Werner Theis ist seit mehr als 30 Jahren als erfolgreicher Unternehmer in der IT-Branche tätig. Entspannung von der Welt der Bits und Bytes findet er in der Literatur. Seit er 14 ist schreibt er eigene Texte. Held seines neuesten Romans ist ein adeliger Kommissar. Ein Gespräch über eine Welt im Wandel und die Macht des geschriebenen Wortes.
Herr Theis, Ihr jüngstes Buch ist ein Regionalkrimi. Warum haben Sie sich einen Zug ausgesucht, auf den bereits sehr viele andere Autoren aufgesprungen sind?
Werner Theis Meine Schreibperspektive ist eine andere. Ich frage mich: Welches Anliegen passt zu welcher Form? Im Krimi „Tatort Glashaus“ geht es um Bandenkriminalität, das posttraumatische Belastungssyndrom und das Darknet. Ich habe diese Themenkomplexe eine Weile hin- und hergewendet. Plötzlich ist mir, ich saß bei meiner 89-jährigen Mutter in Reutlingen an einem späten Sonntagnachmittag, das Vehikel dazu eingefallen. Jedes Anliegen, jedes Buch benötigt einen originellen, einen interessanten Charakter. Mit Graf Brühlsdorf, dem adligen Hauptkommissar a.D. mit Villa auf einer der Tübinger Hügellagen, hatte ich den gefunden. Jedenfalls hoffte ich das, als ich die erste Geschichte zu schreiben begann. Die Tatsache, dass der Roman erschienen ist, scheint mir wenigstens teilweise rechtgegeben zu haben.
Wie schaffen Sie es, in Ihrem Regionalkrimi noch neue und frische Perspektiven zu finden?
Ehrlich gesagt habe ich gar nicht erst versucht, einen Regionalkrimi zu schreiben. Mir ging es darum, die Wirklichkeit um uns herum in eine spannende Geschichte mit anrührenden, meist sympathischen Handelnden zu kleiden. Wer mit offenen Augen und Ohren durch sein Leben geht, wer gut beobachtet und seine Texte mit einem Schuss Humor und ein oder zwei Prisen Ironie würzt, schafft auch diese neue, etwas andere, also frische, Grundnote, die ein Buch besonders machen kann. Das Lokalkolorit ist eine Folge des Lebensmittelpunkts der Heldinnen und Helden. Das Heimatliche ein wenig augenzwinkernd anzureichern, war dann mehr Vergnügen als planende Absicht. Wenn man mit der Schreiberei fertig ist, bleibt die Hoffnung, dass das Geistesmahl, das man vorbereitet, gekocht und angerichtet hat, munden möge. Bevor ich’s vergesse: Der zweite Band, er dreht sich um Knowhow-Diebstahl und staatliche Cyberkriminalität, ist schon geschrieben und im Verbesserungsprozess. Falls Verlag und Leserinnen und Leser es wollen, gäbe es vielleicht eine noch spannendere Fortsetzung der Brühlsdorfschen Abenteuer.
In Ihrem Roman Batgenes entwerfen Sie eine ziemlich düstere Vision der Zukunft. Warum sind Sie so pessimistisch?
Bin ich das? Ich denke, ich lasse meine beiden Protagonisten sprechen. Lou sagt ‘lass uns ein bisschen die Welt retten‘. Darauf antwortet Beth ‘Du übernimmst dich mal wieder‘. Pessimistisch ist das nicht. Das heißt aber nicht, dass die Zukunft rosig wäre, wenn die Menschheit so weitermachte wie bisher. Für mich ist unbestritten, dass sie nicht rosig sein wird, wenn es keine Einkehr gibt. Leider sieht es aktuell so aus, als würde Herr Putin mit seinem Krieg sie wenigstens stark be-, wenn nicht gar verhindern. Sollte Herr Jinping sich zu allem Übel Taiwan einverleiben wollen, könnte die Messe gelesen sein – um den etwas flapsigen Ton vom Anfang meiner Antwort aufzugreifen. Wie bei den Krimis ist auch bei der Science-Fiction-Trilogie der Anlass der Romane nicht nur, künstlerisch wertvoll, Spaß zu machen, kurzweilig und unterhaltsam zu sein. Der Inhalt soll auch zum Nachdenken beitragen. Der Spaß kommt dennoch nicht zu kurz, weil besonders Lou, der männliche Held, es faustdick hinter den Ohren hat. Gerade lehrreiche Texte müssen besonders gut sein, spannend, aufregend und berührend. Man muss mit den Heldinnen und Helden mitfühlen, mit leiden und sich mit ihnen freuen, wenn ihnen etwas gelingt oder sie Glück erfahren.
Geben Sie der Menschheit in den beiden noch folgenden Bänden von Batgenes doch noch eine Chance auf eine glückliche Zukunft?
Seine Partnerin Beth und Lou machen es sich zur Aufgabe, die Menschheit zu retten. Ich will nicht zu viel verraten, aber am Ende könnte es sein, dass sie das im gewissen Sinne mit vielen Schlenkern, Haken und Ösen sogar hinbekommen. Es gilt also: Lesen, überraschen lassen, genießen, was da alles an Abenteuern und Verstrickungen geschieht. Auch in den Folgebänden kommen Schmunzeln und Lachen zu ihrem Recht.
In Ihrem Roman Unfake IT geht es um die Gefahren von Hackerangriffen. Wie groß ist die Gefahr, die in den Tiefen des Internets lauert?
Es geht im Roman mehr um Videoüberwachung und Deepfakes als um Cyberangriffe. Sie spielen erst im Verlauf der Geschichte einer jungen Frau eine Rolle, die auszieht, sich selbst zu finden und zu verwirklichen. Dabei trifft sie auf sehr wichtige ethische und moralische Fragen, die dadurch entstehen, dass gut gemeinte Werkzeuge dazu eingesetzt werden, Menschen zu überwachen, sie ihrer Freiheit und Identität zu berauben, sie zu entmündigen, zu unterdrücken und zu knechten.
Unfake IT greift auch die Verfolgung der Uiguren durch die chinesische Regierung auf. Sollte die deutsche und europäische Politik das Thema Menschenrechte gegenüber China mit größerem Nachdruck ansprechen?
Die Frage stellt sich angesichts des drohenden Angriffs auf Taiwan ganz anders: Kann das aktuelle Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft, derart stark auf den chinesischen Markt zu setzen, wirklich auf die Dauer tragen? Kann man weiterhin glauben, dass wirtschaftliche Beziehungen Kriege verhindern und Wohlstand autoritäre Regime abmildern wird? Darf man also aus Opportunitätsgründen den Konflikt vermeiden und neben den Uiguren und den Hongkongern auch die Taiwanesen ihrem Schicksal überlassen? Die Herausforderung ist, ob wir in Deutschland und Europa einfach weitermachen können, als gäbe es Ethik und Moral als Handlungsmaximen in Wirtschafts- und Handelspolitik nicht. Leider hat niemand schlichte und passende Antworten darauf. Schon gar nicht existiert eine Garantie, ob die aus dieser Sicht richtige Entscheidung nicht zu teilweise erheblichem Wohlstandsverlust führen könnte, die unsere Gesellschaften überfordern könnte. Ich habe für mich als Mensch und Unternehmer vor Jahren entschieden, mit beiden Ländern (und weiteren) aus diesen Gründen keine Geschäfte zu machen. Der Chef oder die Chefin eines börsennotierten Großkonzerns können das möglicherweise gar nicht, weil ihre Gremien und Aktionäre das nicht zulassen würden. Das wiederum verweist die Verantwortung, ethisch und moralisch richtig zu handeln, auf jeden einzelnen zurück. Das ist tatsächlich ein riesengroßes Dilemma. Leider.
Was können wir Europäer Ihrer Meinung nach tun, um die antidemokratischen Kräfte, die unter anderem von China gefördert werden, zurückzudrängen?
Direkt und fast schon überheblich unmaskiert gefördert werden sie im Moment von Russland, während China eher sein Gesellschaftsmodell als erstrebenswert anpreist und mit dem Seidenstraßenprojekt gezielt finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeiten schafft. In beiden Fällen steht die Verdrängung demokratischer Strukturen auf der Tagesordnung. Wir Europäer müssen verstehen, dass wir eine koloniale Vergangenheit mit uns herumtragen, die die andere Seite gnadenlos für sich instrumentalisiert. Dass beide Mächte selbst postkolonial und postimperialistisch auftreten, kann bereits besichtigt werden – wenn man es sehen möchte und nicht die Augen davor verschließt. Was tun? Endlich eine gute, ehrliche und koordinierte europäische Entwicklungspolitik machen. Dazu allerdings müsste mehr Europa her und nicht weniger. Und Handel mit uns müsste daran geknüpft werden, dass die Menschenrechte respektiert werden. Noch sind wir als Markt attraktiv genug. Noch. Bald haben wir dieses Instrument vielleicht nicht mehr.
Begonnen haben Sie Ihren literarischen Weg mit Lyrik. Wie kommt ein Jugendlicher auf die Idee, Gedichte zu schreiben?
Herzschmerz, Weltschmerz: So fängt jeder Autor an. Zuerst waren es Songs, die dann an einer Sehnenscheidenentzündung zerschellten. Das Texten wurde zum Gedichteschreiben. Der Rest der Entwicklung entbehrt nicht einer gewissen Logik.
Sie haben eine eigene IT-Firma aufgebaut und sind dort im Management tätig. Woher nahmen und nehmen Sie überhaupt die Zeit für Ihre literarische Arbeit?
Jeder Mensch hat ein oder auch mehrere Hobbys. Die meinen drehen sich seit einigen Jahren überwiegend um Literatur. Wer fokussiert und effizient Dinge zu erledigen gewohnt ist, macht das immer – auch beim Hobby. Wenn das mit einer überbordenden Fantasie verbunden ist und von jemandem betrieben wird, der das Wort Schreibblockade nicht kennt, dann kommt das heraus, was in meinem Fall zu besichtigen ist. Zum Glück habe ich eine vielbeschäftigte Ehefrau, die das zulässt. Ein gelegentliches, sicherlich berechtigtes, Stirnrunzeln habe ich allerdings schon zur Kenntnis nehmen müssen.
An welchen neuen Projekten arbeiten Sie derzeit? Und wovon lassen Sie sich dabei inspirieren?
Es gibt zweite fertige Bände der beiden Reihen Batgenes und Brühlsdorf, die beide je eine Webseite haben, die ich pflege. Letztlich bin ich nichts anderes als ein sehr aufmerksamer, vielleicht sogar aufgeweckter Zeitgenosse, der das, was er sieht und erlebt, durch sich hindurch und dabei verändernd in Sprache fließen lässt, die die eine oder andere literarische Form annimmt. Dadurch gehen mir Themen und Geschichten nicht aus. Die Zahl der Literatur-Projekte, die ich entwickle, führt dazu, dass ich einen Weg finden sollte, den Tag und mein Leben zu verlängern. Im Ernst, es würde den Rahmen des Gesprächs sprengen. Alles, was ich als Autor und Feuilletonist mache, unterliegt selbstredend der Prämisse, dass im Zweifel Ehe, Familie und Firma Vorrang haben.
Als Autor verwenden Sie das Pseudonym Walther Stonet. Wie sind Sie auf den Namen gekommen?
Das werde ich oft gefragt. Die Antwort ist eher banal. Ich wurde während meines Studiums angesprochen, im Lokalteil des Mannheimer Morgens zu berichten. Dazu brauchte ich ein Beitragskürzel. Ich wählte „Walther“ als deutsche Übersetzung meiner Namensakronyme WALT. Meine Sonetterei führte zum Ehrentitel „Stonet“, der nichts anderes darstellt als eine Verballhornung von Sonett. Ich beschloss, das als Nachname meines Journalisten-Alias Walther zu verwenden – nach dem Motto: Wer sich selbst zu ernst nimmt, ist selbst schuld. Fertig war der Autorenname. Ganz nebenbei: Das Alias Walther ist älter als das Internet.