Würden Landwirte auf der ganzen Welt nur eine minimale Schicht Humus auf ihren Böden entstehen lassen, könnte dadurch der Treibhauseffekt eingedämmt werden. „Wir wären bescheuert, wenn wir den Humusaufbau nicht zur zentralen Aufgabe der Landwirtschaft machen würden“, sagte Dr. Felix zu Löwenstein zur Problematik des Klimawandels. Denn im organischen Humus wird Kohlendioxid gebunden, liegen Pflanzennährstoffe in verfügbarer Form vor, was die Bodenfruchtbarkeit erhöht, und Regenwasser wird besser gehalten.
Der Agrarwissenschaftler, überzeugte Ökolandwirt und vor allem Kritiker der industriellen Landwirtschaft sprach allerdings in der Konditionalform „wären“ und „würden“. Denn das, was theoretisch so einfach klingt, ist in der Praxis nicht so leicht umsetzbar. „Wohin steuert die Landwirtschaft? Die Zukunft liegt in stabilen Systemen!“, lautete der Titel seines Vortrags.

Teufelskreis für Landwirte

Anlass war das zehnjährige Bestehen des Genfrei-Bündnisses (um) Ulm. 2008 hatten Umweltverbände, Landwirte und Konsumenten unter der Federführung des BUND ein Bündnis gegründet, das nicht nur die grüne Gentechnik, sondern auch den Schutz der gesamten Nahrungs- und Ernährungskette vom Trog bis auf den Teller im Blick hatte.
Diese Kette, oder besser den Teufelskreis, aus dem die konventionellen Landwirte kaum mehr herauskommen, sprach auch zu Löwenstein an: Das jetzige Agrarsystem schreibe vor, wie Fleisch, Milch und Plantagen-Obst im großen Stil erzeugt werden sollen. Das führe zum Preisverfall, zur falschen Ernährung und letztlich zu immensen Gesundheitskosten.

Vieles im Argen

Diverse Welthandelsabkommen machen die Situation nicht besser: Wenn das Fleisch aus Massentierhaltungen der USA exportiert wird, könnten hiesige Landwirte preislich nicht mehr mithalten. „Der Deutsche Bauernverband hätte eigentlich ganz vorne bei der TTIP-Demo mitlaufen müssen“, sagte zu Löwenstein rückblickend.
Was die sensible Natur selbst betrifft, sieht der Landwirt, der seinen Hof bereits 1992 auf die Anbaurichtlinien von „Naturland“ (Verband für ökologischen Landbau) umgestellt hat, vieles im Argen: Der Einsatz von Herbiziden zur großflächigen Unkrautvernichtung und das Ausbringen von Insektiziden zur Schädlingsbekämpfung führten dazu, „dass immer mehr Ökosysteme zusammenbrechen“, klagte der Buchautor (siehe Infokasten).
Und erst der Stickstoff-Mineraldünger. Von der gedüngten Menge lande nur etwas mehr als die Hälfte in Form von Eiweiß in den Pflanzen. Der Rest belaste das Grundwasser. Ganz zu schweigen von der vielen Gülle als weitere Stickstoffquelle. Das Nitrat gelangt über die Flüsse in die Meere und düngt die Algen, deren Biomasse im Untergrund wiederum zu Sauerstoffmangel führt. „Ein Viertel des Ostseebodens ist tot.“ Chemische Umwandlungen des Nitrats bewirken zudem, dass gasförmige Stickoxide frei werden, die zum Anstieg der Treibhausgase führen. Löwenstein: „Die Landwirtschaft ist ein prominentes Opfer des Klimawandels und zugleich der Täter.“
Wie man alles richtig macht, dazu lieferten beim Ökomarkt vor und nach dem Vortrag im Haus der Begegnung regionale Organisationen buchstäblich Kostproben: Die Naturfreunde Ulm boten „Gsälz“ vom stabilen System Streuobstwiese an, eine Biolandmetzgerin hatte Feuerkracher und Pfefferbeißer von glücklichen Schweinen dabei, und der Ulmer BUND forderte, „die Sau rauszulassen“ – bezüglich artgerechter Tierhaltung.

Das könnte dich auch interessieren:

Träger des Bundesverdienstkreuzes

Familie Felix Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, 64, lebt im südhessischen Otzberg-Habitzheim und ist mit Elisabeth Gräfin von Meran verheiratet. Den nach den Richtlinien von „Naturland“ bewirtschafteten Hof hat er inzwischen an eine seiner sechs Töchter übergeben.
Ehrenämter Der studierte Agrarwissenschaftler ist Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft und Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Im Jahr 2011 veröffentlichte er sein Buch „Food Crash“, ein Plädoyer für die ökologische Landwirtschaft. 2016 erhielt er für sein Engagement im Ökolandbau das Bundesverdienstkreuz am Bande.