Neue italienische Mode eingetroffen, 40 Prozent Rabatt“, wirbt das Erbacher Modehaus Wollschacht. Oder auch: „Neue Frühjahrs-Mode, 40 Prozent Rabatt“. Dabei war vor knapp einem halben Jahr davon die Rede, dass Wollschacht die beiden Geschäfte in Erbach und Blaubeuren um die Jahreswende herum schließen wird. „Stürmen Sie Wollschacht! Total-Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ prangt derzeit an dem Modehaus an der Erbacher Ortsdurchfahrt.
Im September 2016 hatten Inhaberin Heidi Aue und die Geschäftsführerin, ihre Tochter Lisa Aue-Holowitz, angekündigt, das Hauptgeschäft in Erbach und die Filiale in Blaubeuren aufzugeben – das Familienunternehmen gibt es seit über 80 Jahren. Nun, da immer wieder aktuelle Mode eintrifft, geht es offensichtlich doch weiter.
Lisa Aue-Holowitz erklärt, warum das so ist. „Die Ware, die nun reinkommt, haben wir bereits vor über einem Jahr geordert.“ Diese Zeitspanne sei in der Modebranche üblich. Würde sie die Lieferung stornieren, müsste sie dennoch die Hälfte des Kaufbetrags bezahlen und würde Verluste machen. Deshalb werde diese Mode noch verkauft. Rechtlich sei der Aufschub kein Problem, seit vor einigen Jahren die Wettbewerbsregeln gelockert wurden.
Während im September 2016 auch wirtschaftliche Gründe für die Schließung angeführt wurden, macht Lisa Aue-Holowitz nun vor allem persönliche Gründe geltend. Der Online-Handel sei nicht ausschlaggebend, erklärt sie: „Das ist der Lauf der Zeit“, darauf könne man sich einstellen. Vielmehr werde sich ihre Schwester, mit der sie das Geschäft von der Mutter übernommen hatte, umorientieren. „Und ich möchte nicht allein weitermachen“, sagt sie. Dieser Entschluss stehe fest. Die Filiale in der Blaubeurer Karlstraße werde Mitte März geschlossen.
Insgesamt 24 Mitarbeiterinnen hatte Wollschacht in Erbach und Blaubeuren. Die gemieteten Geschäftsräume in Blaubeuren wurden gekündigt, ebenso den drei Mitarbeiterinnen – eine in Vollzeit, zwei in Teilzeit. Nun sind es noch fünf in Erbach. Die Kündigungen seien ihr schwer gefallen, sagt Aue-Holowitz. „Wir haben Mitarbeiterinnen, die schon seit über 20 Jahren bei uns sind“. Zum Glück habe sich für manche die Situation so gelöst, dass sie in Rente gehen können; andere waren schon Rentnerinnen, die sich in Teilzeit etwas dazu verdienten.
In Erbach beginnt kommende Woche, am 28. Februar, der Auflösungsverkauf. Das Bekleidungsgeschäft werde so lange geöffnet haben, „bis nichts mehr da ist“. „Unten  sind ja schon lauter leere Wände, und oben ist es schon leer“, sagt sie. „Ich kann nicht sagen, ob das im März, April oder Juni sein wird.“ Sie habe keinen Druck, da Wollschacht Eigentümer des Gebäudes ist.
Wie es in Erbach weitergehen wird? Dazu mag die Geschäftsführerin sich derzeit nicht groß äußern. Es könne schon sein,  dass ein anderer Betreiber das Modegeschäft übernehmen wird, ein paar Interessenten hätten sich gemeldet.

Keine zeitlichen Vorgaben bei Geschäftsaufgabe

Richtlinien
Früher waren Aus- und Räumungsverkäufe sowie sonstige Sonderveranstaltungen streng reguliert. Seit über zehn Jahren seien die Richtlinien  immer wieder liberalisiert worden, teilweise beeinflusst durch europäisches Recht, erklärt Dominik Lang von der Rechtsabteilung der Ulmer Industrie- und Handelskammer (IHK). Einige Rabattgesetze hätten noch aus der Zeit vor der Gründung der Bundesrepublik gestammt.
Fristen
Inzwischen gebe es etwa bei einer Geschäftsaufgabe keine starren zeitlichen Grenzen mehr, sagt Lang. Die Geschäftsaufgabe könne „erheblich verlängert“ werden, mit dem Ziel, den ganzen Warenbestand zu verkaufen – allerdings nicht über Jahre hinweg. Dann handle es sich um unlauteren Wettbewerb. Irregeführt werden darf der Käufer nicht. So sollte ein wahrheitsgemäßer Grund für den Räumungsverkauf angegeben werden. Unzulässig sei zum Beispiel ein „Wasserschaden“, der gar nicht entstanden ist, führt Lang aus. Verstöße können der Wettbewerbszentrale in Bad Homburg gemeldet werden, einer Selbstkontrollinstitution der deutschen Wirtschaft.