„Für uns war sofort klar, dass wir etwas machen müssen.“ Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien hat Ömer Akca bei Facebook einen Post abgesetzt, einen Spendenaufruf für die betroffenen Menschen: Am kommenden Donnerstag (17 bis 19 Uhr), sollen Klamotten, Decken, Schlafsäcke und Plüschtiere auf den Parkplatz des TSV Neu-Ulm an der Europastraße gebracht werden. Der Neu-Ulmer Transportunternehmer, der schon an mehreren Spendenaktionen teilgenommen hat – etwa nach dem Hochwasser im Ahrtal – war dennoch überrascht von dem großen Zuspruch: „Wir haben zwei Handys angegeben, und die klingeln praktisch pausenlos.“ So zeichne sich für ihn schon ab: „Die Aktion wird sehr, sehr groß.“
Der Plan sieht vor, vor Ort zu sammeln, was im Erdbebengebiet benötigt wird – momentan vor allem alles, was gegen Kälte schützt. Das soll dann mit an die zehn Transporter zu größeren Drehpunkten gebracht und dort in 40-Tonner verladen werden. Unter anderem beim türkischen Supermarkt in Neu-Ulm, wo zusätzlich eine Spendenkasse aufgestellt wurde; bei der Firma Akimex in Nersingen-Straß und drittens in München.

Gesamter Umsatz wird gespendet

Unabhängig davon haben sich in Ulm und Neu-Ulm gut ein halbes Dutzend befreundeter Unternehmer zusammengetan. „Wir wollen eine richtig große Spendensumme sammeln. Denn was dort passiert ist, ist wirklich eine absolute Katastrophe“, sagt Bayram Kan. Er betreibt in der Frauenstraße die Simit-Bäckerei und wird den gesamten Umsatz von kommendem Freitag spenden. Auch ein türkisches Café ist dabei, eine Baufirma. Insgesamt sollen mehrere tausend Euro zusammenkommen. Das Geld soll entweder direkt ans Rote Kreuz gespendet werden oder an Bekannte vor Ort gehen, die dann einkaufen gehen. 6000 Decken hat die Gruppe bereits organisiert.

Viele Hochhäuser betroffen

Auch in der Alevitischen Gemeinde in Ulm ist das Entsetzen groß – in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten leben viele Menschen alevitischen Glaubens. „Die Zahlen jetzt sind ja nur der Anfang“, sagt der Ulmer Cevat Seven vom hiesigen Verein. „Es handelt sich um viele Hochhäuser, das Beben war am frühen Morgen – die Zahlen der Opfer werden noch höher. Es ist furchtbar.“ Auch in der Ulmer Region lebende Familien hätten dort Verwandte, er weiß von einem jungen Mann, der sich am Mittwoch in den Flieger setzt, weil er seine Eltern dort nicht mehr erreicht.
Im neuen Alevitischen Kulturzentrum in der Herrlinger Straße werden am Dienstag und Mittwoch Sachspenden gesammelt, berichtet Cevat Seven. Am Donnerstag werden die Hilfsgüter nach München gefahren und von dort dann mit großen Lastern in die betroffenen Gebiete gebracht.
Zu Spenden ruft auch die Ulmer Ditib-Moscheegemeinde auf; Infos gibt es unter ulm.ditib@gmail.com.

Ulmer Arzt bangt um seine Cousine

„Es ist erschütternd und ich bin geschockt, weil mit dieser Dimension hat niemand gerechnet“, sagt der Ulmer SPD-Gemeinderat und Arzt Haydar Süslü. Seine Gedanken sind bei all den Menschen, die jetzt Tag und Nacht draußen sind und weiter Angst haben, weil die Serie der Nachbeben andauert. Er hat Familienmitglieder direkt im Erdbebengebiet, in Antar. Die lebten in einer Hochhaussiedlung, wo durch die Erdstöße das Gebäude direkt nebenan einstürzte.
Süslüs Cousine und ihre Familie konnten ihre Wohnung „gerade noch rechtzeitig verlassen“, sie blieben unverletzt. „Aber sie hatten schreckliche Angst.“ Inzwischen ist die Familie bei Verwandten in Istanbul untergekommen. Die Sicherheit ist aber nur relativ, denn inzwischen „ist es ja auch eine schreckliche Gewissheit, dass es irgendwann auch in Istanbul ein großes Erdbeben geben wird. Man kann jetzt eigentlich nirgendwo in der Türkei mehr sicher sein.“
Zu schaffen macht es dem Mediziner, „dass man angesichts solcher Naturgewalten so hilflos ist“. Er selbst wird nicht zum Helfen ins Katastrophengebiet gehen können, um zu helfen, aber er unterstützt die bereits angelaufenen Hilfsmaßnahmen des Alevitischen Kulturzentrums und anderer türkischer Vereine finanziell und materiell.

Man kann nur Trost spenden

Bora Akyürek, Allgemeinmediziner aus Ulm, sagt zum Erdbeben in der Türkei: „Ich habe hier in Ulm eine sehr große Praxis mit vielen türkischen Patienten, da kommen einige auch aus den betroffenen Regionen. Jeder kennt jemanden aus dem Erdbebengebiet, andere haben Häuser dort, die dem Erdboden gleichgemacht worden sind.“ Nach Corona und Krieg habe man ja mal auf gute Nachrichten gehofft und dann komme „über Nacht“ sowas.
„Bei Corona konnten wir wenigstens als Mediziner etwas tun, auch ukrainischen Flüchtlingen konnten wir helfen, aber so etwas steht man machtlos gegenüber.“ Da könne man nur ein offenes Ohr anbieten und Trost spenden. Schön sei hingegen zu sehen, wie jetzt die Hilfen anlaufen, das unterstreiche wieder, „dass wir als Welt zusammenrücken sollten – Kriege kommen einem dann noch viel sinnloser vor- am Ende sitzen wir eben alle im selben Boot“.
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Noch keine Rettungskräfte unterwegs

Der DRK-Kreisverband Ulm schickt keine eigenen Kräfte, sondern schafft in enger Absprache mit dem türkischen und syrischen roten Halbmond Material ins Krisengebiet. Derzeit sind auch noch keine THW-Kräfte aus der Region auf dem Weg in die Türkei oder nach Syrien, es gibt aktuell auch keine Pläne dafür.