Entsetzen sieht anders aus. Als Gunter Czisch am Freitag in seinem Büro die Niederlage Ulms im Ringen um die Bundeszuschüsse für die Batterieforschungsfabrik erklärte, war die Stimmung gelöst. Denn der offensichtlich von der Telefondiplomatie etwas abgespannte Ulmer OB fühlt sich trotz der Absage an Ulm als moralischer Sieger: „Wir waren Platz 1 und mit unserer Bewerbung hervorragend aufgestellt. Ich glaube deshalb, behaupten zu können, dass es von Expertenseite ein deutliches Votum für uns gab.“
Czisch erkennt zwar an, dass die nun von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek ins Feld geführten „strukturpolitischen Erwägungen nicht ganz neben der Sache“ liegen. Dennoch sagt er: „Wir haben aber schon erwartet, dass aus einem fachlichen Votum auch ein politisches wird.“
Ulm stellt Forderungen an Berlin
Anders formuliert: Aus der Berliner Entscheidung für Münster leitet er Ansprüche ab. „Wir erwarten, dass wir nun eine andere maßgebliche Förderung des Bundes erfahren“, sagt Czisch und denkt dabei an Gelder für eine Brennstoffzellen-Forschungsfabrik. Einem weiteren Ulmer Forschungsschwerpunkt. Außerdem wünscht sich der Ulmer OB, dass die vom Land in Aussicht gestellten 185 Millionen Euro der Batterie-Spitzenforschung mit Ulmer Beteiligung gewidmet bleiben. „Das Allerletzte, was wir tun, ist den Kopf in den Sand zu stecken.“
Schockiert sei sie nicht, enttäuscht schon, sagt Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens. „Die kurzfristige politische Entscheidung gegen Ulm nach dem zwei Tage zuvor erfolgten klaren Expertenvotum für Ulm lässt einige Fragen offen.“ Die kommissarische Leiterin des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW), die den Ulmer Antrag gemeinsam mit Prof. Jürgen Fleischer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ausgearbeitet hatte, sagte, man müsse die Entscheidung „sportlich nehmen und weiter machen“.
Die Begründung der Ministerin könne sie allerdings „so nicht nachvollziehen“. Dies bezieht sich speziell auf Aussagen, Münster habe sich vor allem deshalb durchgesetzt, weil dort das Thema „Recycling von Batterien“ stärker im Fokus gestanden habe. „Mir ist nichts bekannt, wo man in Münster weiter wäre. Die Recyclingfrage spielt auch in unserem Konzept eine wichtige Rolle.“ Zudem sei Ulm gerade bei Zellen mit kobaltfreien Elektroden führend. „Wir tun viel für die Nachhaltigkeit.“
„Wir fühlen uns auch bestärkt“
Auch Uni-Präsident Prof. Michael Weber geht davon aus, dass das Votum für Münster in erster Linie eine strukturpolitische Entscheidung gewesen ist. „Wir sind einerseits enttäuscht, fühlen uns andererseits aber auch bestärkt, weil die aus Industrievertretern besetzte Gründungskommission unseren Antrag als den besten bewertet hat.“ Wie Czisch spricht sich auch Weber dafür aus, den angekündigten 185-Millionen-Euro-Zuschuss vom Land „nicht aus dem Thema abzuziehen“. Dieses Geld müsse nun erst recht in die Ulmer Batterie- und Brennstoffzellenforschung fließen. Weber: „Wir schütteln uns und starten durch.“
IHK-Präsident Stefan Roell sagt: „Natürlich bedauere ich die Entscheidung, die Batteriefabrik nicht in Ulm zu bauen. Ich kenne die Verhältnisse in Münster nicht. Aber ich bin grundsätzlich der Meinung, dass wir in Deutschland Cluster bilden sollten. Und das wäre in Ulm hervorragend möglich gewesen.“
Trost aus Münster
Tröstende Worte kommen aus Westfalen. Prof. Martin Winter, wissenschaftlicher Leiter des Batterieforschungszentrums der Uni Münster und als dort federführender Antragsteller gewissermaßen Gewinner des Tages, sagt: „Wir hatten sehr starke und sehr kompetente Mitbewerber“. Er sehe die Forschungsfertigung von Batterien als ein gemeinsames Projekt und freue sich auf die Zusammenarbeit mit den herausragenden Batterieforschungseinrichtungen Deutschlands. „Gemeinsam werden wir die Forschungsfertigung Batteriezelle zu einer Erfolgsstory machen.“
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