Den Blick für die zunehmende Armut inmitten unserer Wohlstandgesellschaft sollte man nicht nur zur Weihnachtszeit schärfen. Trotzdem fügte es sich trefflich, dass sich der Hechinger Gemeinderat just vier Tage vor Heiligabend, an dem die Geburt Jesu Christi in einem ärmlichen Stall in Bethlehem gefeiert wird, erstmals einen Armutsbericht geben ließ. Die Stadtverwaltung trug damit einem Antrag der Bunten Liste Rechnung.
Jürgen Rohleder, Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste, konfrontierte die Räte mit einer Fülle von Zahlen und Fakten. So erfuhr man zum Beispiel, dass in Hechingen aktuell 141 Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind. (Im gesamten Mittelbereich Hechingen sind es 283, im kompletten Zollernalbkreis 1075.)
1770 Menschen aus dem Mittelbereich Hechingen leben in Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften leben, im gesamten Zollernalbkreis sind es 5965. Die gute Nachricht: Überall ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr rückläufig, im Raum Hechingen gar um 10,3 Prozent.
Wohngeld, das einkommensschwache Bürger bei ihren Wohnkosten ersetzt, beziehen in Hechingen aktuell 194 Menschen, 367 sind es im gesamten Mittelbereich. Betrachte man den Trend, so gebe es „keine signifikante Zunahme“, sagte Rohleder.
Zur Tagesordnung übergehen können die politischen Akteure aber trotzdem nicht. Denn vor allem die Wohnraumversorgung hat sich – wie bundes- und landesweit – auch im Hohenzollerischen verschlechtert. Rohleder stützte sich auf die einschlägige Prognos-Studie, die von „zunehmend angespannten Märkten“ und teilweise „erheblichen Preissteigerungen“ spricht. Bezahlbarer Wohnraum wird auch in Hechingen immer knapper, auch wenn Wilhelm Stiefet, Geschäftsführender Vorstand der Kreisbaugenossenschaft Hechingen, meint: „Von einer echten Wohnungsnot, ähnlich der Situation in Großstädten, kann aus unserer Sicht nicht gesprochen werden.“
Fakt ist, wie Birgit Schuster, die Leiterin des Sozialamtes im Zollernalbkreis, bestätigte, dass das Mietpreisniveau in Hechingen so hoch ist wie sonst nirgends im Zollernalbkreis (was manchen Hechinger Sozialhilfeempfängern zehn Prozent höhere Mietzuschüsse beschert). Warum die Mieten ausgerechnet in Hechingen so hoch seien, fragte SPD-Stadträtin Ingrid Gruler nach. Klare Auskunft von Birgit Schuster: Die Nähe zu Tübingen macht’s.
Wie sich die hohen Mieten in der alltäglichen Lebenswelt der Bedürftigen niederschlagen, schilderte Caritas-Geschäftsführer Elmar Schubert aus den Erfahrungen seiner Mitarbeiter. Erschwinglicher Wohnraum sei in Hechingen „kaum noch vorhanden“. Vielen Klienten drohe die Obdachlosigkeit, auch weil die Sätze, die das Job-Center zahle, meist zu gering seien. Stromschulden seien keine Seltenheit.
Ein kritisches Wort richtete Schubert quer über den Tisch in Richtung Kreisbau-Chef Stiefet: Wohnungsbewerbungen der Caritas-Klienten würden von der Kreisbaugenossenschaft „nachrangig behandelt“. Schuberts Wunsch an die Adresse der Kreisbau: für Menschen mit kleinem Geldbeutel und Nicht-Deutsche ein Kontingent reservieren.
Stiefet wehrte sich gegen die Unterstellung, die Kreisbau würde „nur hochpreisig vermieten“. Das Gegenteil sei der Fall: „Wir haben viele Mieter, die von Hartz IV leben.“ Und eine Durchschnittsmiete von 5,60 Euro pro Quadratmeter in den Kreisbau-Wohnungen sei nicht hochpreisig. Allerdings gab Stiefet zu bedenken, dass die Kreisbau eine Genossenschaft und zunächst ihren Mitgliedern verpflichtet sei. Hauptzweck der Kreisbau sei nicht die kommunale Wohnraumversorgung.
Was Freie-Wähler-Fraktionschef Werner Beck zur Frage animierte, ob denn die Stadt an die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft denke, um den steigenden Bedarf an Sozialwohnungen zu decken. Bürgermeister Philipp Hahn bestätigte, dass man in der Verwaltung jüngst über die Notwendigkeit einer solchen Gesellschaft nachgedacht habe. Das gehe aber nicht von heute auf morgen. Wenn man eine Wohnungsbaugesellschaft gründe, dann müsse diese auch schwarze Zahlen schreiben.
Hahn bekannte sich aber dazu, Investoren auf dem Firstplatz und auf dem Killberg einen bestimmten Prozentsatz an geförderten, mietpreisgebundenen Wohnungen vorzuschreiben. Auf dem Killberg – das bestätigten Hahn und Stiefet gleichermaßen – will dann auch die Kreisbau ihren Hut in den Ring werfen.