Seit im Mai illegal ein Schwertransporter mit etwa 77 Tonnen die ohnehin schon marode Gänstorbrücke überquerte, hat sich ihr Zustand nochmals verschlechtert. „Da ist jetzt ein richtiger Knick in der Brücke“, berichtete Gerhard Fraidel am Dienstagabend im Bauausschuss des Ulmer Gemeinderats. Laut dem Zuständigen für die Verkehrsinfrastruktur ist allerdings unklar, ob das Auswirkungen auf die Lebensdauer des Bauwerks hat – eine von nur drei autotauglichen Donau-Brücken im Stadtgebiet.

Brücke sperrt sich automatisch

Zur Sicherheit werden die Uferstädte Ulm und Neu-Ulm ihr Alarmsystem verschärfen. Sollten in der Brücke statische Veränderungen auftreten, wird sie automatisch für den Verkehr gesperrt. In den kommenden Tagen wird das Bauwerk mit einer entsprechenden Ampelanlage ausgestattet. Sie ist Teil des so genannten Monitoringsystems, das inzwischen in die Brücke eingebaut ist. „Die Brücke wäre dann im Fall einer Auffälligkeit eine bis höchstens 48 Stunden gesperrt“, erklärte Fraidel.
Diese Zeitspanne gehört den Statik-Spezialisten, die dann zu prüfen haben, wie gravierend die etwaigen Belastungen im Gefüge des Bauwerks zu bewerten sind. Dazu stehen ihnen die Daten der Echtzeit-Überwachung zur Verfügung. In der Gänstorbrücke sind aktuell jede Menge Sensoren verbaut: Sie messen die Temperatur, die Dehnungsänderungen an den Spannstählen und hören die Brücke ab. Alleine 36 Akustik-Sensoren lauschen, ob es Betonrisse oder, noch schlimmer, Stahlbrüche gibt.

Wie geht es mit der Brücke weiter?

Vorhersagen, wie sich die Schäden an der 1950 gebauten Brücke weiter entwickeln könnten, kann derzeit niemand treffen. „Wir wissen, der Zustand ist schlecht“, sagte Fraidel. Immerhin habe die unerlaubte Überfahrt des Schwertransports gezeigt, dass die Überwachungsanlage in der Brücke funktioniere.
Derzeit hat die von der Korrosion geplagte Donaubrücke, ständige Überwachung vorausgesetzt, eine Betriebsgenehmigung bis 2024. Sollten vorher schwerwiegende Probleme auftreten, müsste die Maximallast weiter reduziert werden – aktuell ist sie auf 24 Tonnen im zweispurigen Gegenverkehr begrenzt. Eine von der Verwaltung verfolgte Verstärkung der Brücke ist aus  Sicht Fraidels nicht sinnvoll: ohne Erfolgsgarantie, zu teuer und nur unter einer Vollsperrung von vier bis sechs Monaten zu realisieren.
Vom Ausschuss holten sich der Verkehrsexperte und sein Chef, Baubürgermeister Tim von Winning, stattdessen das Go für die Planung einer Behelfsbrücke in Modulbauweise. Diese verspricht nach Auffassung der Verwaltung im Ernstfall, wenn Teilbauwerke der Gänstorbrücke ganz aus dem Verkehr gezogen werden müssen, schnelle Hilfe. Allerdings nur, wenn jetzt im Vorfeld bereits alle naturschutz- und wasserrechtlichen Rahmenbedingungen geklärt würden.

Einspurige Behelfsbrücke

Platz für der Behelfssteg sehen die Verkehrsplaner direkt neben der Problembrücke. Auf der Westseite (also stromaufwärts) könne die fünf Meter breite, einspurige Übergangslösung gebaut werden und dann gegebenenfalls den Verkehr in eine Fahrtrichtung aufnehmen. Fraidel: „Diese Behelfsbrücke könnte uns natürlich auch in der Neubauzeit helfen.“
Belastbare Aussagen zu Bau-, Miet- und Planungskosten kann die Bauverwaltung derzeit noch nicht geben. Fürs laufende und kommende Jahr stimmte der Ausschuss einer Planungsrate von insgesamt 150.000 Euro zu. Von Winning betonte: „Das ist für uns ein Notfall-Szenario. Wir gehen davon aus, dass wir die Brücke bis zum Neubau halten können.“

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Ein halbes Kulturdenkmal

Denkmalschutz Die zum Abriss vorgesehene Gänstorbrücke zwischen Ulm und Neu-Ulm ist ein Kulturdenkmal – zumindest zur Hälfte. So wenig die Ulmer und Neu-Ulmer die Donau noch als Grenze wahrnehmen, so starr kann sich die in ihrer Mitte laufende Landegrenze verwalterisch auswirken. „Das hört sich jetzt vielleicht wie ein Witz an, aber die Gänstorbrücke steht bis zur Flussmitte unter Denkmalschutz“, sagte Baubürgermeister Tim von Winning in der Sitzung des Bauausschusses. Während den bayerischen Denkmalschützern die Hälfte auf Neu-Ulmer Seite nicht denkmalwürdig erschien, hatte das Landesamt für Denkmalpflege auf baden-württembergischer Seite der Ulmer Verwaltung mitgeteilt, dass ihre Hälfte als geschützt zu bewerten sei. Tim von Winning will bei der Landesbehörde nun explizit eine Abrissgenehmigung für seine Hälfte des maroden Brückenbauwerks erwirken.
Neubau Derweil beschäftigt sich die Verwaltung mit der künftigen Brücke. Am Dienstagabend brachte der Bauausschuss den Architektenwettbewerb auf den Weg. Bis April soll klar sein, wer den Auftrag erhält. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass die neue Brücke bis 2024 fertiggestellt werden kann.