß es weiter.

Uniklinik hat Hotline für Eltern geschaltet

Für medizinische Rückfragen von Eltern und Angehörigen hat das Universitätsklinikum Ulm eine Telefon-Hotline eingerichtet. Diese ist unter der Nummer (0731) 500 444 04 zu erreichen.

Mit Morphin vergiftete Frühchen: Fall sorgt für nationales Aufsehen

Der Fall an der Kinderklinik Ulm sorgt für nationales Aufsehen. Alle überregionalen Medien wie bild.de, sz.de, faz.net oder auch rtl.de berichteten am Mittwochabend über den Fall der fünf von einer Krankenschwester mit Morphin behandelten Babys.

Update vom 3.2.2020: Tatverdächtige Krankenschwester aus U-Haft entlassen

Am Montag, 3.2.2020, wurde bekannt, dass die bis dahin tatverdächtige Krankenschwester aus der Untersuchungshaft entöassem worden sein soll.