Zwischen April und Juni kommen Rehkitze zur Welt, doch diese birgt Gefahren. Eigentlich suchen Rehe für ihren Nachwuchs, der sich rund 14 Tage nicht von der Stelle bewegt, hohes Gras zu deren Schutz auf: „In den ersten sechs Wochen haben Kitze keinen Eigengeruch. Im hohen Gras sind sie sicher vor den Füchsen“, erklärt Susann Hahl, Jagdpächterin auf der Gemarkung Hayingen.

Auch Feldhasen und Bodenbrüter

Aber dafür lauern in diesem Sichtschutz ganz andere Gefahren: Rund 100 000 Rehkitze werden in Deutschland jährlich bei der Mahd getötet, auch Feldhasen und seltene Bodenbrüter sind oft Opfer von landwirtschaftlichen Maschinen. „Häufig werden am Abend vor der Mahd die Wiesen abgelaufen. Aber die Kitze sind so klein, dass man sie mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann. Wenn sie älter sind, laufen sie weg, aber kleine Rehe drücken sich an den Boden und bleiben unbemerkt“, sagt Hahl. Für den Landwirt ist es sehr schwierig, das Rehkitz rechtzeitig vor dem Mähwerk zu erkennen, so führen die Mähmaschinen zu grausamen Verletzungen, zu Verstümmelungen und zum Tod. Oft schon hat Susann Hahl in den letzten Jahren verletzte und getötete Tiere gesehen, doch damit wird nun hoffentlich Schluss sein. Denn dank eines Modellvorhabens des Kreisbauernverbandes Reutlingen konnte eine Drohne mit Wärmebildkamera angeschafft werden, um die Sterberaten bei Rehen, Hasen und Vogelbruten zu verringern. 75 Prozent der Gesamtkosten in Höhe von 10 479 Euro übernimmt der Kreisbauernverband, der Rest wird von der Jagdpächterin getragen, die sich auch über eine finanzielle Beteiligung der Stadt Hayingen freuen würde.
Laut Vorsitzender Gebhard Aierstock geht es vorrangig um Tierschutz, darüber hinaus aber auch um die Vermeidung von Wildschäden zum Beispiel in Maisäckern: „Wildschweine können mit einer Drohne effizient aufgespürt werden“. Die Drohne soll jedoch nicht nur auf der Reviergemarkung Hayingen eingesetzt werden, sondern auch in anderen Naturschutzgebieten des Biosphärengebiets.
Vor Sonnenaufgang suchen
Derzeit gibt es viel zu tun, die Jungtiere sind gesetzt und das Gras wird gemäht. Jetzt sind die Jäger auf die Mithilfe der Landwirte angewiesen, wie Susann Hahl mitteilt. „Die Zusammenarbeit mit den Bauern funktioniert sehr gut. Sie teilen uns mit, wann sie ihre Wiesen mähen wollen. So können wir diese vor Sonnenaufgang mit der Drohne überfliegen und gezielt nach Kitzen suchen“.
Und erfolgreich ist man meistens, wie Manfred Lochbühler von der Jagdschule in Laupheim deutlich macht. Nicht selten spürt er innerhalb weniger Stunden bis zu 15 Kitze in Waldnähe auf. Auch in Hayingen wird er fündig und lotst die beiden Jagdaufseher Eduard Primus und Georg Knupfer, der künftig die Drohne in Hayingen fliegen wird, an die Ablagestellte mitten auf der Wiese.

Mit Ohrmarke

Mit Handschuhen heben sie das nur wenige Tage alte Kitz vorsichtig aus dem Gras und bringen es in den Wald, wo es bald wieder von seiner Mutter gefunden werden wird. Zuvor jedoch bekommt es eine Ohrenmarke. Denn derzeit läuft ein landesweiter Versuch der Wildforschungsstelle Aulendorf, die dadurch Kenntnisse über das Bewegungsverhalten des Rehwildes erlangen will. Sie hat laut Lochbühler auch herausgefunden, dass sich die Geburt der Kitze in diesem Jahr verzögert hat. „Rehe sind in der Lage, den Zeitpunkt ein stückweit zu steuern und haben die Eisheiligen abgewartet“, ist Lochbühler überzeugt.
Er lenkt seine Drohne gern auf rund 80 Meter Höhe: „Da bekommt man insbesondere bei unterschiedlichem Gelände einen guten Überblick“. Auf seinem Display erscheint eine Geländekarte, die ihm genau anzeigt, was er bereits überflogen hat. Nur in den kühlen Morgenstunden kann die Wärmebildkamera der Drohne den Unterschied zwischen Körpertemperatur und Boden erkennen. Früher mussten die Wiesen Meter für Meter von Menschen abgelaufen werden, heute erledigt das die Drohne, die sich rund 500 Meter von ihrem Piloten entfernen kann. Künftig soll sie auch in Hayingen dafür sorgen, dass die erste Futterernte des Jahres nicht zur Todesfalle für Bambis wird.