Wir haben Glück gehabt“, sagt Martin Prenzel, doch angesichts dessen, was er und seine Frau Franzisca durchgemacht haben – und noch durchmachen –, denkt man: Nein, Glück gehabt haben die beiden nicht. Denn ihre kleine Tochter Mara starb zwei Tage nach der Geburt. Mara hatte einen Gendefekt. Die Eltern wussten bereits im Vorfeld, dass ihr Baby nicht lange würde leben können. Das war im vergangenen September.
„Wir haben Glück gehabt“, sagt Martin Prenzel, „weil wir viel Mitgefühl und Unterstützung erhalten haben.“ Erst im Nachhinein, in Gesprächen mit anderen Eltern nämlich, haben die beiden erfahren, dass Takt und Mitgefühl in dieser schwierigsten aller Situationen nicht selbstverständlich ist. „Wir haben von anderen Eltern Dinge gehört, die unglaublich unsensibel und taktlos sind“, sagt Franzisca Prenzel. Denn wenn Babys bei der Geburt – wie auch immer diese aussieht – weniger als 500 Gramm wiegen, besteht keine Bestattungspflicht.
Früher durften solche Kinder überhaupt nicht bestattet werden. „Das Beerdigungsrecht hat sich aber geändert. Jetzt darf man bestatten. Man hat sogar ein Recht darauf. Aber in den Köpfen ist das noch nicht angekommen“, sagt Martin Prenzel. Für manche Kliniken seien diese sehr kleinen Babys nämlich nach wie vor so etwas wie Abfall, der entsorgt werden muss. Franzisca Prenzel indes nennt diese Kinder „Stille Wunder“, die zur Welt gekommen sind in einer „Stillen Geburt“.
„Unsere Mara hatte nach der Geburt einen Krankenhausbody an“, erinnert sie sich. „Das war damals nicht schlimm für mich.“ Den Body und auch das Krankenhausmützchen durfte sie behalten. Sie sind heute wichtige Andenken. „Aber der Body ist gebraucht und ein bisschen kaputt. Heute finde ich es schade, dass ich nicht schönere Sachen zur Erinnerung habe.“
„Wir hatten ja das Glück – wenn man da überhaupt von Glück sprechen kann –, dass wir wussten, dass wir unsere Mara beerdigen müssen“, sagt Martin Prenzel. „Wir konnten uns also vorbereiten.“ Bei anderen Eltern sei das anders. Die sind wie vor den Kopf geschlagen, wenn ihr ersehntes Kind tot zur Welt kommt.
Vor allen diesen – aber überhaupt allen Eltern, die ihr Schicksal teilen, will das Paar helfen. Sie haben zum Beispiel eine Internetseite erstellt, auf der sie für Eltern viele Informationen zusammengestellt haben, die ihnen als Handreichungen in den schweren Tagen dienen sollen.
Franzisca und Martin Prenzel stellen auch sogenannte Abschiedsboxen* zusammen. „Kleiner Engel“ steht auf dem Deckel, mit einem ausgestanzten Schmetterling daran. Kleine, liebevoll gebastelte Schächtelchen finden sich darin, in denen die Eltern, wenn sie mögen, eine Haarlocke ihres Sternenkindes aufbewahren können. Es gibt ein Kärtchen für einen Fußabdruck, ein Zettelchen mit Hilfestellungen. Außerdem sind kleine Einschlagtücher darin, in die das tote Baby gewickelt, und ein Stoffnestchen, in das gelegt werden kann. In verschiedenen Größen nähen und basteln Franzisca Prenzel und ihre Helfer die Nestchen, die kleinsten sind gerade mal eine Handfläche groß. Süße, gehäkelte Mitgabegeschenke sind auch dabei. Schmetterlinge, Herzen oder Sternchen, zum Beispiel. „Manche bewahren darin aber auch ihre Erinnerungsstücke auf. Es sind ja meist nicht viele.“
Liebevolle Herstellung
Deshalb ist es Franzisca Prenzel wichtig, dass alles liebevoll hergestellt ist und dass die Stoffe und Farben zusammenpassen. Diese Abschiedsboxen* sollen nun an Kliniken und Bestatter übergeben werden, damit die etwas zur Hand haben, wenn es zum Schlimmsten aller Fälle kommt. „Das Krankenhaus in Crailsheim hat die Boxen schon in verschiedenen Größen, Öhringen ist in Bearbeitung. Mit dem Krankenhaus in Schwäbisch Hall sind wir im Gespräch“, sagt Franzisca Prenzel, die die Boxen aber auch allen Eltern zuschickt, die sie brauchen – von ihrer Homepage kann man Anfrageformulare herunterladen.
Das alles kostet natürlich ziemlich viel Geld – und verkaufen wollen die beiden die Boxen nicht. „Das geht doch nicht. Wir wollen doch Eltern in der schwierigsten Zeit helfen. Geld passt da nicht dazu.“
Deshalb sind sie froh um jede Hilfe, die sie bekommen können. Gerade zum Beispiel hilft die Nähgruppe der Familienbildungsstätte im Johannesgemeindehaus in Crailsheim. Nach dem Ende ihres Nähkurses haben sie sich extra noch einmal getroffen, um für „Stilles Wunder“ zu nähen.
So entstehen gerade Nestchen und Einschlagtücher in verschiedenen Größen. Für das Ehepaar Prenzel ist das Trost und Bestätigung des Engagements zugleich: „Wir erfahren so viel Positives. Das freut uns sehr.“
Unterstützung für die Aktion „Stilles Wunder“
Wer Franzisca und Martin Prenzel und ihre Aktion „Stilles Wunder“ unterstützen will, kann das mit Stoffresten, Näh- und Bastelhilfe, aber auch mit Geld tun. Die Sternenkinder sollen geschützt und behütet gehen dürfen, steht auf der Website des Paares. Weitere Informationen rund um das Projekt gibt es im Internet unter stilles-wunder.jimdo.com. uts
* - geänderter Name der Box
„Stilles Wunder“ hat uns gebeten, den Namen der Box zu ändern, da sich eine Firma den ursprünglichen Namen „Sternchenbox“ markenrechtlich schützen ließ.