Der Ausbau der Windenergie in sechs Vorrangflächen, die in Landschaftsschutzgebieten liegen, steht heute auf der Tagesordnung des Ausschusses für Umwelt und Verkehr des Kreistages. Zu entscheiden hat der Kreistag allerdings nicht darüber. Vielmehr stellt das Landratsamt Göppingen den aktuellen Stand der Dinge vor. Es entscheidet als untere Naturschutzbehörde über die Befreiung von den Beschränkungen des Landschaftsschutzgebietes, das Gremium nimmt nur Kenntnis.
Bei einem der umstrittensten Gebiete, dem Vorranggebiet ES02 „Sümpflesberg“ nahe Baiereck könne „vermutlich eine Zustimmung zur Befreiungslage erteilt werden“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Anders sieht es beim Gebiet GP16 „Horn-Unterdübel – Aichelberg“ aus. Hier kommt das Landratsamt zu dem Ergebnis, eine Änderung der Landschaftsschutzverordnung könne nicht in Aussicht gestellt werden. Gründe sind neben „nur auf Teilflächen ausreichende Windgeschwindigkeiten“ auch die „besondere naturschutzfachliche Wertigkeit der Fläche“, die teilweise von einem FFH-Gebiet und vollständig von einem Vogelschutzgebiet überlagert werde.
Auch beim Vorranggebiet GP22 „Hungerberg“ bei Geislingen fällt die Abwägung der unteren Naturschutzbehörde zugunsten des Erhalts des Landschaftsschutzgebietes aus. Es gebe dort unter anderem Hinweise auf ein Dichtezentrum des Rotmilans, auch schränke der Betrieb des Wetterradars in Türkheim das Gebiet zum Bau von Rotoren ein. Der Verband Region Stuttgart werde Aichelberg und den Hungerberg wohl aus der Gebietskulisse des Teilregionalplanes Windenergie herausnehmen, vermutet das Landratsamt.
Weniger eindeutig ist die Lage beim Gebiet GP25 bei Wiesensteig. Die Naturschutzbehörde hält die eine Teilfläche, wo sich schon sechs Rotoren drehen, für genehmigungsfähig. Auf der zweiten Teilfläche sei im südlichen Bereich außerhalb des Wasserschutzgebietes Todtsburgquelle im Prinzip eine Windkraftnutzung möglich. Die hohe Windhöffigkeit spreche nach sorgfältiger Abwägung dafür, so das Landratsamt.
Auch bei ES02 „Sümpflesberg“ wägt das Landratsamt die Interessen zugunsten einer Befreiung von den Beschränkungen des Landschaftsschutzgebietes ab. Laut der Antragsunterlagen von Uhl-Windkraft könne die Einhaltung der Richtwerte in Bezug auf Lärmemissionen und Schattenwurf gewährleistet werden, schreibt das Landratsamt, auch wenn die Unterlagen noch „ergänzungsbedürftig“ erschienen. Neue Erkenntnisse könnten sich noch aus weiteren Gutachten zum Artenschutz ergeben, die von Naturschutzverbänden und aus der Raumschaft noch angekündigt seien, heißt es in der Sitzungsunterlage. Doch die Tendenz scheint klar: Die Zustimmung zur Befreiung könne „vermutlich“ erteilt werden, schreibt das Landratsamt, das betont, die Prüfungen „ergebnisoffen und streng nach den fachrechtlichen Vorgaben“ vorgenommen zu haben.
Naturschützer und Initiative sind dagegen
Naturschutz Nachdem der Göppinger Arbeitskreis des Landesnaturschutzverbandes sich bereits gegen den Bau der beiden Windkraftanlagen am „Sümpflesberg“ bei Baiereck ausgesprochen hat (wir berichteten), äußerte jetzt auch die Bürgerinitiative „Pro Schurwald“ ihren Protest.
Bürgerinitiative Michael Haueis, der Sprecher der Initiative, bezweifelt die Objektivität und Neutralität des Landratsamtes bei den Prüfungen. „Während die Landratsämter Esslingen und Rems-Murr-Kreis Windkraftstandorte in Landschaftsschutzgebieten im Schurwald wegen nicht ausreichender Windhöffigkeit ablehnen, will das Landratsamt Göppingen dies zulassen“, schreibt er. „Und dies ohne die Durchführung von Windmessungen und ohne Vorlage eines TR6-konformen Windertragsgutachtens.“
Kritik Die Firma Uhl-Windkraft habe keine Windmessungen durchgeführt, kritisiert die Initiative. Die Angabe von 5,6 Metern pro Sekunde in hundert Metern über Grund liege knapp über der Mindestertragsschwelle des Windenergieerlasses von 5,5. Der Landkreis Esslingen habe den auf seiner Markung liegenden Teil bei 5,75 Metern pro Sekunde wegen zu geringer Windhöffigkeit abgelehnt.
Emissionen Zulässige Lärmemission und Schattenwurf würden in Baiereck erreicht und teilweise überschritten, argumentiert „Pro Schurwald“. Der Betreiber müsse deshalb mit Abschaltzeiten wegen Schattenwurfs rechnen. Das Landratsamt ziehe auch den hohen Wert des Landschaftsbildes nicht in Betracht, das besonders schutzwürdig sei. Die Anlagen seien weithin sichtbar.