Ein Gespräch mit Gudrun Graichen, Ethnologin und seit 20 Jahren Kunstvermittlerin im Museum Brot und Kunst Ulm, das über eine erstaunliche und herausragende Sammlung klassischer und zeitgenössischer Werke rund ums Thema Brot und Ernährung verfügt.
FRIZZ: Liebe Gudrun, was macht eigentlich eine Kunstvermittlerin? Lässt du die Bilder sprechen?
Gudrun Graichen: In gewisser Weise! Wenn man zusätzliche Informationen und Sachverhalte zu einem Kunstwerk erklärt bekommt, eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Natürlich kann man empathisch oder assoziativ an ein Bild herangehen. Aber manchmal erschließt sich einem etwas nicht allein über die Sinne. Ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene: Zunächst lasse ich mir beschreiben, was überhaupt zu sehen ist. Gerade bei Kindern ist mir dabei die Sprachbildung auch sehr wichtig – ich bitte sie, einen vollständigen Satz zu bilden und die Dinge möglichst konkret zu benennen. Nicht nur „so ein Ding da“. Kommunikation ist für mich elementar, wenn es um das alltägliche Zusammenleben geht. Daher ist für mich Kunstvermittlung viel mehr, als nur die Kunst besser zu verstehen.
Kannst du mir ein Beispiel nennen aus der Sammlung?
Bei dem Werk „Arm und Reich“ habe ich Folgendes erlebt. Es zeigt zwei Männer, einen mit leeren Händen, der andere mit einer reich gedeckten Tafel vor sich. Einer der beiden ist etwas abgerissen, der andere offensichtlich wohlhabender. Wie gehen diese beiden Männer mit dem um, was sie vor sich haben? Es ist immer sehr spannend, dabei die Besucherinnen und Besucher zu fragen: Worum geht es hier denn eigentlich? Was machen die? Denn die Botschaft ist eigentlich sofort klar. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit.
Was hat dich in deiner Arbeit im Museum bisher besonders überrascht?
Wir haben ein Werk von Fritz Gärtner, eine Industrielandschaft, Anfang des 20. Jahrhunderts, es zeigt rauchende Schlote, im Vordergrund die goldenen Ähren zu Garben gebunden. Ich habe eine Kindergartengruppe gefragt: Welches Bild gefällt euch in diesem Raum am besten? Mehrere der Kinder zeigten einstimmig auf das Bild. Warum? Es lag an den Farben! Strahlendes Goldgelb im Vordergrund, ein leuchtendes rotes Feuer inmitten der Industrielandschaft. Ich habe erkannt: Was die Kinder begeistert und anspricht, sind die Farben. Erwachsene haben oft schon bestimmte Assoziationen im Kopf – Globalisierung, Klima- und Energiekrise. Kinder sind da ganz unvoreingenommen.
Ich habe gehört, dass durch das Museum immer wieder eine menschengroße, blaue Maus geistert. Was hat es denn damit auf sich?
Mäuse fressen gerne Brot, und beim Salzstadel handelt es sich ja um einen ehemaligen Speicher. Einerseits hat die Maus also direkt mit dem Museum zu tun, andererseits bildet das Maus-Icon hier im Haus die Orientierung für die Audio-Guides für Kinder. Das Kostüm hat ein Stuttgarter Maskenbildner gemacht. Und die Kinder finden die Maus super! Sie ist ein toller Einstieg in die Vermittlung.
[frizz]
Weitere Infos:
Museum Brot und Kunst
Forum Welternährung
Salzstadelgasse 10
89073 Ulm