Wie geht es Alina Reh nach dem Zusammenbruch heute?
Jürgen Austin-Kerl Ich habe mit ihr gestern direkt nach dem Rennen und heute morgen noch einmal telefoniert. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut, wobei sie gestern natürlich sehr traurig war. Heute ging es schon. Sie fühlt sich jetzt kaputt und müde. Sie hatte sich viel vorgenommen. So aus einer WM rausgehen zu müssen, ist wirklich schade. Ich habe ihr nichts mehr gegönnt, als diese 25 Runden zu Ende zu bringen – egal mit welchem Ergebnis.
Was genau ist eigentlich passiert?
Alina war vor dem Rennen wirklich top drauf und hätte ein super Rennen, vielleicht sogar eine neue Bestzeit laufen können. Doch die 13-stündige Anreise und die Tatsache, dass sie sich nicht akklimatisieren konnte, weil sie sich nur in klimatisierten Räumen aufhielt, ist ihr sprichwörtlich auf den Magen geschlagen. Das hat nach rund 5 Kilometern zu einem Krampf des Zwerchfells geführt. Da macht die Atmung zu, und es wurde ihr auch sichtlich übel. So einen Krampf kann man nur mit Eingriffen von außen lösen. Darum musste sie das Rennen abbrechen.
Wie ging es dann weiter?
Der deutsche Mannschaftsarzt war in den Katakomben gleich zur Stelle und hat ihr entsprechende Medikamente gegeben, so dass sich das ganze schnell entspannen konnte. Es könnte nur sein, dass sie an der Stelle noch einen ziemlichen Muskelkater bekommt.
Was hat das besondere Klima in Katar mit mehr als 40 Grad Außentemperatur und einem auf 25 Grad heruntergekühlten Stadion zu tun?
Die klimatischen Umstände in Doha sind meiner Meinung nach mehr als fragwürdig für eine Weltmeisterschaft. Für jeden, der dort austrainiert hingeht und sich super vorbereitet hat, eine hohe zusätzliche körperliche Belastung.
Als Alina am Start stand, wirkte sie allerdings auch schon ein bisschen nervös...
Natürlich war sie ein bisschen nervös und stand dort zum ersten Mal in ihrem Leben bei einer WM über 10.000 Meter am Start. Und dann waren ja zum ersten Mal weder ihre Familie noch ihr Heimtrainer dabei. Aber sie war sehr fokussiert. Wir haben direkt vor dem Rennen noch telefoniert und sie hat sich wirklich super gut gefühlt. Man hat das als Athlet schon selbst im Gefühl, und sie meinte, heute geht was.
Hätten Sie irgendetwas ausrichten können?
Nein, mir wären da auch die Hände gebunden gewesen, weil ich ja keine Akkreditierung hatte. Wir hatten das schon vor zwei Jahren in London, wo ich unter 60.000 Zuschauern im Publikum saß. Man kommt vorher nicht ran, man kommt nachher nicht ran. Darum haben wir gesagt, das tun wir uns nicht an.
Wie beurteilen Sie das Rennen bis zu dem Zeitpunkt des Zusammenbruchs?
Es lief bis dahin alles hervorragend. Sie hat nach einer sehr langsamen Runde Tempo aufgenommen und ihren Schritt gefunden und sogar beibehalten, als die Kenianerinnen an ihr vorbeigezogen sind. Sie hat das genau gemacht, wie wir es vorher besprochen hatten: Sie ist locker geblieben, hat super die Nerven behalten und nicht nervös geworden. Bis eben auf einmal der Magen zugemacht hat. Da kann man ihr keine Vorwürfe machen.
Kündigte sich der Magenkrampf irgendwie an oder kam er plötzlich?
Also, wir kennen das schon ein bisschen: Alina hatte das schon öfters, wenn das Wetter gewechselt hat von kühl auf sehr heiß und warm. Da hatte sie schon mal eine Reaktion des Zwerchfells. Und das war dann gestern so eine Reaktion unter Höchstbelastung.
Könnte es sein, dass sie nun doch noch spontan die 5000 Meter in Angriff nimmt?
Nein, das würde ich ihr nicht empfehlen und habe ich mit den Bundestrainern auch schon besprochen. Sollte sie plötzlich auf die Idee kommen sie habe mit der Bahn jetzt eine Rechnung offen, werden wir ihr das ausreden. Das muss sie sich nicht antun. Die Gefahr ist zu groß, dass sich das wiederholt oder sie durchgereicht wird. Und man darf nicht vergessen: Sie hat eine Wahnsinns-Saison hinter sich, ist Deutsche Meisterin geworden, U-23-Europameisterin, hat den U-23-Europarekord gebrochen. Sie hat die goldenen Zeiten noch vor sich. Und das war jetzt auf jeden Fall eine Erfahrung fürs Leben. Sie fliegt am Montag nach Hause und am Dienstag besprechen wir alles.