Ungefähr vor einem Jahr sei sein Entschluss gefallen, Bürgermeister von Schnelldorf zu werden, sagt Kämmerer Tobias Strauß am Dienstagabend. Das Gespräch findet in der Küche des Rathauses statt. Strauß macht einen Kaffee, dazu reicht er Toffifee. Zwischendurch kommt die Putzfrau rein, man duzt sich. Auf die Wandflipchart hat jemand eine Einkaufsliste gekritzelt: Küchenrollen, Salatbesteck, Entkalkersalz, Spülmaschinentabs.
„Ich habe es mir ordentlich überlegt“, betont Strauß. „Das war ein langer Weg.“ Er habe solch eine Kandidatur zwar „immer mal vorgehabt“, aber dass es schon jetzt im Alter von 33 passiert, hätte er nicht gedacht. Es hat sich einfach ergeben.
Amtsinhaberin Christine Freier, parteilos, Jahrgang 1966, mag nach einer Amtszeit nicht mehr. Die Arbeit im Gemeinderat hat sie aufgerieben, von Zusammenarbeit kann keine Rede mehr sein. All das kostet viel Zeit und Energie und Geld.
Strauß wiederum wird von allen vier Gruppierungen des Rates unterstützt: CSU, Unabhängige Bürger, SPD und Freie Wählergemeinschaft. Er ist am Sonntag bei den Kommunalwahlen der einzige Bürgermeister-Kandidat in der 3700-Einwohner-Kommune. „Gegen mich tritt sie nicht an“, das habe Freier ihm früh signalisiert. Überhaupt habe er stets offen mit ihr kommuniziert.
Wohnort bleibt Dorfkemmathen
Seit 2016 ist Strauß Kämmerer in der Gemeinde Schnelldorf. Mit Frau und drei kleinen Kindern wohnt er eine knappe halbe Stunde entfernt, in Dorfkemmathen in der Gemeinde Langfurth – und das soll auch so bleiben. Dort haben sie ein Haus gebaut. Wohnortneutral, parteiübergreifend, diese beiden Stichworte gehören zu seinem Wahlprogramm.
Weitere Themen in Schnelldorf sind: Bauplätze, weitere Kindertagesstätte, Erweiterung der Kläranlage, Erhalt des Grundschulstandortes, Verlängerung der S-Bahn von Dombühl bis Crailsheim. Und natürlich müsse auch eine Lösung für das Dauerthema Industrie- und Gewerbepark Interfranken gefunden werden.
„Ich muss mich aber noch reinschaffen“, so sagt es Strauß. Die Ärmel vom Hemd hat er schon mal hochgekrempelt. Was ihn stört, ist die „schlechte Außendarstellung“ der Gemeinde. „Wir verkaufen uns unter Wert.“
Dass Auftreten und Zusammenspiel einer Mannschaft manchmal zu wünschen übrig lassen, kennt Strauß vom Fußball. Als ehemaliger Spielertrainer des SV Sinbronn und zuletzt des SV Segringen weiß er, wie man eine Mannschaft führt, und was es heißt, Verantwortung auf und neben dem Platz zu übernehmen. „Wichtig ist, dass man als Bürgermeister ein Zugpferd ist, Strukturen vorgibt und, wenn nötig, einschreitet“, findet Strauß.
Seinen Spielerpass hat er noch, aber den Fußball lässt er jetzt ruhen, „weil ich gewusst habe, was auf mich zukommt“. Er musste „irgendwo einen Cut machen, Prioritäten setzen. Wenn ich Freizeit habe, dann ist die Familie dran.“
Fast wäre Strauß Fußballprofi geworden. Für den 1. FC Nürnberg spielte er schon in der U-19-Bundesliga. Und mit dem SC Eltersdorf schaffte der Mittelfeldspieler später den Sprung von der Landes- in die Regionalliga. Oft gab er sogar den Mannschaftskapitän. Ein Kreuz- und Innenbandriss beendete die sportliche Karriere.
Parallel zum Fußball absolvierte Strauß eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Nürnberg, später bildete er sich zum Verwaltungsfachwirt fort. Er habe sich damals „ein zweites Standbein“ aufgebaut, so formulierte es Strauß in seiner Zeit als stellvertretender Leiter des Amtes für Finanz- und Bauwesen bei der Gemeinde Fichtenau, wo er bis Ende 2015 tätig war.
Dass er heute keine Millionen verdient wie ein Fußballprofi, sondern nur mit den Millionen als Zahlen hantiert, damit hat er sich abgefunden. Sein Wissen gibt er inzwischen als Dozent an der Bayerischen Verwaltungsschule in Nürnberg weiter.
Die Zeit in Fichtenau bezeichnet Strauß als „sehr lehrreiche Phase“, er habe „echt viel mitgenommen“, lernte die Abläufe in einer Kommune kennen. „In Nürnberg warst du nicht beim Stadtrat und beim Bürgermeister.“ Der Kontakt mit dem damaligen Fichtenauer Bürgermeister Martin Piott, der seit Mai 2015 Bürgermeister in Bretzfeld ist, hält bis heute. Piott leitete sogar die Nominierungsveranstaltung von Strauß in Schnelldorf.
Berufsweg noch nicht zu Ende
Was macht Tobias Strauß aus? „Er war schon zu meiner Bürgermeisterzeit in Fichtenau ein sehr fleißiger und versierter Kenner der kommunalen Finanzmaterie und hat sich als Teamplayer hervorragend in die Gemeinde Fichtenau und die Mitarbeiterschaft eingebracht“, schreibt Piott per E-Mail. „Schon bei seiner Einstellung hatten wir das Gefühl, dass sein Berufsweg vermutlich noch nicht zu Ende sein könnte.“ Und: „Schnelldorf kann sich glücklich schätzen, einen hervorragenden jungen und dynamischen Bürgermeister zu bekommen.“
Dienstantritt wäre der 1. Mai. Am Sonntag hofft Strauß auf eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 bis 60 Prozent, er sieht die Bürger hier in der Pflicht. „Es steht und fällt mit den handelnden Personen“ – diesen Satz gab ihm einst ein Rechnungsprüfer mit auf den Weg. Der Satz hat es an die Wand vom Büro geschafft. Tobias Strauß sagt: „Ich gehe mit dem Ziel rein, nicht nur sechs Jahre zu machen.“
Wer will (Ober-)Bürgermeister werden? So sieht es im benachbarten Bayern aus
Wie in Schnelldorf mit Tobias Strauß gibt es bei der Bürgermeisterwahl in Dombühl lediglich einen Kandidaten: Amtsinhaber Jürgen Geier (Freie Wählervereinigung), der übrigens in Crailsheim wohnt. Besonders spannend dürfte es in Dinkelsbühl werden. Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer (CSU) bekommt es mit zwei Herausforderern zu tun. Auf der einen Seite ist das Holger Göttler, der für die Freien Wähler antritt. Der Fachbereichsleiter für Planen und Bauen in Schwäbisch Hall kennt das Dinkelsbühler Rathaus gut, er war dort bis 2017 Stadtbaumeister. Auf der anderen Seite ist das Johannes Paus. Der stellvertretende Geschäftsführer eines Verlages in Schwäbisch Gmünd ist nebenbei Regionalgeschäftsführer der Grünen in Ostwürttemberg. Paus weiß, was es bedeutet, so ein Amt auszuüben: Dessen Vater Dieter war als Sozialdemokrat 18 Jahre lang Bürgermeister von Oettingen. Einen Dreikampf um die Rathaus-Spitze gibt es auch in Rothenburg ob der Tauber. Dort tritt der parteilose Walter Hartl, seit 2006 Oberbürgermeister, nicht mehr an. Die SPD schickt Harry Scheuenstuhl ins Rennen und die Freie Rothenburger Wählervereinigung Dr. Markus Naser. Martina Schlegl (CSU), Nummer drei im Bunde, weist einen Württemberg-Bezug auf. Sie ist Rektorin des Matthias-Grünewald-Gymnasiums in Tauberbischofsheim. In Feuchtwangen will es Amtsinhaber Patrick Ruh von der CSU noch einmal wissen. Er konkurriert mit Birgit Meyer (Grüne/Wir für Feuchtwangen) und Hans Heinrich Unger (SPD). In Schopfloch tritt Bürgermeister Oswald Czech (SPD/Unabhängige Wähler) gegen Christian Grimm (CSU/Freie Wähler) an. Aus Hohenloher Sicht lohnt sich der Blick in den Landkreis Ansbach nicht nur wegen der zahlreichen Bürgermeister, die neu gewählt werden, sondern auch aus diesem Grund: Mit Dr. Jürgen Ludwig kandidiert der ehemalige Crailsheimer Wirtschaftsförderer erneut um den Posten des Landrates. 2012 setzte er sich in einer Stichwahl gegen einen SPD-Kandidaten durch. 2020 treten neben Ludwig an: Petra Hinkl (SPD), Maria Hetzel (ÖDP), Jürgen Seifert (Freie Wähler) und Philipp Hörber (Grüne). Infos und Ergebnisse zu den Kommunalwahlen im benachbarten Bayern finden sich von Sonntagabend an unter www.swp.de/crailsheim. js
Wahlvorkehrungen wegen Corona
Bei den Kommunalwahlen am Sonntag in Bayern werden in den Wahllokalen nicht nur Hygienehinweise zu lesen sein. Zur Vorbeugung des Coronavirus steht Desinfektionsmittel bereit. Zudem sollen Wahlhelfer mit Einweghandschuhen versorgt werden, um beim Öffnen der Wahlbriefumschläge, die mit Spucke zugeklebt wurden, kein unnötiges Risiko einzugehen. Wähler, die erkrankt sind und deshalb kein Lokal aufsuchen können, sowie deren Kontaktpersonen, dürfen kurzfristig per Briefwahl teilnehmen. Entsprechende Anträge können notfalls noch am Wahltag bis 15 Uhr bei den Gemeinden gestellt werden. Für die Stimmabgabe stehen in den Lokalen zwar Stifte zur Verfügung, aber Wähler dürfen auch eigene Stifte mitbringen, um ihre Kreuze zu machen. js