Zerstörte Gebäude, ausgebrannte Autos, ein umgestürzter Bus mit geborstenen Scheiben, Berge aus Schutt, Beton und Eisen: Im diffusen Licht des Wintermorgens offenbart sich auf dem Areal der ehemaligen Neckartalkaserne in Mosbach im Neckar-Odenwald- Kreis eine Szenerie wie aus einem Katastrophenfilm. Brandgeruch in der Luft, in der Ferne flackernder Schein von Blaulicht durch den Nebel: Was geeignet ist, vielen Menschen einen Schauer über den Rücken zu jagen, zaubert Carmen Sharma ein breites Grinsen ins Gesicht: „Das ist ein Traum“, schwärmt sie.
Sharma gehört zur Rettungshundestaffel Unterland. Mit ihren Staffelkameraden ist sie an diesem Tag ins Training Center Retten und Helfen des Bundesverbands Rettungshunde gekommen, um die Suche nach Vermissten und Verschütteten in den Trümmern zu üben. Das Gelände auf dem ehemaligen Luftwaffenstützpunkt oberhalb von Neckarelz ist für ihre Zwecke ideal: „Hier können wir einsatzrelevant trainieren“, sagt die 51-Jährige.
Üppig Platz zum Üben
Nachrutschende Betonbrocken, Armierungseisen, kreuz und quer liegendes Altholz und meterhohe Schuttberge lehrten die Vierbeiner, sich vorsichtig zu bewegen. 6000 Quadratmeter Übungsfläche stehen zur Verfügung. „Da kannst du tagelang trainieren und immer wieder etwas Neues entdecken“, sagt Sharmas Kollegin Katharina Dietz.
Rund zwei Jahre ist es her, dass der Bundesverband Rettungshunde sein TCRH in Betrieb nahm. In dieser verhältnismäßig kurzen Zeit hat sich das Gelände rasch einen Namen gemacht. Längst üben hier nicht mehr nur Rettungshundestaffeln den Ernstfall; Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, THW, Rettungsdiensten und Katastrophenhilfeorganisationen geben sich sprichwörtlich die Klinke in die Hand. Sie trainieren alles, was ihnen im Einsatz begegnen kann: Brände, Massenkarambolagen auf der Autobahn, Menschenrettung im Erdbebengebiet, dynamische Amoklagen, Terrorangriffe. Kurz gesagt: In Mosbach ereignet sich jeden Tag eine neue fiktive Katastrophe.
„Genau das ist das Besondere am TCRH“, sagt BRH-Präsident Jürgen Schart. Die Anlage sei von Anfang an konsequent auf fachdienst- und organisationsübergreifende, interdisziplinäre Trainings ausgelegt worden. Das zeigt sich in ausgeklügelten Konzepten etwa im Bereich Entwässerung: Die Regenwasserrückhaltebecken dienen zugleich als Löschwasserreserve; der im Zuge der Entwässerung geflutete ehemalige Bordkanonenschießstand soll vom kommenden Jahr an der Ausbildung von Tauchern dienen: Einsatzkräfte der Polizei und der Feuerwehr können hier zukünftig üben, unter Wasser Spuren zu sichern, Personen zu retten und Gegenstände zu bergen. Dazu werden eigens Fahrzeugkarossen versenkt.
Zerstören erlaubt
Auch auf den künstlich angelegten Schadenstellen ist Multifunktionalität Trumpf. „Was für Rettungshundestaffeln eine Trümmerlage nach einer Naturkatastrophe ist, dient Feuerwehren als Übungsszenario nach einer Gasexplosion und der Polizei für Trainings im Bereich Terrorlagen“, beschreibt Schart das Konzept. Und noch etwas ist in Mosbach einzigartig: Da das vom BRH angemietete Gelände im Besitz eines Entsorgungsunternehmens ist, besteht die Möglichkeit, zerstörend zu üben – also wie im Einsatz Betonwände zu durchbrechen oder Fahrzeuge zu zerteilen. „Durch unseren Vermieter und Kooperationspartner wird alles direkt vor Ort umweltgerecht entsorgt“, sagt Schart.
Das kommt an. Für 2019 sind bereits jetzt nahezu alle Wochenenden ausgebucht. Auch in Stuttgart sorgt die rund drei Millionen Euro teure Anlage für Begeisterung: „Mit dem Training Center Retten und Helfen hat der Bundesverband Rettungshunde ein Gelände geschaffen, das sich hervorragend für die Übung schwieriger Rettungssituationen eignet und weit über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus seinesgleichen sucht“, erklärt Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Zukünftig soll auch die Landespolizei verstärkt vor Ort üben und sich hier auf lebensbedrohliche Einsatzlagen vorbereiten. Für die Ausstattung stellt die Landesregierung 2019 eine Million Euro bereit.
Auf Amok- und Terrorlagen vorbereiten
Ausbildung Die Polizei in Baden-Württemberg will auf dem Gelände des TCRH ein spezielles Trainingszentrum für lebensbedrohliche Einsatzlagen einrichten. Das teilt Renato Gigliotti, Sprecher des Innenministeriums, unserer Zeitung auf Anfrage mit. Konkret sollen Beamte der Landespolizei vor Ort auf die Bewältigung komplexer Amok- und Terrorlagen vorbereitet werden – Szenarien, für die der Polizei im Land bislang keine geeigneten Trainingsstätten zur Verfügung stehen.
Ausbau „Für die zielgerichtete Vorbereitung auf die Herausforderungen dieser höchst gefährlichen Ereignisse sind professionelle Trainingsbedingungen ein wesentliches Element“, sagt Gigliotti. Mosbach sei bereits heute sehr gut dafür geeignet. Nun werden die bestehenden Trainingsflächen noch erweitert. Von der zweiten Jahreshälfte 2019 an soll das fertige Gelände für Ausbildung zur Verfügung stehen.
Arbeitsplatz Das neue Trainingszentrum wird organisatorisch an die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg angebunden. Im TCRH sollen künftig fünf Polizeibeamte sowie zwei Tarifangestellte einen Arbeitsplatz finden. agr