Im lehmigen Boden graben, Schicht um Schicht abtragen und ganz vorsichtig die Steinreihen freilegen, die unter der Erde schlummern. Keine einfache Arbeit. Bei hochsommerlichen Temperaturen sogar eine ganz schöne Schufterei.
Die Ehrenamtlichen, die sich in den vergangenen Wochen an den Grabungen im Römischen Freilichtmuseum Stein beteiligt haben, ließen sich davon jedoch nicht abschrecken. Mit Tatkraft und Begeisterung halfen sie dabei, der Vergangenheit des einstigen römischen Landguts auf die Spur zu kommen.
Noch mehr Grabungshelfer
Die nördliche Umfassungsmauer ist es, deren Erforschung sich Wissenschaftler und Grabungshelfer derzeit widmen. Normalerweise sind es Mitglieder des Fördervereins, die sich unter der Leitung des Grabungstechnikers Thomas Schlipf und des Archäologen Dr. Klaus Kortüm vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg in Stein als ehrenamtliche Ausgräber betätigen. Im Juni und Juli war nun auch die Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern miteinbezogen: Vier Wochen lang haben sich 16 Ehrenamtliche, die in zwei Gruppen aufgeteilt waren, im Auftrag der Gesellschaft an den Grabungen beteiligt. „Da waren Leute aus ganz Baden-Württemberg dabei, die trotz der Hitze unermüdlich gearbeitet haben“, zieht der Fördervereinsvorsitzende Gerd Schollian seinen Hut vor dem großen Engagement der Helfer.
Drohnen sind im Einsatz
Wie David Knoll vom Landesamt für Denkmalpflege versichert, erhalten Laien, die sich ehrenamtlich an so einem Projekt beteiligen, einen lebendigen Einblick in die wissenschaftliche Arbeit. „Vom Einmessen bis hin zum Einsatz neuester Technik, etwa dem von Drohnen, um die Oberflächen in 3D darzustellen, lernen sie alles kennen.“ Gleich drei geophysikalische Verfahren wurden im Bereich der nördlichen Umfassungsmauer angewendet.
Sowohl Radar als auch Geomagnetik und Geoelektrik kamen zum Einsatz. „Hier hat man wirklich keine Kosten und Mühen gescheut“, unterstreicht David Knoll. Denn schon die ersten Untersuchungen des Geländes wiesen Auffälligkeiten auf. Dazu kam, dass exakt in diesem Areal nicht nur das Fragment eines reich verzierten Kapitells gefunden wurde, sondern auch eine Bleiplombe aus römischer Zeit. „All das zusammen warf so viele Fragen auf, dass wir uns entschlossen haben, in diesem Bereich eine großflächige Grabung zu machen“, erläutert Thomas Schlipf.
Die faustdicke Überraschung
Zunächst konnte eine Wasserleitung freigelegt werden, dazu kamen noch Pflastersteine, die im Bereich des Nordtores lagen. Bei der nördlichen Umfassungsmauer wartete dann eine faustdicke Überraschung. Diese läuft nicht wie vermutet in einer geraden Linie zwischen den beiden Ecktürmen, sondern krümmt sich in einem weiten Bogen nach innen.
„Die Frage, die sich nun stellt, ist, woher diese Buchtung kommt“, erklärte Thomas Schlipf. War sie von den Erbauern so gewollt? Und wenn ja, warum? Oder gab es in diesem Bereich einen Hangrutsch? Schließlich war die Mauer auf Knollenmergel gebaut, einer Gesteinsformation, bei der es häufig zu Erdrutschen kommt. Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, hat sich das Grabungsteam des Fördervereins nun daran gemacht, den Knotenpunkt, an dem eine Binnenmauer auf die Außenmauer trifft, freizulegen. Und es gibt auch schon neue Erkenntnisse.
Das ist für die Geologen
„In diesem Bereich ist ein fast spitzwinkliger Knick zu erkennen“, erklärt Grabungstechniker Thomas Schlipf. Das könnte darauf hindeuten, dass Druck von oben kam, was ein Beweis für Bodenbewegungen wäre. Ein geologisches Gutachten soll nun zeigen, ob an dieser Theorie etwas dran sein könnte.
Für Gerd Schollian und seine Mitstreiter sind die Ergebnisse der aktuellen Grabungen einmal mehr ein Beweis dafür, dass das römische Landgut in Stein immer wieder für eine Überraschung gut ist. Kein Wunder, dass David Knoll, der die Grabungen der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern wissenschaftlich begleitet hat, schmunzelnd von der „verrückten Villa“ spricht. In Stein zeige sich eben, was die Faszination archäologischer Forschung ausmacht, betont Thomas Schlipf: „Jedes Ergebnis wirft neue Fragen auf, und es bleibt immer spannend.“
Selbst zur Schaufel greifen? Aber immer!
Freiwillige vor! Wer gerne selbst einmal bei einer archäologischen Grabung mitmachen möchte, ist im Römischen Freilichtmuseum Stein herzlich willkommen. Das Grabungsteam des Fördervereins freut sich sehr über weitere Verstärkung. Auskünfte gibt es unter www.roemischesfreilichtmuseum.de oder Telefon 07471/6400.