Ein Jahr lang auf rund zwei Quadratmetern hausen und das zu zweit auf einem noch unbekannten Kontinent. Einem Teil der Erde, auf dem es zudem nicht unüblich ist, dass riesige Raubtiere wie Löwen und Leoparden oder imposante Zeitgenossen wie Elefanten oder Nashörner den Weg kreuzen. Ein Traum? Nicht für jeden.
Für Sophia Löffelhardt und Dennis Scherer aus Schwäbisch Hall-Bibersfeld aber schon. Das Paar packte im Oktober 2021 den eigens umgebauten Landrover Defender und machte sich „auf die Reise seines Lebens“. Ihr Vorhaben: Ein Sabbatical in Afrika. Doch bis sie im Dezember erstmals einen Fuß auf den noch fremden Kontinent setzen konnten, hatten sie schon so einige Hürden nehmen müssen.
Abgesagt, ausgeraubt und alles in allem eine Achterbahn der Gefühle – das beschreibt die ersten acht Wochen der beiden ganz gut. „Als wir gestartet sind, war unser Plan noch, bis nach Gibraltar zu fahren, und dort mit der Fähre nach Marokko überzusetzen“, berichtet Sophia. „Dann wollten wir die Westküste Afrikas Richtung Süden hinunterfahren. Aber Corona hat uns einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.“
Sich in dieser angespannten Situation auf solch eine Reise zu begeben, sei schon mutig gewesen, geben die beiden zu. „Aber wir wollten einfach nicht mehr länger warten und nutzten die Chance, als sich alles etwas entspannte“, so Dennis. Auf ihrem Weg nach Gibraltar machten sie Halt in Italien, Frankreich und Spanien, erkundeten Städte, Strände und unberührte Landstriche. Sie lernten Europa ein ganzes Stück besser kennen. „Schon die Fahrt in Richtung Süden war ein wunderschönes Erlebnis“, sagt die 27-Jährige. „Außerdem haben wir uns so noch unter europäischen Standards mit dem Leben im ‚Landy’ eingrooven können“, ergänzt Dennis. Supermärkte, befestigte Campingplätze mit Dusche, keine Sprachbarriere und hinter jedem Hügel ein Dorf, sind die Regel. „Wir haben ja auch noch nie vorher gecampt. Da war das schon gut zur Eingewöhnung“, sagt Sophia lachend.
Ein seichter Start in das Sabbatjahr quasi, der jäh unterbrochen wurde: Einen Tag vor Übersetzen wurde die Fähre storniert, die sie nach Afrika bringen sollte. „Wegen der weltweit herrschenden Pandemie machten zudem viele Länder ihre Grenzen dicht“, berichtet der 31-Jährige. Doch was nun? „Wir schnappten uns unsere Handys und googelten drauf los!“ Welche Länder lassen Touristen noch durchreisen? Ist es möglich, über den Osten – also Syrien, den Irak und Äthiopien – den Weg fortzusetzen? Oder muss die Reise am Ende doch abgebrochen werden? Ihre Antworten: Nahezu alle Ländergrenzen sind dicht. Der Osten ist viel zu gefährlich. Und abbrechen kommt nicht in Frage!
„Wir haben dann Kontakt zu einer Organisation aufgenommen, die Fahrzeuge von Bremerhaven aus nach Port Elizabeth in Südafrika verschifft“, erzählt Sophia. Also ging es für sie wieder gen Norden, die gesamte europäische Westküste hinauf. „So niederschmetternd die Nachricht zunächst war, so schön war der Trip zum Frachtschiff. Hätten wir das nicht gezwungenermaßen machen müssen – wir hätten so vieles verpasst.“ Glück im Unglück also.
In Bremerhaven angekommen, musste sich das Paar zunächst für dreieinhalb Wochen von seinem Zuhause auf vier Rädern verabschieden. So lange dauert das Verschiffen an die südliche Spitze Afrikas. „Einen Tag später saßen wir im Flugzeug nach Kapstadt“, erzählt Dennis. Anfang Dezember war es dann so weit: Die beiden konnten erstmals die heiße, südafrikanische Luft einatmen und ihre große Reise nun endlich auf dem „richtigen“ Kontinent fortführen.
Die erste Route führte dann knapp 750 Kilometer von Kapstadt nach Port Elizabeth. „Wir wollten vieles davon wandern, haben aber schnell gemerkt, dass das unmöglich ist“, sagt Sophia. Durch Mitfahrgelegenheiten und einen Mietwagen legten sie die erste Etappe zurück, konnten bereits einen Eindruck vom fremden, atemberaubenden Land bekommen. „Südafrika ist quasi die ‚Light-Version’ für Urlauber. Da herrscht eine gute Infrastruktur – perfekt zum Ankommen.“ Pünktlich zum Eintreffen ihres Defenders erreichten sie die Hafenstadt. „Endlich hatten wir unseren ‚Landy‘ wieder. Der war aber auf See bis in die letzte Ritze auseinandergenommen worden“, berichtet die Bibersfelderin. „Das war ein Schock für uns“, fügt ihr Partner an. Die gesamte Trekkingausrüstung und noch vieles mehr fehlte. Geknickt fuhren sie ihren ersten Übernachtungsstopp an, schliefen besorgt ein und wachten mit Meeresrauschen im Ohr und purem Sonnenschein an einer rauen Küste wieder auf. „Da war alles vergessen. Die Vorfreude auf die kommenden Monate wischte jede Sorgenfalte weg. Wir waren einfach nur glücklich.“
Viele in ihrem Bekanntenkreis versicherten ihnen, dass sie an ihrer Stelle schon längst wieder die Heimreise angetreten hätten. Doch nicht Sophia und Dennis.„Das Land, die Leute und die unfassbar schöne Natur haben alles wieder wettgemacht“, schwärmt Sophia bei einem Videocall im April, während sie und Dennis es sich auf einem Campingplatz in Kenia gemütlich gemacht haben. Immer wieder springt eine zutrauliche Katze auf Dennis’ Schoß, während Affen geräuschvoll über das schattenspendende Dach des Außensitzes klettern.
Mehr als sechs Monate sind sie nun unterwegs. Von Südafrika führte ihr Weg unter anderem über Mosambik, Malawi und Tansania bis nach Kenia. „Wir haben unsere Route mehrfach umgeplant. Hier vor Ort wird einem erstmal bewusst, wie weitläufig alles ist. Die ganze West-Küste zu bereisen, wie wir es ursprünglich geplant hatten, ist in der uns verbleibenden Zeit ein Ding der Unmöglichkeit“, berichtet Dennis. Nun haben sie sich auf den süd-östlichen Zipfel des Kontinents fokussiert. Pläne spontan ändern – das können die beiden inzwischen in Perfektion. „Diese Einstellung bringen einem aber auch die Menschen aus Afrika bei, ob man will oder nicht.“ Und Sophia ergänzt: „Hier gilt die Annahme: Irgendwie geht es schon immer weiter, auch wenn man es nicht vermutet.“
Unterstützung gibt es den beiden zufolge auch zuhauf: In den Sozialen Medien tauschen sich die „Overlander“, wie die Langzeiturlauber dort genannt werden, aus, geben sich Tipps oder informieren sich über Grenzübergänge. Verloren gehen oder im wahrsten Sinne des Wortes stecken bleiben – das passiert eigentlich nicht. Und wenn, „dann kommen meist Kinder oder ganze Dorfgemeinschaften, um uns mit unserem komischen Gefährt zu begutachten. Sie setzen sich in den Sand, kichern und schauen uns dabei zu, wie wir den Landrover freischaufeln“, sagt Dennis schmunzelnd. Mit Händen und Füßen wird dann kommuniziert, gelacht oder getanzt. „Die Menschen in Afrika sind trotz der für uns ungewohnt ärmlichen Verhältnisse sehr sorgenfrei. Das beeindruckt uns extrem.“
Jede Fahrt zu einer neuen Destination ist ein Erlebnis für Sophia und Dennis. Immer wieder durchqueren sie zudem Nationalparks. „Acht Stunden vergehen wie im Flug, wenn man mit den Augen die ganze Zeit den Horizont, die Büsche, Bäume und Gräser nach wilden Tieren absucht“, berichtet Sophia. „Unsere erste Antilope haben wir sicherlich zwei Stunden beobachtet. Das war ein Highlight!“ Und Dennis fügt an: „Die Zeit zu haben, einen ganzen Tag nur die Natur anzuschauen – das ist es, was das Sabbatical für uns ausmacht. Im Alltag zu Hause nimmt man sich für so etwas eigentlich keine Zeit.“ Sophia stimmt ihm lächelnd zu: „Jetzt haben wir ein Jahr, in dem wir nur machen können, worauf wir Lust haben – da werden wir uns ewig daran erinnern.“ Bis Oktober sind die beiden noch unterwegs, klettern auf Berge, durchkreuzen Nationalparks, schlafen in unmittelbarer Nähe zu den schönsten Kulissen. Dann geht es für sie wieder in den Alltag. „Das ist aber auch gut so, denn so schön unsere Reise ist – auf unsere Familien freuen wir uns auch schon sehr.“
Mehr von den beiden gibt‘s auf ihrem Instagram-Account @abenteuer.afrika oder bei @hohenlohetrends zu entdecken.
Die Reiseroute auf einen Blick:
Einen großen Kringel durch den süd-östlichen Teil Afrikas – das ist in etwa die Route. Auf ihrem Weg nach Kenia durchqueren Sophia und Dennis Südafrika, Lesotho, Eswatini/Swaziland, Mosambik, Malawi, Tansania und Kenia.
Von dort aus geht es in süd-westliche Richtung weiter: Sie bereisen Uganda, Ruanda, Tansania und Sambia und machen sich dann auf den Weg nach Simbabwe, Botswana, Namibia, um schließlich Ende September 2022 wieder in Südafrika zu enden.