Die Zahlen sind zwar wieder besser, aber die Zahlen sind eben nicht alles – oder wie es Guido Limmer, Vize-Polizeipräsident aus Kempten, am Donnerstag im Innenausschuss des Neu-Ulmer Stadtrates formulierte: „Wir haben bundesweit das Problem, dass die objektive Sicherheit immer besser wird, aber das subjektive Sicherheitsgefühl sinkt.“ Der Ausschuss beschloss einstimmig: Um das „Dunkelfeld“ aufzuhellen, das subjektive Sicherheitsgefühl zu ermitteln, lässt sich Neu-Ulm kommendes Jahr für 9000 Euro ein Sicherheitsaudit erarbeiten.
Ulm will Studie ebenfalls durchführen
8000 Bürger sollen dafür interviewt werden. Durchgeführt wird die Studie von Professor Dieter Herrmann vom Institut für Kriminologie der Uni Heidelberg. Dieser soll 2020 auch in Ulm mit dem selben Auftrag betraut werden. Beide Städte werden als ein Lebens- und Wirtschaftsraum betrachtet. Wobei in Ulm, sagt Bürgerdienste-Chef Rainer Türke, die Sicherheitsbefragung bislang nur verwaltungsintern diskutiert worden sei. „Wir sind noch im Verfahren, arbeiten gerade mit der Polizei den Fragebogen aus.“ Der Gemeinderat sei damit noch nicht befasst worden.
Sicherheitslage soll komplett erfasst werden
Initiiert hatten das Audit in Neu-Ulm die Fraktionen von CSU, Grünen und Pro Neu-Ulm im Juli. Ihr Antrag lautete, eine kriminologische Regionalanalyse zu machen, was wegen der gewünschten Vergleichbarkeit mit Ulm in ein Audit umgewandelt wurde. Zudem ist der Fokus beim Audit eher auf die Bürger gerichtet, was als sinnvoll erachtet wird. Ziel ist eine ganzheitliche Bewertung der Sicherheitslage, die eine passgenaue Prävention seitens der Kommune möglich macht.
Oberbürgermeister fordert mehr Polizei
Hintergrund des Antrags war die 2018 gestiegene Kriminalitätshäufigkeitszahl in Neu-Ulm. Ein Wert, der sich aus der Anzahl der registrierten Straftaten auf fiktive 100 000 Einwohner ergibt. Diese Zahl war von 6581 im Jahr 2017 auf 7574 in 2018 geklettert und lag damit höher als in Memmingen mit 6023 oder in Ulm mit 7380. Schon im Sommer hatte Oberbürgermeister Gerold Noerenberg deshalb mehr Polizei gefordert. Das Präsidium und die Inspektion in Neu-Ulm antworteten damals, Noerenberg interpretiere die Zahlen nicht richtig.
Gewaltverbrechen gehen zurück
Vize-Präsident Limmer erklärte am Mittwoch: Die Gewalt- und Straßenkriminalität gehe aktuell in Neu-Ulm zurück – wobei hierbei nicht nur die Stadt, sondern der auch Nersingen und Elchingen umfassende Inspektionsbereich gemeint ist: in den ersten zehn Monaten dieses Jahres um 80 Fälle im Vergleich zum Vorjahr mit rund 950 Fällen. Rauschgiftdelikte seien in selbem Umfang registriert worden, etwa 400 Fälle, was mit dem hohen Kontrolldruck zusammenhänge. Für Ausschläge nach oben seien „Verschiebungen im unsichtbaren Bereich“ verantwortlich: Vermögensdelikte etwa (plus 20 Prozent) oder Betrugsdelikte (plus 27 Prozent). Derzeit stehe die Kriminalitätshäufigkeitszahl bei 7200. Eine gute Entwicklung also.
Direktor des Amtsgerichtes: Neu-Ulm ist sicher
Der Vize-Polizeipräsident betonte: „Wir können die Sicherheit aufrecht erhalten.“ Bei der Drogenrazzia in der Reuttier Straße im Januar etwa seien sieben Streifen vor Ort gewesen. Dennoch könne die Polizei Neu-Ulm natürlich mehr Personal brauchen. 2020 sei ein „Zuwachs“ absehbar. CSU-Stadtrat Thomas Mayer, der als Amtsgerichtsdirektor Einblicke hat, ergänzte: „Der Eindruck ist falsch, dass man sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße trauen kann. Wir leben nicht in unsicheren Zeiten.“
OB Noerenberg übt erneut Kritik
Die sieben Streifen würde er gerne jeden Tag auf der Straße sehen, ätzte gleichwohl der OB. Er wiederholte seine Kritik vom Sommer, wobei er betonte, diese treffe „nicht die örtliche Polizeistation“. Aber in Neu-Ulm würden die Beamten „verschlissen“, das Innenministerium habe die Weichen erst falsch gestellt.
Noerenberg sagte, teils habe der Rechtsstaat kapituliert. Er fühle sich wie „in einer Bananenrepublik“, wenn etwa Köln eine Halteranfrage ins Leere laufen lässt oder Hamburg über Jahre besetzte Häuser nicht räumt.
Fragen zu No-Go-Areas und Polizeipräsenz
Audit In der „Umfrage zur Sicherheitslage“ sollen die Bürger etwa angeben: Haben Sie ihre Freizeitaktivität eingeschränkt, weil Sie Angst davor hatten, Opfer einer Straftat zu werden? Meiden Sie gewisse Straßen oder Örtlichkeiten? Wann haben Sie das letzte Mal eine Polizeistreife in ihrem Stadtteil/Ort gesehen?
Ordnungsdienst Um den Bürgern auf der Straße ein gutes Gefühlt zu geben, setzt die Polizei in Neu-Ulm auch die Sicherheitswacht ein. Zudem wird ab 2020 der Kommunale Ordnungsdienst patrouillieren. Wobei hier die Stoßrichtung weniger auf Straftaten, als auf der Einhaltung der städtischen Satzungen liegt.
Hotspot Nachdem es immer mehr Fälle von Gewalt und Drogenhandel an der Caponniere gegeben hatte, verhängte die Stadt dort im Frühjahr von 21 bis 6 Uhr ein Aufenthaltsverbot. Auch Alkoholkonsum ist untersagt. Dank dieser Regelungen könne die Polizei durchgreifen, berichten Anwohner. Das Problem sei erledigt.