Es war ein einstimmiges, ein durchdachtes und vor allem ein gut begründetes Nein, das der kleine Sondelfinger Bezirksgemeinderat da am Montagabend an die Reutlinger Großstadt-Verwaltung adressiert hat. Die Kommunalpolitiker des 6500-Einwohner-Stadtteils möchten, dass die mehr als 18 Hektar große Fläche, die im Spießhart für Industrie und Gewerbe ausgewiesen werden soll, aus der neuen Flächennutzungsplanung verschwindet. Und sie wollen, dass das künftige Wohnbaugebiet Bergäcker-Halden in seiner bisher angedachten Größe komplett erhalten bleibt, dass also auch der Mittelteil des Areals, der eigentlich aus dem Plan gestrichen werden sollte, für die weitere Entwicklung Sondelfingens zur Verfügung steht.
Interessen prallen
aufeinander
Die Aufstellung des neuen Flächennutzungsplans für den Nachbarschaftsverband Reutlingen-Tübingen sorgt in gleich mehreren Stadtteilen und Nachbar-Kommunen derzeit für mächtig Aufregung – so auch in Sondelfingen. Vor einem Monat wurden die Pläne für die Weiterentwicklung der Siedlungs- und Gewerbeflächen, die die Stadt Reutlingen für ihre Gemarkung erarbeitet hat, vorgestellt. Das Interesse der Sondelfinger an dem Info-Abend mit Bürgerdialog Anfang Februar war enorm. Klar wurde an diesem Abend, dass die Interessen von Grundstückseigentümern, Bauwilligen, Naturschützern und Stadtverwaltung aufeinanderprallen. Diesen Konflikt hat der Bezirksgemeinderat am Montag auf seine ganz eigene Art gelöst – indem er beschlossen hat, den beiden Änderungen im neuen Flächennutzungsplan (FLNP) nicht zuzustimmen. Das einstimmige Resultat war indes auch ein ersatzgeschwächtes. Denn der von elf auf sechs anwesende Mitglieder dezimierte Gemeinderat – fünf Räte waren im Urlaub, krank oder befangen – war gerade so beschlussfähig. Eva Meinhardt-Müller (aLSo), die die Sitzung für den wegen Befangenheit vom Ratstisch abgerückten Bezirksbürgermeister Mike Schenk (FWV) leitete, sprach sich ebenso gegen die neue FLNP-Aufstellung aus, wie Erna Hummel (FWV), Nicole Körner (aLSo), Andreas Vogelwaid (ebenfalls aLSo), Matthias Wais (CDU) und Katharina Ziegler.
Es geht um die
nächsten Generationen
„Bergäcker-Halden ist die einzige Fläche, die wir für die nächsten Generationen für Wohnbebauung haben. Es geht nicht, dass diese Fläche einfach kleiner gemacht wird“, begründete Andreas Vogelwaid seine Ablehnung. Und Nicole Körner konnte sich ihm nur anschließen, um dann noch anzufügen, dass sie auch gegen die Pläne fürs Gebiet Spießhart ist. Beim Tierheim soll ein über 18 Hektar großes Areal für Industrie und Gewerbe vorgehalten werden. „Das ist ein großes Kaltluftschneisengebiet“, plädierte die aLSo-Rätin dafür, den Bereich aus dem neuen FLNP herauszunehmen. Auch Katharina Ziegler und Matthias Wais sind gegen das Industriegebiet. Zum einen aus Naturschutzgründen, zum anderen aus wirtschaftlichen Erwägungen: 150 bis 200 Euro pro Quadratmeter würde die Erschließung des Areals laut Expertenaussagen kosten.
Mit ganz schön
breiten Schultern
Ihre Ablehnung gegen die beiden Änderungen in den neuesten Planungen gegenüber denen, die die Stadt Reutlingen noch im Jahr 2015 hatte, begründeten die Räte denn auch gründlichst. „Wir haben darauf geachtet, dass wir innerörtlich verdichten und haben in Sondelfingen eine Politik betrieben, die sich sehen lassen kann. Wir haben bereits auf acht Hektar für Wohnbebauung an anderer Stelle verzichtet und sollen jetzt noch einmal fünf Hektar hergeben“, ärgerte sich Eva Meinhardt-Müller mit Blick auf die geplante Reduzierung von Bergäcker-Halden, eines Areals, für das es bereits eine Bauleitplanung gibt. Dass insgesamt 13 Hektar wegfallen sollen – „das ist nicht verhältnismäßig“, findet die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin. Sondelfingen mit seinen 6500 Einwohnern müsse „mit ganz schön breiten Schultern die Belastung für ganz Reutlingen tragen“. Denn die 13 Hektar sind gut die Hälfte dessen, was auf der gesamten Gemarkung der Großstadt aus dem FLNP gestrichen werden soll. Ähnlich unverhältnismäßig laufe es beim Bereich Spießhart, der mit Abstand größten vorgesehenen Industrie- und Gewerbefläche auf Reutlinger Gemarkung. Dabei, so Meinhardt-Müller, leiste Sondelfingen schon einen genügend großen Beitrag für die Allgemeinheit. Schließlich verläuft die neue Hochspannungstrasse über Sondelfinger Gebiet, auf dem sich auch das Industriegebiet In Laisen befindet, genauso wie das Willi-Betz-Areal. Auch die Auswirkungen des Scheibengipfel-Tunnels bekämen die Sondelfinger zu spüren. „Und bei der Dietwegtrasse werden wir unser Päckchen ebenfalls zu tragen haben“, so die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin. All das haben die Räte in ihre Ablehnungs-Begründung aufgenommen – über die übrigens getrennt abgestimmt wurde. Während sich alle Räte gegen das Gebiet Spießhart aussprachen, votierten fünf Räte für die Erhaltung des kompletten Bergäcker-Halden-Bereichs, allein Katharina Ziegler würde das Areal gar nicht bebauen. Gespannt sein darf man jetzt, wie der Reutlinger Gemeinderat auf die Ablehnung der Sondelfinger reagiert.