FRIZZ: 8.000 Fallschirmsprünge hast du hinter dir – wann war der erste?
Moritz: Das war mit 16, der damals frühestmögliche Zeitpunkt. Meine Mutter war lange dagegen, hat sich dann aber damit arrangiert. In Gedanken war ich schon tausendmal gesprungen. Das wollte ich schon im Kindergarten, aber keiner weiß, warum. Ich wollte immer springen, in der Grundschule hatte ich sogar schon Fachzeitschriften abonniert. Die Zeit bis zum ersten Sprung habe ich mit Turmspringen im Schwimmbad überbrückt.
Gab es denn beim Springen auch brenzlige Situationen?
Ja, sogar sehr viele, ich habe über den Daumen gepeilt schon 25 Mal den Reserveschirm benutzt, was eine extrem schlechte Quote ist – normal wäre gar nicht, maximal zwei- oder dreimal. Das liegt aber auch an der Wahl der Ausrüstung. Ich habe viele Hochgeschwindigkeitslandungen mit schnellen Fallschirmen gemacht, die sind sensibler und es kommt öfter zu solchen Situationen. Natürlich habe ich auch schon Bekannte durch den Sport verloren, aber das ist eben kein Hobby wie Angeln – ganz ohne Risiko ist es nicht. Zum Glück lief es bei mir immer glimpflich ab, mal war die Hand angebrochen, mal gab es eine Fersenprellung, aber alles in allem war‘s eher Kleinkram.
Was sagt deine Familie zu deinem Hobby?
Ich bin geschieden, aber meine Ex-Frau hat das früher super mitgemacht. Es kam dann privat viel zusammen – inzwischen wäre ich wohl deutlich kompromissbereiter …
Jetzt bist du aufs Ballonfahren umgestiegen und knackst da Rekorde …
Ja, ich werde ruhiger und springe deutlich weniger, seit sieben Jahren fahre ich intensiv Ballon. Ich habe teilweise mehr Flugstunden als mancher, der das hauptberuflich macht.
Das heißt, man kann dich buchen?
Nein, ich helfe nur gelegentlich aus, bei Sunshine Ballooning in Langenau. Das sind dann eher die Rosineneinsätze, zum Beispiel für einen Heiratsantrag – sonst mache ich das nur privat.
Und was machst du hauptberuflich?
Ich bin Lehrer, hatte aber gerade eine längere Auszeit. Lange war ich der Experte für eher schwierige Schüler und schwierige Klassen. Dann wurde mein Vater krank und die Doppelbelastung hat mich an meine Grenzen gebracht. Nur das Ballonfahren macht mir zwischendurch den Kopf frei.
Du hast den Rekord gebrochen und warst über 13 Stunden im Ballon – was macht man da?
Das ist extrem mental. Nach ein paar Stunden hat man Krämpfe in den Armen, man muss ja konzentriert fahren, um die Verbrauchswerte niedrig zu halten. Vorher schläft man meist auch nicht gut und dann ist so ein Flug auch ein Kampf mit der Müdigkeit. Normalerweise fährt man nicht tagsüber zumindest im Sommer wegen der Thermik – aber wenn der Flug so lange ist, muss man das machen. Denn nachts ist es kälter und der Gasverbrauch höher. Und zwischendurch muss man auch mal in eine Flasche pinkeln – das bleibt nicht aus.
Nun soll es ja nicht nur lang, sondern auch hoch hinaus gehen 10.000 Meter mit dem Ballon sind von dir angepeilt. Richtig?
Stimmt, ich hatte den Rekordversuch kurz mal wieder abgehakt, aber jetzt reizt es mich wieder. Wann das aber klappen könnte, ist unabsehbar – das kann in einem Monat oder in fünf Jahren sein – das hängt von unglaublich vielen Faktoren ab. Technik, Luftsicherheit, und, und, und. Im Moment experimentiere ich mit Druckminderern, um den Druck des Brenners abhängig von der Höhe regeln zu können – es hängt viel von der Technik ab.
Wie ist das so weit oben nur in einem Ballonkorb?
Es ist ein unfassbarer Ausblick. Oben sieht man schon, wie der Himmel anfängt dunkel zu werden. 6.000 Meter über Ulm sieht man im Westen Frankreich und im Osten Tschechien. Auf 8.000 kann man über die Alpen die Adria ausmachen, das ist besser als Fernsehen. Aber man muss auf unglaublich viel achten: Man braucht Sauerstoff, ab 30 Minuten in 3.600 Metern. Denn wenn man lange in der Höhe ist, kommt man ins Defizit. Zunächst merkt man das gar nicht, steigt aber sehr schnell in die Höhe – das ist kein Spaziergang. In dieser Höhe fliegen auch Flugzeuge, der Ballon hat aber immer Vorfahrt. Bevor man in diesen kontrollierten Luftraum aufsteigt, muss man einen Flugplan aufgeben, und bekommt dann die Freigabe oder eben nicht.
Die Sache mit dem Wetter – wann kann man denn überhaupt Ballonfahren?
Gewitter ist ein Ausschlusskriterium –dann wird’s Mist. Die bilden sich auch nicht kontrolliert über einen längeren Zeitraum. Nein, das kann ganz schnell gehen. Prinzipiell kann man aber das ganze Jahr über fahren, auch im Winter. Jede Jahreszeit hat ihren Reiz, gerade im Winter geht das Fliegen gut tagsüber, weil es keine Thermik gibt. Der Knaller ist über die Schwäbische Alb mit Schnee und blauem Himmel – das kommt aber zugegebenermaßen selten vor. Am schönsten find ich es im Herbst: bunte Blätter im Indian Summer und dann durchs Blautal.
Dein schönster Flug?
Am 5. Januar 2019 von Füssen nach Parma über die Alpen. Das beste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Da sind die Alpen – am Horizont nur Berge. Das war ein bisschen wie der Eisplanet bei „Star Wars – das Imperium schlägt zurück“.
Deine verrückteste Landung?
Bei Husqarna im Donautal auf dem Firmenparkplatz. Da bin ich so gelandet, dass ich kaum abbauen konnte, weil viel zu wenig Platz war.
Fliegst du allein oder muss man immer jemand mit an Bord haben?
Allein ist die Ausnahme – zum Beispiel bei einem Rekord oder bei Wettkämpfen. Als ich von Ulm in die Westkarpaten gefahren bin, war ich auch allein, auch, weil man wegen der vielen Ausrüstung gar keinen weiteren Platz mehr hat. Das ist dann schon extrem: sieben, acht Stunden ganz allein mit seinen Gedanken – das hat etwas Meditatives, es ist eine Ausnahmesituation. Aber sonst fliege ich immer mit jemandem, meist sind wir zu fünft.
Gibt es sonst noch ein Hobby – oder muss es etwas mit fliegen zu tun haben?
Ich spiele Boule – aber das natürlich auch wieder in der Liga. Da gibt es eine große Szene hier – Franzosen, die hier wohnen und eigene Bahnen im Garten haben. Das Ganze wird dann verbunden mit gutem Essen. Zwischendurch immer mal ein Spielchen – das ist sehr entspannend …
[frizz]
Zur Person
Moritz Friess ist 51 Jahre alt und wohnt in Pfuhl. Er ist Lehrer an der Emil-Schmid-Schule in Neu-Ulm. Friess war in der Nationalmannschaft für Formationsspringen. Seinen bisher größten Erfolg konnte er vor drei Jahren in Australien feiern: Damals wurde er Weltmeister im Speed Skydiving. Nun stellt er im Ballonfahren neue Rekorde auf, zum Beispiel die längste Fahrt mit 13 Stunden 27 Minuten.