Umgestürzte Bäume, Schneisen der Verwüstung oder Dschungelfeeling. Derzeit wirkt der Aufstieg zur Burgruine doch eher wie ein Dschungel, als wie ein aufgeräumter Wanderweg: Was ist los auf dem Kaiserberg, fragen sich Ausflügler.
Waldbesucher entdeckten oberhalb der Kirche neben Baumstümpfen und verrottendem Totholz hier und da auch kahle Stellen. Doch schauen Wanderer genauer hin, erblicken sie dicht an dicht: saftige Jungtriebe, Moose überziehen Boden und Stämme, Stauden und Gräser sprießen und begrünen den Waldboden. Und wer genau hinhört, hört es schwirren und summen. Bienen, Hummeln und Spinnen beleben den Wald. Denn der ist alles andere als tot – nur ein bisschen wilder als früher. „Und das ist gut so“, sagt Jürgen Sistermans-Wehmeyer vom Forstbezirk Schurwald.

Totholz und Baumstümpfe sind gewollt

„Diese Unordnung ist so gewollt“, erklärt der Förster. Denn der Klimawandel zwinge dazu, die Wälder den neuen Bedingungen anzupassen. „Wir brauchen mehr hitzeresistente Bäume“, sagt der Fachmann und spricht von Zerr-, Flaum- oder Ungarischer-Eiche, statt von Rotbuchen und Tannen. Bis 2050 will Forst BW den Wald auf den Klimawandel vorbereiten.
Im Bereich des Forstbezirks Schurwald werden jedes Jahr rund 40 000 Bäume neu gesetzt. „Um unser Ziel zu schaffen, müssten wir aber mindestens das Doppelte pflanzen“, betont Sistermans-Wehmeyer, der für Öffentlichkeitsarbeit, Naturschutz und Waldpädagogik zuständig ist. Doch fehlende geeignete Setzlinge und Personalmangel erschweren, das Klimaziel zu erreichen. Denn durch zunehmende Frühjahrsdürren wächst längst nicht jeder Baum an.

Der Wald muss Dürre und Hitze trotzen

Doch zurück zum Hohenstaufen: Bis in 75 Jahren wird es bis zu vier Grad heißer in der Gemeinde sein. Den Prognosen der Klimaforscher folgend, wird der Staufen zum Weinbaugebiet. Beate Schwarz, DU-Geschäftsführerin, ist Vorsitzende des Vereins Berg-Hohenstaufen und weiß um den Wandel. „Der natürliche Umbau des Waldes findet schon heute statt“, so die Unternehmerin.
Die Forstliche Versuchsanstalt in Freiburg beobachtet seit 30 Jahren, welche Baumarten es immer schwerer in Süddeutschland haben und welche für eine wärmere Zukunft mit längeren Trockenphasen und wenig Niederschlag besser geeignet sind. Das Ergebnis: Reine Tannen- und Fichtenwälder wird es bis in 25 Jahren nicht mehr am und um die drei Kaiserberge geben. Arten wie Esche und Buche sterben jetzt schon. „Die Buche ist durch Hitze und tropische Nächte im Dauerstress, bekommt Sonnenbrand und treibt nicht mehr aus“, verdeutlicht Revierleiter Kai Struppek, der das elf Hektar große Areal des Hohenstaufen betreut. Pilze wie das aus Asien eingeschleppte Falsche Weiße Stengelbecherchen, er ist für das Eschentriebsterben verantwortlich, oder Halimasch befallen und zersetzen die Wurzeln der Esche. Die so den Halt in der Erde verliert und zur tonnenschweren Waffe mutiert, die spontan umfallen kann.

Wald der Extreme ist ein Thema beim „Sommer der Verführungen“

„Dem wirken wir entgegen“, sagt Struppek. Etwa durch das Fällen kranker Bäume, die im Wald verbleiben und während ihres Verfalls ein feuchtes Klima am Boden schaffen. Der tote Stamm wirkt wie ein Schwamm, gibt nach und nach Wasser und Nährstoffe an die Umgebung ab und ermöglicht so, dass neues Grün gedeiht. Das Querlegen der Stämme dient als Erosionsschutz. Auch Tiere profitieren von der gewollten Wildnis. So bieten Stauden oder Totholz eine Heimat für Spinnen, Mäuse und Insekten. Eine Verjüngung des Waldes findet von allein statt. Ferner schaffen es mehr Sonnenstrahlen auf den Waldboden, wenn die kranken Bäume fallen. Wer im Mai den Hohenstaufen erklimmt, sieht dort viele Zitronenfalter, die sich auf Distel und Schneeball wärmen. Sistermans-Wehmeyer weiß: „Nur ein Mischwald hat Zukunft“. Baumarten wie Linde, Walnuss, Spitzahorn, Eibe oder Eichen werden bis in 30, 40 Jahren die neuen Heimatbäume im Hohenstaufener Wald.
Der Hohenstaufen ist zudem ein Extremstandort. Viel Sonne und Felsen erschweren es dem Gehölz. Ostwinde trocknen das Plateau aus. Die vorhandenen Buchen und Eschen rund um die Ruine werden diesem Klima nicht standhalten.

Info Sommer der Verführungen 2023: Führung „Wald der Extreme!“ am 5. August von 14 bis 16 Uhr mit Jürgen Sistermans-Wehmeyer vom Forstbezirk Schurwald. Treffpunkt: Kirche Hohenstaufen.