Der eine ist jung, der andere schon älter. Der eine studiert, der andere ist in Rente. Und doch finden sowohl der 23-jährige Jakob Hinträger als auch der 73-jährige Alois Heinrich: Sich im Verein zu engagieren, das gehört dazu. Hinträger ist in der Stadtkapelle Weißenhorn aktiv, Heinrich im SC Vöhringen. Warum ist ihnen das so wichtig? Ein Generationen-Interview.
Ganz spontan, wie würden Sie Ihre beiden Vereine beschreiben?
Jakob Hinträger: Lustig, kameradschaftlich. Wir sind ein Verein mit einem tollen Zusammenhalt. Es geht nicht nur um die Musik. Wir haben zum Beispiel eine Patenkapelle in Südtirol, zu der wir gemeinsam fahren.
Alois Heinrich: Ja, die Gemeinschaft ist ganz wichtig. Die gehört einfach dazu. Ich habe im Verein Freundschaften aufgebaut, die halten bis heute an. Man hat viele gemeinsame Erlebnisse, macht Ausflüge. Der Verein ist für mich Heimat geworden über die Jahre.
Sie sind ja auch schon sehr lange dabei, Herr Heinrich. Wie kam es dazu?
Heinrich: Ja, ich bin seit meinem 18. Lebensjahr ehrenamtlich aktiv. Als Jugendlicher habe ich Handball gespielt und man hat dann erkannt, dass ich nicht nur das gut kann. Ein Bekannter, der damals Schriftführer war, ist zu meinen Eltern gegangen und hat gesagt, der Alois könnte doch Stellvertreter machen. Mein Vater war am Anfang dagegen.
Warum das? Sollten Sie lieber in der Gastwirtschaft Ihrer Eltern helfen?
Heinrich: Nein. Er hat gewusst, dass es auch negative Aspekte gibt. Dass so ein Amt mit viel Arbeit verbunden ist und man auch Kritik einstecken muss, wenn man in der Öffentlichkeit steht.
Aber Sie haben nicht auf ihn gehört.
Heinrich: Gott sei Dank nicht, muss ich heute sagen. Ich wollte durch das Ehrenamt auch das zurückgeben, was der Verein mir selbst als Jugendlicher gegeben hat. Später war mein Vater stolz.
Durch den Bekanntenkreis der Eltern in den Verein
Herr Hinträger, wie war das bei Ihnen?
Hinträger: Für mich war es nie eine Frage, in einen Verein zu gehen. Ich bin von Grund auf so erzogen worden, dass das wichtig ist. Im Bekanntenkreis meiner Eltern sind ziemlich viele in der Stadtkapelle aktiv und dann hieß es, als ich 13 Jahre alt war, ich soll doch auch mal kommen. So bin ich da reingerutscht und dann auch geblieben.
Und jetzt auch in der Vorstandschaft. Reicht es nicht, einfach Mitglied zu sein – ohne Amt?
Hinträger: Ich denke, es ist ein ganz wichtiger Schritt, von dem Part „Ich spiele mit“ hin zu „Ich übernehme ein Amt, ich übernehme Verantwortung“.
Heinrich: Mein Appell an die jungen Leute wäre sicherlich auch, sich ab einem bestimmten Alter Gedanken zu machen: Was kann ich meinem Verein zurückgeben? Aber man muss auch sagen, dass es nicht jedem gegeben ist, so ein Ehrenamt auszuführen.
Sie meinen, man braucht eine bestimmte Persönlichkeit?
Heinrich: Es gibt Leute, so wie Jakob, die bringen von Haus aus viel mit. Die haben keine Berührungsängste. Man braucht auch Schneid, das zu machen. Als ich stellvertretender Abteilungsleiter wurde, war ich noch keine 18 Jahre alt. Für mich war es das Schlimmste, vor versammelter Mannschaft eine Rede zu halten. Ich glaube, da habe ich die ganze Nacht nicht geschlafen.
Hinträger: Ich finde, man muss nicht zwanghaft ein Amt ausüben. Es gibt viele, die wollen das nicht, sind aber immer da, helfen immer mit. Die braucht es genauso. Es geht darum, dass man sich generell einbringt.
Nachwuchs: Außenwirkung des Vereins ist wichtig
Gibt es denn genug Menschen, die das tun? Stichwort Nachwuchs.
Heinrich: In der Handballabteilung haben wir kein Nachwuchsproblem. Die Abteilung hat schon seit vielen Jahren ein sehr gutes Image, auch wenn der sportliche Erfolg bei den Männern gerade nicht so da ist. Es ist ganz wichtig, dass die Außendarstellung stimmt, damit die Eltern dem Verein ihre Kinder anvertrauen.
Hinträger: Bei uns ist es leider kritischer. Es gibt einfach ein sehr breites Angebot an Freizeitaktivitäten und es ist aktuell so, dass Blasinstrumente spielen eher auf dem absteigenden Ast ist.
Kann das auch daran liegen, dass junge Menschen vielleicht ein eher biederes Bild von Musikkapellen haben?
Hinträger: Ja. Dabei glaube ich, dass es vielen gefallen würde, wenn sie sehen würden, wie es bei uns wirklich zugeht. Es gibt ja jetzt auch moderne Kapellen und Blasmusik-Festivals. Und der Trend für Volksfeste ist in den letzten Jahren wieder deutlich nach oben gegangen.
Heinrich: Das sieht man hier auch beim Stadtfest oder beim Sommerfest. Wie viel junge Leute da in Lederhose oder Dirndl kommen. Das ist wieder in. Und es ist auch so, dass viele nicht nur wegen der Ballermann-Musik kommen. Wer hat denn vor 20 Jahren von den Jungen den böhmischen Traum oder die Vogelwiese gekannt? Heute kennt das jeder.
Jakob, könnte es sein, dass auch die Corona-Pandemie in Sachen Nachwuchs Spuren hinterlassen hat?
Hinträger: Ja, das denke ich schon. Es konnte ja kein richtiger Unterricht stattfinden. Bei uns in der Kapelle war das aber überhaupt kein Thema, da haben bis auf eine Ausnahme alle wieder mitgemacht, nachdem es wieder losging.
Heinrich: So war es bei uns auch im SC Vöhringen insgesamt. Wir hatten schon auch rückläufige Mitgliederzahlen, die jetzt aber wieder aufgeholt werden.
Und wie ging es Ihnen persönlich in der Pandemiezeit?
Heinrich: Das war natürlich schon ein Einschnitt, für uns alle. Aber es hat auch im Hintergrund immer Sachen gegeben, die man erledigen musste. Mir ist trotz Pandemie nicht langweilig geworden.
Hinträger: Ja, und man hat immer Kontakt gehabt, über das Smartphone ist das ja kein Problem.
Auch Kinder und Enkel sind im Sport engagiert
Apropos Langweile. So ein Ehrenamt nimmt ja auch einige Zeit in Anspruch. Wird das nicht manchmal alles zu viel mit Studium, Familie, Job?
Hinträger: Natürlich denkt man sich manchmal, heute habe ich keine Lust in die Musikprobe zu gehen. Vor allem, wenn man viel zu tun hat. Aber das ist immer bloß so, bis man mal da ist. Wenn man dann anfängt zu spielen, denkt man: Gut, dass ich gekommen bin.
Und bei Ihnen, Herr Heinrich? Sie haben ja auch Familie und zwei Kinder, die mal klein waren.
Heinrich: Sicherlich hat meine Frau öfters mal gedacht: Jetzt reicht es langsam mal. Aber sie hat es mich nicht spüren lassen, weil sie gemerkt hat, dass sie mich nicht ändern kann. Sie hat mich als engagierten Mann kennengelernt, und das bin ich geblieben. Heute kann ich sagen, ich hätte mich noch ein bisschen mehr einbringen können, als meine Kinder kleiner waren. Aber meine Familie ist mir nicht gram, meine Kinder und Enkel sind auch im Sport engagiert.
Würden Sie sagen, dass der Sport oder auch das Musikmachen Teil Ihrer Identität ist?
Heinrich: Das ist eine schwierige Frage. Der Verein steht nicht über allem. Ich bin ein SCV-Sportler, das weiß man hier. Aber über den Sport hinaus gibt es viele andere Sachen, die mich ausmachen, zum Beispiel meine Familie.
Hinträger: Das sehe ich auch so. Wenn irgendwas Wichtiges ist familienmäßig, dann sage ich im Verein: Du, ich habe jetzt keine Zeit.
Sie würden sich selbst also wahrscheinlich nicht als Vereinsmeier bezeichnen. Was sagen Sie zu diesem Begriff?
Heinrich: Das Wort hat ja doch einen negativen Touch. Wenn jemand ein Ehrenamt mit Herzblut macht, dann engagiert er sich und macht vielleicht mehr als andere. Wenn einer meint, das ist ein Vereinsmeier, dann soll er das denken. Aber da stehen wir drüber.
Hinträger: Ich kann nur zustimmen. Meistens kommen solche Kommentare von Menschen, die wenn nur passives Mitglied in irgendeinem Verein sind. Das höre ich gar nicht.
Es gibt auch Reibungspunkte unter den Mitgliedern
Sehen Sie denn selbst auch negative Seiten am Vereinsleben?
Hinträger: Ja, manchmal regt man sich auch auf. Bei Veranstaltungen ist es oft so, dass immer die Gleichen zum Aufbau und Abbau kommen. Mir wäre das unangenehm.
Heinrich: So ist es auch bei unserem Sommerfest. Da braucht man viele tüchtige Hände und muss dann betteln und nachfragen. Ein anderes Thema waren die Fahrten zu Spielen im Jugendbereich. Da hat es Eltern gegeben, die haben ihre Kinder zum Abfahrtspunkt gebracht und sich dann einen schönen Tag gemacht, anstatt mitzufahren und sich das Spiel anzuschauen. Und man hat dann Probleme gehabt, Fahrer zu finden. Also es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Ein Verein, der lebt. Mit negativen Seiten und mit positiven Seiten, die Gott sei Dank überwiegen.
Gehört dazu auch der Austausch zwischen den Generationen? Gibt es den überhaupt?
Hinträger: Ja, wir sind immer zusammen unterwegs, da gibt es keine Trennung. Und man bekommt viel Erfahrung mit. Wenn man droht, auf die Schnauze zu fliegen, auf gut Schwäbisch gesagt, sagt einer: Mach das doch lieber so.
Heinrich: Meine Erfahrung ist, dass das Gefüge zwischen Jung und Alt früher etwas ausgeprägter war. Aber im Großen und Ganzen ist es doch eine Gemeinschaft, die sich austauscht. Die Jungen profitieren von den Älteren und die Älteren profitieren von den Jungen.
Zu den Personen
Jakob Hinträger, 23 Jahre alt, ist in Weißenhorn geboren und aufgewachsen. Er spielt seit zehn Jahren in der Stadtkapelle Weißenhorn e.V. 1911 Schlagzeug und ist seit diesem Jahr als Instrumentenwart in der Vorstandschaft. Außerdem war er in der Katholischen Jungen Gemeinde (KjG) Weißenhorn tätig und ist in der Narrenzunft Eschagore aktiv. Er studiert Weinmarketing und Management an der Hochschule Heilbronn.
Alois Heinrich, 73 Jahre alt, kommt aus Vöhringen. Er war in der Handball-Abteilung des SC Vöhringen 1893 e.V. (früher TSV Vöhringen) stellvertretender Abteilungsleiter sowie Abteilungsleiter, leitete obendrein die Abteilung Stockschießen. Zudem spielt er Tennis und besucht das Fitnessstudio des SCV. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und vier Enkelkinder.