Wenn’s kräftig windet, wackelt die Krangondel ordentlich. Da muss dann auch mal für ein paar Stunden die Arbeit eingestellt werden. Sicherheit geht vor! Doch ansonsten kommt die Firma Oettinger mit dem Abbruch des Maute-Kamins in Bisingen zügig voran: Stein für Stein kommt herunter. Noch gut zwei, drei Wochen, dann ist wieder ein Teil des ehemaligen Fabrikgeländes in der Ortsmitte Geschichte.
Auch wenn es so einige Bisinger bedauern: Der alte Kamin war einfach nicht mehr standsicher. Zu groß war die Gefahr, dass er beim nächsten Sturm, beim nächsten Erdbeben umstürzen könnte. Da waren sich die Fachleute einig.
Sprengen wäre einfach zu gefährlich gewesen
Sprengen oder abbrechen? Der Bisinger Gemeinderat hatte sich auf Anraten der Fachleute gegen ersteres entschieden. Keiner wollte das Risiko eingehen, dass sich irgendwo in dem Kamin vielleicht doch noch etwas Asbest verbirgt, das dann in die Luft geblasen worden wäre. Thomas Schatz geht zwar eher nicht davon aus, „aber ganz auszuschließen, dass irgendwo Dichtungsmaterial eingesetzt wurde, ist es nicht“. Schatz ist Bauingenieur und arbeitet für die Firma Berghof Analytik und Umweltengineering GmbH, Tübingen. Die feinen Asbestfasern sind so gefährlich, weil sie in die Lunge geraten können.
Der Abbruch ist echte Handarbeit
Der Abbruch ist echte Handarbeit. Mit dem Kran (extra angemietet) geht es nach oben. Mit Bohrer und Stemmeisen werden die Steine gelockert, dann durch das Kamininnere nach unten befördert. Am Kaminsockel wurde ein Loch geschlagen, durch das wird der Schutt dann mit Hilfe eines Minibaggers herausgeholt. Das Material wird anschließend untersucht, dann entsprechend entsorgt.
Die Arbeiter sind geübt, sie würden es sofort erkennen, wenn sie auf Asbest stoßen. Dann müssten sie sich komplett in Schutzkleidung hüllen. Bislang aber wurde nichts gefunden. „Der Schornstein steht separat, von dort aus führen Gänge in den Ofen, die haben sicherlich Asbest“, so Schatz. Daher wurden diese Verbindungen sorgfältig abgedichtet.
Irritation über „Herzenssache“-Mitglieder in Schutzanzügen
Als die Mitglieder der Bürgerinitiative „Herzenssache“, die sich für den Erhalt des Maschinen- und Kesselhauses einsetzen – der Beschluss, ob es wegkommt oder nicht, ist noch nicht endgültig gefallen –, sich vor wenigen Wochen mit Genehmigung der Gemeinde auf dem Gelände umsahen, durften sie das nur unter der Auflage, komplett mit Schutzmaske und -anzug ausgestattet zu sein. Was zu Irritationen geführt hatte. Doch die Gemeinde habe „auf Nummer sicher gehen wollen“, sagt Stefan Hauth, er ist der Gebäudemanager der Gemeinde. Es sei ja nicht auszuschließen gewesen, dass jemand in den Keller geht. Womit wir wieder beim Stichwort Asbest wären.
15 Meter sind inzwischen abgetragen
54 Meter hoch ragte der Kamin über Bisingen. 15 Meter sind inzwischen abgetragen. „Am Tag wollen wir fünf bis acht Meter schaffen“, erklärt Stefan Heinzler, der die Bauleitung hat. Wenn ihnen der Wind nicht dazwischen kommt. Und, das ist ein Erfahrungswert: Da oben zieht es ordentlich, selbst wenn am Boden nur ein laues Lüftchen zu spüren ist.
Ein paar Tage hatte es gedauert, die Baustelle einzurichten: die Öffnung am Kaminsockel musste geschaffen, der Kran musste aufgestellt werden. Dann gab es ein paar Probeläufe mit der Gondel. Am Montag wurde mit dem Abbruch begonnen. Erst kamen die riesigen Spannringe weg, dann ging es an die Steine.
Nächtliche Eindringlinge bereiten Ärger
Der Abbruch zieht Schaulustige an. Das ehemalige Fabrikgelände leider manchmal auch nächtliche Eindringlinge, obwohl hohe Bauzäune Unbefugte abhalten sollen. Gebäudemanager Hauth hat dafür kein Verständnis: „Das ist hier viel zu gefährlich“, sagt er und weist auf den teilweise überfluteten Keller hin. „Wie leicht kann da einer unter die Bodenplatte geraten und ertrinken.“ Alle Aufzugsschächte wurden zwar verstellt, doch mit bösem Willen, ließen sich die Hindernisse übersteigen. „Da ist der Sturz dann tief.“
Ganz wird der Maute-Kamin übrigens nicht verschwinden, etwas von ihm wird übrigbleiben. Hoch oben, beim Buchstaben A im Schriftzug Maute, war der Stein mit der Jahreszahl eingesetzt, wann der Kamin fertig gestellt wurde: 1934. Dieses Stück Geschichte bleibt Bisingen.