Es ist eine „schöne Demokratietradition“, wie Reutlingens Kulturamtsleiter Dr. Werner Ströbele betont. Von Freitag bis Sonntag feiert Reutlingen wieder den Schwörtag und erinnert damit an seine jahrhundertelange Geschichte als freie Reichsstadt.
Die offiziellen Festivitäten starten traditionell mit einem Vortrag am Freitag, 13. Juli, 20 Uhr: Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen spricht im Foyer des Rathauses über „Neue Macht der Lügen – Desinformation im digitalen Zeitalter“. Die Veranstaltung erfolgt in Kooperation mit dem Reutlinger Geschichtsverein.
Nach einer mehrjährigen Pause öffnet am Freitag um 17 Uhr der Mittelaltermarkt im Volkspark wieder seine Tore. Anja und Markus Katz vom Veranstalter Fabula Corvinus, die seit zehn Jahren in „Sachen Mittelalter unterwegs“ sind, laden zu einem bunten Treiben ein. Händler bieten ihre Waren feil, Falkner, Schwertkämpfer, Gaukler, Artisten, Schwertkämpfer, Zauberer und Bauchtänzerinnen zeigen ihre Künste. Dazu gibt es ein Programm für kleine Ritter und Ritterdamen mit vielen Mitmachangeboten. Die irische Folkband „The Dolmen“ spielt am Freitag und Samstag auf. Und deftige, mittelalterliche Schlemmereien sorgen dafür, dass niemand hungern oder dürsten muss. „Wir brauchen 3000 Besucher, um finanziell herauszukommen“, sagt Markus Katz. Der Markt steht Besuchern am Freitag bis 23 Uhr, am Samstag von 11 bis 23 Uhr und am Sonntag von 11 bis 17.30 Uhr offen.
Auf dem ehemaligen Schwörhof beim Friedrich-List-Gymnasium geht es dann am Samstag ab 16 Uhr weiter – mit der Live-Übertragung des WM-Spiels um Platz 3 auf einer Großbildleinwand. Ab 18.30 Uhr spielt dann die Stadtkapelle Reutlingen unter der Leitung von Jakob Maria Guizetti Volksmusik, Pop, Rock und Swing. Sie wird um 20 Uhr abgelöst von „Abgroovebereit“. Das Quintett aus Stuttgart will mit Hits der 70er bis 90er Jahre sowie aktuellen Chartsongs für gute Stimmung sorgen. Den von Steffi Renz moderierten Abend beschließt eine Feuershow um 22.45 Uhr.
Den eigentlichen Reutlinger Schwörtag eröffnen am Sonntag, 15. Juli, 9.30 Uhr, die Turmbläser der Marienkirche. Dort schließt sich um 10 Uhr einen ökumenischer Gottesdienst an, den Dekan Marcus Keinath, Pfarrer Roland Knäbler, Pfarrerin Sabine Großhennig und die Liedertafel Concordia gestalten.
Um 11.10 Uhr zieht die Festgesellschaft über den Marktplatz zum List-Gymnasium, wo Oberbürgermeisterin Barbara Bosch ab 11.30 Uhr ihre Schwörtagsrede halten wird. Feste Bestandteile des seit 2005 wieder praktizierten, eineinhalbstündigen Zeremoniells sind das Fahnenflaigen sowie Auftritte von Stadtkapelle, Schützengilde mit ihren Böllern, des Reutlinger Liederkranzes und der Schulchören des Friedrich-List-Gymnasiums.
Parallel dazu gibt es ein Kinderprogramm im Mensahof. Die Kinder lernen, wie man Springseile dreht oder auch Steckenpferde und Kronen für Prinzessinnen bastelt. Kinderschminken und ein Bewegungsprogramm mit Hula-Hoop-Reifen dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Um 12.30 Uhr startet das Nachmittagsprogramm: Im Hof des List-Gymnasiums treten Bands der Reutlinger Kulturwerkstatt auf, das Naturtheater Reutlingen zeigt ab 13.30 Uhr Ausschnitte aus seinen aktuellen Produktionen „La Cage aux Folles – Ein Käfig voller Narren“ und „Heidi“. Zudem demonstrieren  um 14.15 Uhr die Gaukler „Fagus und Fraxius“ ihr Können. Die Bewirtung am Samstag und Sonntag übernehmen Reutlinger Vereine, Bäcker und Metzger sowie die Oberstufe des List-Gymnasiums.
Eine Premiere gibt es Samstag: Erstmals bieten zwölf Reutlinger Lokale eine Live-Nacht. Insgesamt elf Bands spielen an diesem Abend bis 23 Uhr open air, anschließend verlagern sich die Feierlichkeiten nach innen. Die musikalische Bandbreite reicht von Latin Grooves bis hin zu Rock. Kulturamtsleiter Dr. Werner Ströbele sieht die Live-Nacht nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum Schwörtagsprogramm, da erstere insbesondere ein jüngeres Publikum anziehe.

Info Am Samstag, 14. Juli, 16 Uhr, bietet Sabine Weizsäcker im historischen Kostüm eine kostenlose Stadtführung für Kinder an. Treffpunkt ist die Freitreppe des Rathauses. 

Schwörtag als Weltkulturerbe

Die Idee stammt von Kulturbürgermeister Robert Hahn. Gemeinsam mit den früheren Reichsstädten Ulm und Esslingen bereitet Reutlingen einen Antrag vor, den Schwörtag in die Liste des immateriellen Kulturerbe des Unesco aufnehmen zu lassen. „Wir wollen einander keine Konkurrenz machen“, sagte Kulturamtsleiter Dr. Werner Ströbele, nachdem der Reutlinger Vorstoß zunächst für Irritationen in Ulm gesorgt hatte. Noch laufen die Vorbereitungen, Ulm hat die Federführung übernommen.
Ist der Antrag fertig, geht er ans Land, das dann entscheidet, welche Vorschläge es an die deutsche Unesco-Kommission weitermeldet. Für Ströbele ist klar, dass das „Fest des  demokratischen Frohsinns“, wie es der Chronist Christoph Friedrich Gayler im 19. Jahrhundert bezeichnete, ein „wichtiger Beitrag zu unserer politischen Kultur“ ist. rab